Kamen-Heeren-Werve. Sie sehen ein bisschen aus wie die Getränkehalter bei Großveranstaltungen. Tatsächlich hatten die Gestelle aus Eichenholz mit zehn großen und sehr kleinen Löchern am Samstag im Lutherzentrum eine ganz andere Funktion. Sie sind Hornhalter. Die drei Exemplare auf den Tischen des Schweineclubs sind echte Unikate und einzig den Trägern des Heerener Horns vorbehalten. Von letzteren gab es bei der 28. Hornverleihung drei neue, entsprechend verstärkten Hornhalterbedarf.
Auch Beatrix Weber, Roger Hönert und Oliver Kaczmarek dürfen ab sofort ihre Hörner hier „artgerecht“ ablegen. Die dünnen Spitzen passen sich unten genau in die kleinen Löcher ein. Oben ist reichlich Platz, denn jedes Horn hat eine individuelle Größe. Geschaffen hat die einzigartigen Unikate Markus Schäfer. Er ist Tischlermeister und hatte zusammen mit dem Schweineclub-Präsidenten Lukas Schulte-Filthaut die Idee für die Konstruktionen. „Beim Essen wussten die Hornträger nie, wohin damit“, erzählt er. Entweder lagen sie mitten auf den Tischen oder behinderten um den Hals gehängt die Bewegungsfreiheit bis hin zu sichtbaren Pfefferpotthast-Unfällen. Rund sechs Stunden brauchte es, bis ein Hornhalter für zehn Hornexemplare fertig war. „Das ging schnell“, sagt Markus Schäfer, der sich freute, dass die drei Halter regen Gebrauch fanden.
Kein Wunder, denn es war voll im Lutherzentrum. Viele wollten sehen und hören, wie die Hörner Nummer 84 bis 86 neue Eigentümer fanden. Denn das ist immer zunächst mit einem leckeren traditionellen westfälischen Pfefferpotthast verknüpft. Dann folgen äußerst launige Worte, die inzwischen auch Schweineclub-Präsident Lukas Schulte-Filthaut beeindruckend beherrscht. Der reimte aus den Heerener Ereignissen um die Standortsuche der Feuerwehr, nachhaltige Eigenständigkeitsbestrebungen der Bewohner, das Ringen um die Kleinschwimmhalle, kirchliche Überlebensversuche oder die Aktivitäten des Ortsheimatpfleger als „Lipizaner“ einiges in Max-und-Moritz-Tradition in sieben „Schoten“ um, die es in sich hatten. Da „wälzen sich die Schweine und singen“.
Damit folgte er der guten Tradition des Hauptredners. Der stammt mit Christian von Plettenberg in der zweiten Redner-Generation aus dem Heerener Adelshaus und hat die Lobhudelei für die neuen Hornträger zur eigenen Kunst erhoben. Humorig geht es dabei durch das Leben und die besonderen Eigenschaften der Kandidaten.
Den Anfang machte BSV-Geschäftsführerin Beatrix Weber. Die lernte nicht nur ihren Ehemann auf dem BSV-Fußballplatz lernen, sondern den Mit-Geehrten Roger Hönert auch auf der damals noch in Heeren-Werve ansässigen Gesamtschule. Mit den Kindern kam ein unvergleichliches ehrenamtliches Engagement „für jede Aufgabe, die dringender Unterstützung bedurfte“. Die Auflistung ihrer Eigenschaften lieferte Plettenberg als Maschinengewehrfeuer ab, das Applaus erntete. Auch die Beschreibung ihres „gelb-blauen Fieber“, dem sie mit der fußballerischen Aktivität ihres Sohnes restlos erlegen war von Fahrdiensten für Auswärtsspiele über Trikotwäsche, Turnierbegleitung bis hinein in die Führungsebene des Vereins, wo sie seit 25 Jahren die Geschäftsführung übernimmt. Sie kennt alle Wege zu hiesigen Sportplätzen ebenso auswendig wie die 400 Mitglieder der zwölf Mannschaften, Platzpläne, Schiedsrichter oder alle Details des Vereinsheims.
Ganz besondere Eigenheiten hat auch Roger „Höni“ Hönert, der schlicht als „Unikum“ vorgestellt wurde. Als entwurzelte Werver hat er sich in Heeren mit angeborenem „Allerheiligenschein“ vor allem in die Herzen der Kinder gearbeitet – mit Lederhose und Barfußschuhen. Denn seine wahre Berufung hat der gelernte Dachdecker 1999 als Hausmeister gefunden, nicht nur um die eigenen schlechten Erfahrungen aus der Schulzeit auszumerzen. Seit 26 Jahren hat er eine einzigartige Philosophie kultiviert, die schon um kurz vor 6 Uhr mit AC/DC-Klängen und der Regulierung der Eltern-Taxis beginnt. Weniger Mobiliar und Technik sind sein Metier als vielmehr der Umgang mit den Kindern insbesondere auf dem Pausenhof, die ihn abgöttisch auch für seine Weingummi-Währung lieben und ihm bedingungslos gehorchen.
Eingemeindet ist jetzt auch der Kamener Bundestagsabgeordnete Oliver Kaczmarek. Als Spross einer Bergbaufamilie passt er perfekt, auch mit seinen sozialdemokratischen Wurzeln. Eigentlich habe er ja auch Hausmeister werden wollen, gelangte über das Studium der Geschichte, Politik und Sozialwissenschaften aber dann doch bis ins Lehrerzimmer. Seit 1988 ist er SPD-Mitglied, war ab 1990 Juso-Vorsitzender und gehört dem sozialdemokratischen Landesvorstand seit 2006 an. Seit 2009 ist er Bundestagsabgeordneter, inzwischen in der 5. Wahlperiode. Erlebt hat dabei Dinge, für die seine Vorgänger mehrere Generationen brauchten: Finanzmarktkrise, Papstrücktritt, die erste Amtszeit von Trump, Corona, Ukraine-Krieg und eine komplizierte Ampel-Regierung. Das ganze mit vielfältigen Ausschussmitgliedschaften, Themenspektren und Funktionen im Parteivorstand: In Zeiten schwindender Demokratie-Selbstverständlichkeit, unzähligen Ängsten und Krisen mit wegbrechendem bürgerschaftlichem Engagement samt einer endlos-Liste von Ehrenämtern mehr als Grund genug für ein Horn um den Hals.
Darauf verwies bereits im Vorfeld beim traditionellen Festgottesdienst Pfarrer Benno Heimbrodt. In der katholischen Kirche legte er dabei den Fokus auf die Schwierigkeiten, den auch die Kirchen in diesem gesellschaftlichen Umbruch erleben und er sich zukünftig fortsetzen werde. Eine weitere Herausforderung, der auch das Heerener Horn etwas entgegenzusetzen versucht. Denn die Erlöse fließen immer zurück in die Gesellschaft in Heeren-Werve. Diesmal bekamen die Heerener Sportvereine mit dem BSV Heeren, der Turngemeinde und dem HC Heeren Unterstützung in Form von jeweils 800 Euro für ihre Arbeit.
Archiv: Hörner gibt es diesmal gewürzt mit Schoten und Zoten