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Stadt lässt Artenschutzgutachten erstellen - Schulgarten doch noch zu retten?

Geschrieben von Redaktion am . Veröffentlicht in Lokalnachrichten

schulgarten22KWDer Schulgarten des Gymnasiums steht dem Verbindungsbau zwischen Hauptgebäude und Westanbau im Weg. Ein unabhängiges Artenschutzgutachten soll klären, wie unverzichtbar das 2000 Quadratmeter große Biotop für die heimische Umwelt ist. Foto: KamenWeb.de

von Alex Grün

Kamen. Das Schicksal des Schulgartens des Gymnasiums schien zunächst besiegelt: nach den Plänen der Stadt soll er dem geplanten Verbindungsbau zwischen Hauptgebäude und Westanbau weichen, da eine Aufstockung des Gebäudes aus statischen Gründen nicht möglich sei, so die Stadt. Nachdem der Kamener Biologe Klaus-Bernhard Kühnapfel eine offizielle Online-Petition zur Rettung des kleinen Biotops startete, die mittlerweile fast 700 Menschen unterstützen, scheint die Verwaltung ihre Planung doch noch zu überdenken.

Der Schulgarten des Gymnasiums ist mit seinen rund 2000 Quadratmetern die artenreichste öffentliche Fläche von Kamen, die nach Aussage des Gymnasiums insgesamt 20 Kleinstbiotope beherbergt. Frühblüherhecke, Kalksümpfe, Alpinum mit Trockenmauer, Moor-Beet, Gemüsegarten und Kalkschotterflur haben hier seit der Anlegung des Schulgartens vor 50 Jahren eine Heimat gefunden. Unter den zahlreichen Pflanzen-, Flechten- und Moosarten, die von der Ruhr-Uni Bochum sowie von NABU und Kreis Unna auf diesem Gelände kartiert wurden, finden sich einige seltene Arten, die auf der roten Liste stehen, sowie Pflanzen, die an dieser Stelle kreisweit einmalig vorkommen sollen. Neben Säugern und Amphibien wurden mehr als 25 Vogelarten erfasst, die hier einen Rückzugsort in der Stadtlandschaft finden. Der Schulgarten leistet mit dem Erhalt dieser Vielfalt auch selbst einen aktiven Beitrag zur Biodiversität und bringt dem Nachwuchs in Arbeitsgemeinschaften den Naturschutzgedanken nahe - und das schon seit mehreren Generationen. Insbesondere in Projektwochen wird der Garten gerne als "lebendiges Klassenzimmer" für Lerneinheiten in Fächern wie Biologie, Erdkunde, Chemie oder auch Kunst verwendet.

Leicht haben es sich Gymnasium und Stadt mit derEntscheidung für den Verbindungsbau und gegen den Schulwald nicht gemacht. So sei den Beteiligten auch schon vor dem Planungsprozess bewusst gewesen, dass der Schulgarten ein in der Region einzigartiges Biotop für einige Pflanzen darstellt. Entsprechend habe sich die Schule bereits frühzeitig damit befasst, wie der Schulgarten an einer anderen Stelle auf dem Gelände eingerichtet und genutzt werden kann - dies auch ganz bewusst mit einer anders als heute ausgerichteten pädagogischen Konzeption: „Unsere Überlegungen beziehen auch eine stärkere Einbindung des Schulgartens in den Biologieunterricht sowie eine breitere Nutzung durch unsere Schülerinnen und Schüler mit ein, als dies heute möglich ist“, so Schulleiter Lars Wollny. Geplant ist von der Schule darüber hinaus, einen großen Teil des Gartenbestandes umzupflanzen.

Kritik und Misstrauen gegenüber dem städtischen Bauvorhaben hagelt es seit Bekanntwerden der Pläne von allen Seiten. Die Kamener Bündnisgrünen-Fraktion stellte schon eine entsprechende Anfrage an die Verwaltung, Biologe Klaus-Bernhard Kühnapfel startete die Online-Petition über die "Werkstatt Digitale Demokratie"bei der nur noch wenige Stimmen bis zum offiziellen Relevanzstatus fehlen, und auch ein ehemaliger Lehrer protestiert gegen die Maßnahme: der mittlerweile pensionierte Bio-Lehrer Hans-Joachim Haupt, derden Schulgartendes Gymnasiums seit 42 Jahren pflegt. Die von der Stadt angekündigte Umpflanzung eines großen Gartenbestands sei "aus ökologischen Gründen nicht umsetzbar", ist Haupt überzeugt. Es seien erstens keine Ersatzflächen bereitgestellt worden, und zweitens sei "ein Transport vieler empfindlicher Arten in diesem Ausmaß unmöglich", sagt Haupt. Jede Pflanze habe definierte Standardansprüche, "Nahrungsnetze, die von dem Ökosystem abhängig sind, werden unwiederbringlich zerstört und können nicht einfach umgesiedelt werden", ist der Ex-Pauker überzeugt.

Aufgrund des massiven Drucks der Schulgarten-Verteidiger hat die Stadt jetzt eingelenkt und im Zuge der Baumaßnahmen am Gymnasium die Erstellung eines unabhängigen Artenschutzgutachtens angekündigt. Dieses soll Auskunft darüber geben, welche Optionen es im Umgang mit dem Schulgarten gibtund unter welchen Voraussetzungen ereventuell auch erhalten werden könnte. Der Erweiterungsbau sei allen Beteiligten von Schule und Verwaltung bei der gemeinsamen Planung als sinnvollste Variante für die Lösung des Platzproblems erschienen. Das Gymnasium favorisiereden vorliegenden Entwurf mit dem Verbindungsbau, da er vielfältige Aspekte wie vorgeschriebene Raumgrößen, sinnvolle Zoneneinteilungen sowie Laufwege ebenso berücksichtige, wie die Anforderungen an moderne Unterrichtsformen, erklärt Schulleiter Lars Wollny. „Diese Variante deckt im Vergleich zu den anderen Optionen unsere Bedürfnisse am weitgehendsten ab“, sagt Wollny.

Dummerweise steht der Schulgarten im Weg, "derden Beteiligten aufgrund seiner ökologischen und allgemeinen Bedeutung sehr wichtig ist", so die Stadt. „Es ist in den vergangenen Wochen sehr deutlich geworden, wie vielen Menschen der Schulgarten aus den unterschiedlichsten Gründen am Herzen liegt“, schildert Bürgermeisterin Elke Kappen. Dies sei vor dem Hintergrund der aktuellen Herausforderungen in Sachen Klima- und Artenschutz auch nachvollziehbar - und während des bisherigen Entscheidungsprozesses durchaus auch berücksichtigt worden. Schule und Stadt wollen nun in diesen Abwägungsprozess die Ergebnisse, Optionen und Möglichkeiten einfließen lassen, zu denen das Gutachten kommen wird. „Sollte sich herausstellen, dass die Bebauung des geplanten Bereiches aus ökologischen Gründen nicht vertretbar ist, werden wir dies bei den weiteren Planungsschritten berücksichtigen“, sagt Kappen - und lässt damit dem Schulgarten, und allen, die an ihm hängen, zumindest ein Stück weit Hoffnung.