Kamen. (AG) Die Fraktion Die Linke im Rat der Stadt Kamen hat einen Antrag auf die Erstellung eines aktuellen Sozialberichts auf die Tagesordnung der anstehenden Ratssitzung am Donnerstag gesetzt. Den letzten gab es vor mittlerweile 15 Jahren.
Seit den 1980er Jahren werden von vielen Kommunen Sozialhilfeberichte, Berichte über die Lebenslagen bestimmter Bevölkerungsgruppen wie Kinder- und Jugendliche, ältere Menschen, Familien, Ausländer oder kleinräumige Sozialstrukturanalysen erstellt. Es werde Zeit, dass jetzt auch für Kamen wieder ein aktuelles Werk erstellt werde, meint der Kamener Linke/GAL- Fraktionsvorsitzende Klaus Dieter Grosch. Seit 2009 habe sich vieles zum Negativen verändert, laut Armutsbericht des Paritätischen Bundesverbands hat die Armutsquote in Deutschland mit 16,8 Prozent, rechnerisch 14,2 Millionen Menschen, im Jahr 2022 einen neuen Höchststand erreicht. „Wir zählten zuletzt 2,7 Millionen mehr Arme als noch vor 16 Jahren“, sagt Grosch. Die Armut unter Kindern und Jugendlichen hat dabei mit 21,8 Prozent, wie die Armut allgemein, eine neue traurige Rekordmarke erreicht - damit sei jedes fünfte Kind in Deutschland betroffen. Die Corona-Pandemie habe die wirtschaftliche Situation vieler Menschen noch verschärft, seit 2022 kommen durch den Krieg in der Ukraine enorm gestiegene Energiekosten hinzu. Änderungen habe es auch in der Sozialgesetzgebung gegeben, ergänzt Grosch und weist auf Maßnahmen wie das Bildungs- und Teilhabepaket, das Bürgergeld und die Ausweitung des Wohngeldes hin. "Der Sozialbericht ist eine wichtige Grundlage für die städtischen Sozialplanungen", ist Linke-Ratsfraktionschef Grosch überzeugt. Hierzu gehörten unter anderem die Bekämpfung von Kinderarmut, die Stärkung von Familien, die Förderung von Integration sowie von Stadt- und Wohnquartieren.
Zwar gab es in den letzten Jahren verschiedene Berichte im Sozial-, Teilhabe-, Generationen- und Familienausschuss zu Teilen der relevanten Themen, die man für einen Sozialbericht nutzen könne, eine zusammenhängende Darstellung der Datenlagen fehle aber bisher. Daher fordert die Kamener Linke im Tagesordnungspunkt neun der bevorstehenden Ratssitzung nach immerhin 15 Jahren jetzt eine Aktualisierung des Berichts, dessen Sinn es ist, den politischen Akteuren, den Bürgern und Bürgerinnen, Verbänden, Vereinen und anderen interessierten Gruppierungen ein Bild über die soziale Lage in der Stadt zu vermitteln. Gewünscht werden Basisdaten zu Themen wie Arbeitsmarktsituation, finanzielle Grundsicherung, Wohnsituation - auch mit Bezug auf Probleme wie Wohnungs- und Obdachlosigkeit - , sonstige soziale Leistungen, Pflege und individuelle soziale Notsituationen. „Armutsrisiken stellen sich nicht nur für einzelne Menschen oder Gruppen als eine erhebliche Belastung dar", sagt Grosch, "sie führen auch häufig zu Segregationsprozessen, die eine zusätzliche Verschärfung bestehender Problemlagen innerhalb eines Stadtteiles oder anderweitig definierter Quartiere nach sich ziehen.“
Am Beispiel des letzten Sozialberichts der Stadt Unna führt Grosch die Möglichkeit auf, der Verantwortung für das Recht des Bürgers auf Daseinsvorsorge nachzukommen, denn die vorliegenden Erkenntnisse böten sowohl Ratspolitik als auch Verwaltung eine hilfreiche Grundlage für eine kommunale Politik gegen Segregation und für soziale Lebensverhältnisse. Im Rahmen des Sozialberichts solle die soziale Situation in den einzelnen definierten Sozialräumen der Stadt dargestellt werden, darüber hinaus würden in einzelnen Bereichen Unterschiede nach Geschlecht, Alter, vorhandenem und nicht vorhandenem Migrationshintergrund sowie dem jeweiligen Bildungsstand dargestellt und dabei auch Bezug auf die Auswirkungen aktueller Faktoren wie Corona, Ukrainekrieg und Energieverteuerung genommen werden. Für Unterstützung bei der Erstellung stehe, so Grosch, das Team Armutsbekämpfung und Sozialplanung bei der Landesberatungsgesellschaft G.I.B. zur Verfügung, welches die Kommunen bei Bedarf bei der Implementation vor Ort sowie mit Qualifizierungs- und Transfermaßnahmen behilflich sei. Abschließend weist Grosch als nachahmenswertes Beispiel auf die einstimmige Entscheidung des Schwerter Sozialausschusses hin, in der Ruhrstadt eine Vollzeitstelle für den Bereich "Sozialraumplanung" einzurichten.