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Samuel Koch verwandelt die Kamener Kanzel in ein Wohnzimmer prall gefüllt mit Lebensmut und Energie

am . Veröffentlicht in Lokalnachrichten

SamuelKoch2 1019KBFotos: Katja Burgemeister für KamenWeb.de

von Katja Burgemeister

SamuelKoch3 1019KBKamen. Die Kanzel war nur noch ein Requisit. Samuel Koch und seine Freunde verwandelte die Pauluskirche kurzerhand in ein Wohnzimmer und holten die Kamener spielend zu sich hinauf neben den grünen Sessel. Der Abend verlief nicht nur deswegen ganz anders als seine neun Vorgänger. Selbst wenn der ehemalige Spitzensportler und Schauspieler aus seinen inzwischen drei Büchern vorlas war es, als würde er mit jedem einzelnen im randvollen Kirchenschiff plaudern. Über Themen, die es in sich hatten.

Wenn ein Querschnittsgelähmter die Nutzung der Kamener Kanzel dankend ablehnt, sich selbst samst vierfachem Genickbruch als Wirtschaftsfaktor mit Jobgarantie für ganze Helferscharen bezeichnet und das bewegungsempfindliche Mikro mit dem Hinweis tadelt, dass doch das aufrechte Sitzen samt Bewegungslosigkeit seine Kernkompetenzen sei, dann steckte auch viel außergewöhnlicher Humor und Optimismus in diesem Abend. Der sollte zum Nachdenken und Diskutieren einladen. Ersteres erledigte der Anblick des vollautomatischen Rollstuhls mit einem jungen Menschen, der sichtlich fast vor unbändiger Energie platzt, ganz von allein. Der Zweite Punkt war schon schwieriger, denn die Worte, mit denen Samuel Koch seine Erfahrungen seit dem folgenschweren Unfall bei einer Wetten-dass-Wette 2010 beschreibt, hinterlassen Sprachlosigkeit.

Wie er nach einem Leben randvoll mit Leistungssport, Dauerbewegung und Rastlosigkeit aus dem Rollstuhl heraus nach einem Jahr Reha fest überzeugt sein kann, dass „das Beste noch kommt“, die Dankbarkeit für warme Socken und Vogelgezwitscher wichtiger wird als alles andere und die eigene Überraschung darüber noch immer fasziniert: Da kam der Applaus oft genug erst nach einem satten Nichts, in dem alle schlucken mussten. Wie auch die Kehrseite, in der Resilienzratgeber zur blanken Ironie zusammenschrumpfen und das Glück angesichts der Dauerüberforderung durch Neuronenfeuerwerke im oberen Stockwerk bei unerwarteten Situationen eine bewusste kleine Momentaufnahme im Dauer-Auf-und-Ab der Lebens-Achterbahn wird.

SamuelKoch4 1019KBSamuel Koch hat seine eigenen Säulen der Resilienz gefunden. Begegnungen in Kinderhospizen, der Verlust von Mit-Erkrankten, die zuvor noch beste Fortschritte gemacht hatten, das Einäschern von Lebensträumen: Der 32-Jährige fragt zwar sich und seinen Gott „was soll das?“, trotzdem hofft er unerschütterlich auf den ersten Waldlauf, den er eines Tages wie durch in Wunder wieder machen kann. „Was hilft ist Hoffnung“, sagt er. Man muss auch Holland schätzen, wenn es mit der Italienreise nicht klappt. Was wirklich zählt, ist die 1+ vom Vater, auch wenn der Rest der Welt Fünfen verteilt. Gott ist für ihn genau so: „Er liebt mich, weil ich bin und nicht habe.“ Sanftmut, Demut, Hoffnung und der Wunsch, etwas zu sagen zu haben, das anderen hilft – das treibt ihn an.

Das macht auch die fast fassungslos, die ihn eigentlich kennen. Wie der Vater einer Schauspielkollegin am Mannheimer Nationaltheater, der im Publikum aufstand und fragte: „Wie schaffst du das alles mit Deinem Beruf und vielen Reisen?“ Anderen ist er ein Vorbild – wie dem jungen Mann, der sich einfach nur bei ihm bedanken wollte. „Für das Vorleben – das hat mich angetrieben, weiterzumachen und mich als Künstler für Menschen mit Behinderungen zu engagieren.“ Wieder andere wollten wissen, wie er sich selbst beschreiben würde. Eine Frage, die ihn am meisten beschäftigte. „Als Sohn, Bruder, Ehemann, Freund, Kollege, Zuhörer, Stehaufmensch – vielleicht können Sie mir ja bei der Antwort helfen.“ Und auch von seiner Beziehung zu Gott wollten die Kamener etwas wissen. Die „hat sich maßgeblich verändert“, sagte Samuel Koch, „ist dynamisch, verändert sich ständig, ist erschüttert worden und hat sich intensiviert – war am Ende aber die lebenserhaltende Maßnahme“. Das alles, nachdem es unter anderem auch der Zuspruch aus der eigenen Kirchengemeinde war, der ihn nach drei Absagen veranlasste, doch den verhängnisvollen Stunt bei „Wetten dass…“ zu versuchen.

Die Musik von Schauspielkollege und Freund Sebastien Kempf war nicht weniger kraftvoll als das Gesagte. Der Büchertisch war dicht umlagert nach diesem Abend, der deutlich länger wurde als geplant. Und Samuel Koch ist weiterhin ruhelos: Direkt nach dem Besuch in Kamen geht es ins Tropeninstitut nach einer Afrika-Reise mit Krankheitssymptomen und am gleichen Abend wieder in die Theatermaske. Überraschend übrigens: Im Publikum fand sich niemand mit ähnlichem Schicksal oder ähnlicher Behinderung.

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