Lions Frühlings-Büchermarkt: Experiment Bürgerhaus ist voll und ganz geglückt
Büchermarkt lockt Hunderte für den guten Zweck nach Methler
von Katja Burgemeister | Fotostrecke >>>
Kamern-Methler. „Im Auto sind noch viel mehr“, sagt die Frau mit dem riesigen Bücherstapel unter dem Arm. Charlotte Link und Co. reichen vom Oberschenkel bis zur Achsel. Der linke Arm passt gerade so einmal herum um alle Bücher. Die rechte Hand sucht im Büchertisch weiter nach geeigneter Literatur. „Das meiste ist für meine pflegebedürftige Mutter“, sagt sie. „Bücher sind die beste Beschäftigung, wenn man nicht mehr viel rauskommt“.
Der Büchermarkt des Kamener Lions Club erfüllte am Wochenende nicht einfach nur die Wünsche echter Leseratten, sondern ganz nebenbei auch soziale Dienste. Oder pure Leidenschaft. „Der erste Besucher stand bereits eine Stunde vor der Eröffnung vor der Tür“, erzählt Mit-Organisator Uli Neuhaus. „Er ist um 6 Uhr in Frankfurt in den Zug gestiegen, um rechtzeitig hier zu sein. Er kommt jedes Jahr, weil unser Büchermarkt besonders gut sei.“ Auch diesmal verschwand er wieder mit zwei randvollen Tragetaschen Richtung Frankfurt. Kein Wunder: 35.000 Bücher waren in zwei großen Sälen aufgereiht. Da fand sich für jeden etwas.
Wie für die zwei Frauen, die erst einmal auf den Turnbänken an den Wänden eine Verschnaufpause einlegen. Sie forsten mehrere Stapel Bücher durch. Das meiste sind Krimis, gezielt haben beide ganze Reihen zusammengesucht. Ein paar Kinderbücher sind auch dabei. An den Vinyl-Platten und CDs führt jemand tief versunken engagierte Selbstgespräche vor Begeisterung. In der Reiseabteilung blättert ein Besucher verträumt und hält bei einem großformatigen Druck von Florenz inne: „Da war ich doch gerade erst“, sagt er verdutzt.
Für das schwerste Buch brauchte man mindestens ein Auto. 20 Kilo wog die Jubiläumsausgabe zu 60 Jahren Bildzeitung. Ein Meter lang war der Prachtband. Wo und wie es der Käufer unterbringen will, blieb sein Geheimnis. Auf echte Kenner und Liebhaber wartet noch der Sammelband der britischen Satirezeitschrift „Punch“ von 1855. Bei Zeitgenossen war sie weit über das Nachbarland hinaus berühmt. Dass 100 Jahre der SPD-Parteizeitschrift „Vorwärts“ direkt neben 100 Jahre Schalke lagen, mag bei manchem ein Gefühlschaos ausgelöst haben. Geistliche Kirchenlieder, mehr als großformatige „Erzählungen zur Kunst“, eine besonders kunstfertig illustrierte Ausgabe von Poe oder eine Originalversion des „Zupfgeigenhansl“: Für echte Bücherfans war der Büchermarkt eine Wonne. Offenbar lesen die Kamener auch einiges an erlesener Literatur, wie der reichhaltige Fundus offenbarte.
„Der Basar im Bürgerhaus ist ein Experiment. Erstmals zwei Tage mit Rahmenprogramm: Wir wollen sehen, ob es die Kamener annehmen“, schildert Lions-Präsident Dieter Wojciechowski. Die allgegenwärtigen Kostenexplosionen zwingen auch den Lions Club, Alternativen zu finden. Denn schließlich sollte der Reinerlös so groß wie möglich sein, ist er doch für den guten Zweck bestimmt. Diesmal geht das Geld wieder an die Kamener Schulen, darunter ein spezielles Projekt mit der Friedrich-Ebert-Schule, die einen Leseplaneten erschaffen hat und ihren Schulhof neugestalten will.
Das Experiment ist jedenfalls geglückt: Die Kamener zog es in Strömen an die Büchertische. Zudem warteten Minibagger auf echte Abenteurer, eine Hüpfburg war aufgebaut, es gab Würstchen und Kuchen und den 1. Kamener Luftballoncup. Alles steuerten die Lions-Brüder aus den eigenen Reihen bei: Ein Mitglied ist Bauunternehmer mit Baggern, das nächste Bücherexperte. Sogar Saxophonisten und Trommel-Experten gibt es unter den Mitgliedern, die für die musikalische Unterhaltung sorgten. Am heutigen Sonntag darf weiter geschmökert werden für den guten Zweck: Das Bücherreservoir ist unerschöpflich, schließlich wird jeden 1. Samstag im Monat in der Hauptschule gesammelt, was die Kamener an Lesestoff erübrigen können.