Musikkritik: 50 Jahre Musikschule und 25 Jahre Bigband der Musikschule: Ein „Nice ‘n‘ Easy“-Abend der Premiumklasse
von Dr. Götz Heinrich Loos
Kamen. Die Bigband der Städtischen Musikschule Kamen, die „Nice ’n‘ Easy Big Band“ (sicherlich eine Hommage an Count Basie), bestritt am Samstag im Foyer der Stadthalle das Abschlusskonzert der Feierlichkeiten zum 50jährigen Musikschuljubiläum – und konnte ihr eigenes 25jähriges Bestehen feiern. Der Ruf, den sich Rüdiger Wilke und sein Ensemble inzwischen erarbeitet haben, ist herausragend – und so soll es auch nicht verschwiegen sein, dass die Bigband hier wiederum erfolgreich ihr Bestes gab; angesichts der Tatsache, dass die Bigband-„Landschaft“ bedeutend kleiner wird und auch die Möglichkeiten, mit einem Bigbandkonzert aufzutreten, immer geringer werden, ist es umso wichtiger, dass entsprechende Bands auf Qualität setzen – und dieser Abend war definitiv einer der Premiumklasse – Amateurmusiker (was sie freilich nicht alle sind) hin oder her…
Rüdiger Wilkes unermüdlicher Einsatz, der auch in einer Dankesansprache von Musikschulleiter Alexander Schröder gewürdigt wurde, hat aus dem Ensemble diese Qualität geformt. Und auch seine Bigbandler wissen das zu schätzen, denn sie dankten ihrem Chef ebenfalls, mit netten Worten und Präsenten, worauf Wilke gerührt nur erwidern konnte: „Ich hab immer gedacht, die hassen mich alle, weil ich sie immer so quäle“. Aber die vielleicht manchmal notwendige harte Hand trägt reiche und reife Früchte, wie alle Aufführungen in den letzten Jahren stets bewiesen haben. Da war es sicherlich nicht nur „Probenquälerei“, sondern auch ein motivationsreicher Anreiz, einmal wieder im Herzen Kamens zu spielen, um das Beste zu geben.
Bob Carletons „Ja-Da“ (oder „Jada“) machte den Anfang. Ursprünglich 1918 komponiert, entwickelte sich durch diverse Coverversionen des Originals, bei denen Bigbands eine große Rolle spielten, allmählich daraus ein Jazzstandard. Dennoch ist er gerade bei uns nicht allzu oft zu hören – und so brachte die „Nice ‘n‘ Easy Big Band“ umgehend Schwung und Frische in die Räumlichkeiten.
Die Auswahl der folgenden Werke reichte von Swing und Jazz bis zu Rock und Pop in allen denkbaren Facetten; die Arrangements waren ebenfalls weit gestreut, auch der im Jazz hochverdiente Arrangeur Mark Taylor war vertreten. „It don’t mean a thing“ von Duke Ellington, mit Gesang, war dabei sicherlich das obligatorische Stück, da es schon vom Text her die Swing-Ära begründete. War dieses Werk mit Gesangspartie sehr beeindruckend vorgetragen, gab es noch eine Steigerung mit Glenn Millers „Chattanooga Choo Choo”, bei dem ein Gesangsquintett wirklich eine glänzende Leistung vorlegte. Das Orchester musizierte dabei in einem der Original sehr nahen Arrangement und vollbrachte (nahezu) einen „echten“ Glenn-Miller-Sound. Was kann man da noch mehr erwarten? Aber es gab noch mehr. Michael Jacksons „Man in the mirror“ und Pharrell Williams’ „Happy” sind von der Anlage her schon „verjazzt” – bestens in diesen Interpretationen! Von Stevie Wonder wurden gleich zwei Songs in entsprechenden Arrangements gebracht: „Superstition“ und „I wish“. Das Keyboard hätte vielleicht etwas kräftiger abgesetzt werden können, aber mit einem kumulativen Instrument ist eine Clavinet-Stimme schwer zu realisieren. Dafür gab es ein schönes Solo und auch sonst waren hier die Solos – wie auch in anderen Stücken – durchaus virtuos und belegten, dass die Spieler ihr Fach beherrschen. Unter allen sei nur Andreas Heuser erwähnt, der mit seiner Gitarre schnelle wie langsame Partien mühelos vortrug, so dynamisch sie auch waren. Und es sei auf den bekannten Jazzdrummer Detlev Schütte hingewiesen, der hier trotz sicherlich eines vollen Terminkalenders mitgewirkt hat und dem Ganzen noch eine zusätzliche Würze verleihen konnte.
Ina Herkenhoff, Flötistin und Musikschuldozentin, schlüpfte nun auch in eine Solosängerinnen-Rolle und überzeugte mit satter, anschmiegsamer Altstimme. Damit war sie bei „God bless the child“ aber das genaue Gegenteil des Originals Billie Holiday. „New York, New York“ war dann ebenso nicht unbedingt nahe an Sinatra, aber doch expressiv, eben durch ihre Beherrschung der Tempi und tiefen Lagen. Ziemlich einfühlsam brachten Band und Sängerin schließlich Norah Jones‘ „Don’t know why”; das Arrangement war hier auch ausgesprochen schön, vor allem für die Trompeten.
Das „unglaublichste Arrangement überhaupt“, wie Rüdiger Wilke betonte, war aber ein im Stil von Glenn Miller gehaltenes von „Winter Wonderland“, einem in den USA extrem populären Weihnachtslied (der Komponist Felix Bernard ist hingegen ziemlich wenig bekannt), das auch bei uns, teilweise in deutschen Übersetzungen und Übertragungen, in den letzten Jahrzehnten bekannter geworden ist. Als Zugabe folgte abschließend „Respect“, das durch Aretha Franklin mit sehr extrovertiertem Vortrag berühmt geworden ist und heute als eine Frauenrechtshymne gilt, obwohl Komponist Otis Redding im Original eine ganz andere Intention vertrat. Sehr stark – im doppelten Sinne – waren hier die Posaunen.
Die Pause zwischen den beiden Teilen des Bigband-Abends war übrigens keine Pause: Die Bigband der Musikschule Schwerte unter Andreas Schneider, der auch in der Kamener Band Posaune spielt, trat nun zwischenzeitlich auf das Podium, teilweise mit Musikerinnen und Musikern der Kamener Besetzung (die dann keine Pause hatten), Sie boten neben bekannten Melodien aus „Rocky“ u.a. „Skyfall“ (Adele) und „Hallelujah“ (des jüngst verstorbenen Leonard Cohen) – qualitativ gleichwertig mit der „Nice ‘n‘ Easy Big Band“. Der Abend war generell gelungen; über 90 Zuhörerinnen und Zuhörer waren erschienen; eher zögerlich gingen einige „swingend“ mit, aber Szenenapplaus und begeisternde Applause am Ende der Stücke waren doch stets drin. Man wünscht sich jedenfalls häufigere Auftritte dieses qualitativ fraglos hoch professionellen Ensembles.