Erfolgreiche Premiere: Jobmesse "Jetzt ich!" zeigt rund 1000 gesundheitlich oder körperlich eingeschränkten Arbeitssuchenden neue Perspektiven auf
Kamen. (AG) Nicht nur eine kommunale, sondern gleich bundesweite Premiere erlebte die Kamener Stadthalle am Dienstagvormittag: Die Jobmesse "Jetzt ich!" für Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen aus dem ganzen Kreis, die das Jobcenter des Kreises Unna erstmals mit der Agentur für Arbeit Hamm in der Sesekestadt veranstaltete, war nicht nur im Kreis Unna die erste ihrer Art, sondern könnte im ganzen Bundesgebiet als Vorbild dienen. Und: Das nageneue Messeformat eröffnete vielen arbeitssuchenden Kreisbürgern Möglichkeiten, die sie vorher gar nicht in Betracht gezogen hätten.
Die Veranstalter verzeichneten rund 1000 Besucher, insgesamt 2000 Jobcenter- und Arbeitsagentur-Kunden, die aufgrund von körperlichen oder gesundheitlichen Einschränkungen ohne Arbeit sind, waren im Vorfeld eingeladen worden. Da das Team der Arbeitsagentur um Leiterin Stefanie Kortendiek, das die Idee für die spezielle Arbeitsmarkt-Messe zusammen mit Mitarbeitern des Jobcenters hatte, schon im Vorfeld mit einem hohen Interesse gerechnet hatten, wurden die Besucher im Rahmen von vorterminierten Zeitfenstern in die Stadthalle eingelassen, die sonst zumindest streckenweise zu überlaufen gewesen wäre. 28 Ausstellerstände örtlicher Sozialträger wie AWO, Caritas, des Fachbereichs Jugend und Soziales der Stadt Kamen, der Werkstatt Unna und natürlich auch von Jobcenter und Arbeitsagentur selbst, lockten viele Hundert Menschen in die Stadthalle, die beeinträchtigt sind, aber in Lohn und Brot wollen.
Viele körperlich beeinträchtigte Kunden von Jobcenter und Arbeitsagentur hätten trotz ihrer Gebrechen den Wunsch, zu arbeiten, finden aber nichts, weil sie davon ausgehen, dass keine Stelle für sie geeignet ist, erklärt Stefanie Kortendiek. Ihnen sollen durch die Messe ebenso Wege aufgezeigt werden, wie es doch gehen kann, wie Menschen, die sich bereits ins Schicksal der Arbeitslosigkeit gefügt haben, und denen hier Alternativen zur Untätigkeit aufgezeigt werden sollen. Auf Seite der Arbeitgeber ist dabei freilich auch ein gewisses Maß an Flexibilität und Kreativität gefragt, um die neuen Stellen zu ermöglichen.
Unter den (noch) etwas weniger vertretenen Industrieunternehmen war mit der Kamener Systemanbieterfirma Vahle auch der kreisweit größte Industriearbeitgeber am Start. Vahle-Personalerin Katharina Biernath hatte an ihrem Stand den ganzen Vormittag über alle Hände voll zu tun, sie sei praktisch seit Veranstaltungsbeginn ununterbrochen in Gesprächen mit potentiellen neuen Kollegen, freut sie sich - auch, wenn die Kehle gegen Mittag schon reichlich trocken war. Dabei seien auch viele interessante Kontakte zustande gekommen, etwa mit einem Rollstuhlfahrer, der für die EDV-Abteilung von Vahle topqualifiziert sei, berichtet Katharina Biernath. Die Frage sei, wie man den potentiellen neuen Kollegen ins Dachgeschoss befördern kann, wo die Abteilung derzeit sitze. Aber genau dafür sei die Messe da, nämlich um erste Kontakte zu knüpfen und sich anschließend mit der Realisierbarkeit zu beschäftigen - wenn's sein muss, sei eben Improvisationsvermögen gefragt, lacht die Vahle-Mitarbeiterin. Lösungen sind eben da, um gefunden zu werden.
Auch Nicole Kölzow und Sabrina Sommerkamp vom Team des AWO-Seniorenheims Hermann-Görlitz-Zentrum aus Bergkamen führten eine Menge Gespräche, natürlich sei nicht jeder Tätigkeitsbereich im Pflegewesen körperlich für Menschen mit Einschränkungen geeignet, räumen die beiden ein. Als praktizierender Altenpflege müsse man schon eine gewisse Fitness mitbringen. Es gebe aber auch Bedarf an Pflegebegleitern, Küchenmitarbeitern und kaufmännischen Angestellten, deren körperliche Einschränkungen mit den Anforderungen an das Jobprofil durchaus vereinbar seien, erklären die beiden.
Aber es ging nicht nur um Kontakte, sondern auch um Informationen. Diese lieferten unter anderem die Werkstatt des Kreises Unna, die unter anderem Werbung für das kreisweite Programm "Chan!Ge - Chancen und
Gereichtigkeit" zur Armutsfolgenbekämpfung und Chancengerechtigkeit Werbung machte, an dem die Kreisstädte, der Kreis, das Jobcenter und vier weitere Träger der Beschäftigungsförderung teilnehmen. Die Werkstatt stellte nicht nur die "Chan!Ge"-Wiedereingliederungsprogramme vor, sondern nahm auch gleich Bewerbungen für handwerkliche und kaufmännische Tätigkeiten bei der gemeinnützigen Einrichtung entgegen. Werkstatt-Berater Rene Winkler freute sich über mehrere Eingänge, die schon fix und fertig auf dem USB-Stick mitgebracht wurden - "daran kann man die hohe Motivation erkennen, die diese Menschen mitbringen", sagt Winkler.
Dass der Bedarf da ist, zeigte die hohe Besucherzahl auf der "Jetzt ich!"-Messe mit Blick darauf, dass diese kein Zwangstermin für Bürger- oder Arbeitslosengeldempfänger war. Alle Besucher fanden sich freiwillig und aus wirklichem Interesse in der Stadthalle ein. Die Messe soll nach der erfolgreichen Premiere künftig alle zwei Jahre in Kamen stattfinden, das nächste Mal also 2026.