Kurz, aber heftig: Kite 2023 versinkt mit sonnigen Eindrücken in der Regenflut
Fotos: Katja Burgemeister für KamenWeb.de
von Katja Burgemeister | Fotostrecke >>>
Kamen. Kurz war Kite 2023 – aber trotzdem schön. Bevor der große Regen dem ohnehin schon schwer aufgeweichten Boden auf dem Segelfluggelände am Samstagabend den Garaus bereitete, gab es immerhin noch einen sonnengesättigten warmen Frühlingstag und gelegentlich sogar Wind. Und viele Enthusiasten, die sich die Hoffnung nicht nehmen ließen.
Wie Werner Witte. Der ist ein alter Drachen-Hase und kommt schon so lange auf das Derner Gelände an der Seseke, wie es das Drachenfest gibt. Dafür reist er eigens aus Ennigerloh an. Meist mit mehreren Hundert Metern Drachenketten im Gepäck. Dabei hat er sein eigenes Drachenfest, das er in seiner Heimatstadt organisiert. Und er erfindet notfalls die Dinge selbst, die das Drachenflieger-Leben leichter machen. Wie die Verbindungen an seiner goldglänzenden Kette, die er gerade in die schwache Brise hochschickt. „Die reiben weniger an der Schnur und sind so haltbarer“, erklärt er. 101 kleine Drachen reihen sich an der 100 Meter langen Schnur auf. Jeder wird einen Millimeter größer als der andere, damit die Kette aus der Bodenperspektive symmetrisch aussieht. Gebastelt hat er jeden einzelnen aus Rettungsdecken, Lametta, Bambusstäben und biegsamen Stäben, die eigentlich ins Klavier gehören. 3D-Drucker kommen für die Verbindungen zum Einsatz. „Es muss nicht immer teuer sein“, sagt er als Improvisationstalent. Dennoch bastelt er eine halbe Stunde an jedem Drachen.
Heinrich Lempert hat sich auf ganz andere Windobjekte spezialisiert. Fahnen sind sein Steckenpferd. 400 Stück hat er mindestens schon handgenäht. Mit einer Reise nach Indien vor 10 Jahren fing alles an. Dort entdeckte er Saris, kaufte gleich 25 Stück davon – jeweils 5,50 Meter lang. Heute noch verarbeitet er den Stoff zu Fahnen, die lautlos und geschmeidig auch in der leichtesten Brise flattern. Ganze Festivals schmückt er damit aus. Die Stücke aus Christall-Organza glänzen in der Sonne und sind in Kamen vor allem mit bekannten Comicfiguren geschmückt. Oder mit Fischen. Die werden einzeln aufgenäht. „Eine Bekannte in Dänemark ist Snoopy-Fan“, sagt er lachend und zeigt auf einen fast kompletten Comic-Strip, der im Wind weht. Wenn er abends wieder im Keller verschwindet und seine nächste Fahne in Angriff nimmt, denkt er manchmal schon: „Heinrich, bist du eigentlich doof? Was machst Du hier?“ Dann kommt aber wieder die nächste Idee und es geht von vorn los. „Die Fahnen sind immer in Bewegung, egal ob es viel Wind gibt oder gar keinen. Angestrahlt sind sie besonders schön“, beschreibt er das, was ihn so sehr fasziniert.
Dirk und Jana sind noch nicht so lang in der Drachenszene. „Erst 6 Jahre“, sagen beide. Ihre Nähmaschine steht direkt vor dem Wohnmobil und ist gerade im Einsatz. Diesmal allerdings zur Reparatur des Vorzelts. „Die hat mir meine Mutter geschenkt, weil sie einfach perfekt ist“, sagt Jana. Damit hat sie den kleinen Wal zusammengenäht, den sie gerade aus einer Unmenge Schnüren entwirrt. Und den riesigen Nemo, der es auf stolze 6 Meter bringt, wenn er sich mit Wind gefüllt hat. Besonders am Herzen liegt ihr aber der Drachen, auf dessen Innenseite ein knieender Mann eine aufrechte Frau regelrecht anbetet. „Damit hat Dirk mir vor einem Jahr den Heiratsantrag gemacht“, sagt sie. Ihr Ehemann war es auch, der sie vollständig mit dem Drachenvirus infiziert hat. „Bekannte hatten mich mitgenommen auf diverse Drachenfeste. Dabei habe ich gemerkt, dass das mein Ding ist“, erzählt er. Seitdem ist das Paar überall in der Welt unterwegs. Das am weitesten entfernte Drachenfest war auf Fuerteventura. In Frankreich waren sie angemeldet, bevor Corona kam. Demnächst geht es zum ersten Mal nach Österreich.
Sie alle mussten früh ihre Drachen wieder einpacken, die nur selten die wenigen Windböen nutzen und hoch in die Luft steigen konnten. Aber auch das gehört zum Drachenflieger-Alltag dazu. Das Segelflug-Gelände konnte die Regenmengen einfach nicht mehr fassen. Es wäre eine echte Schlammschlacht für alle Beteiligten geworden. Für die Organisatoren war der Samstag bis zum Abbruch dennoch ein Erfolg. Bis zum Wolkenbruch strömten die Besucher ungebrochen auf das Gelände. Parkplätze rund herum waren durchgängig ausgebucht. Wer sich mutig dennoch mit vier oder zwei Reifen auf die Heerener und Derner Straße traute, der musste Geduld mitbringen, denn Parken stand hier ganz oben auf der Wunschliste. Auch mit dem Rad wurde es eng. Die Wiese für die Drahtsesel-Parkflächen war schon am Morgen komplett durchfurcht. Stellenweise musste man schon erfinderisch werden, um überhaupt noch eine Abstellmöglichkeit zu finden. Fotostrecke >>>