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    Ein gutes Beispiel

    Foto: Gisela Rost übergibt Klaus Holzer vom Kultur Kreis Kamen ihr Photoalbum. (C) Klaus Holzer KKK

     

    Gisela Rost übergibt Klaus Holzer vom Kultur Kreis Kamen ihr Photoalbum.

    von Klaus Holzer

     

    Kamen. Gisela Rost ist 92 Jahre alt und hat ein wahrhaft bewegtes Leben gehabt. Als junge Frau arbeitete sie in der Funkmeldestelle im Zoobunker in Berlin, wo sie die Meldungen über anfliegende alliierte Bomber weiterleitete. Es folgte ein Leben in der DDR, geprägt von den Verwerfungen, die das Regime erzeugte, als es Enteignungen in Handel, Handwerk und Gewerbe und Zwangskollektivierungen in der Landwirtschaft durchsetzte, die Enteignungen gleichkamen.

    Es war aber im Frühsommer 1953, daß ihr Leben die entscheidende Wende nahm. Sie befand sich auf dem Wege zur Arbeit, als sie von der Straße weg von der Stasi als Spionin verhaftet wurde. Ihr wurden im „Ersten Arbeiter– und Bauernstaat auf deutschem Boden“ verbotene Westkontakte vorgeworfen. Und das hieß für gewöhnlich Zuchthaus. Als sie nach knapp vier Monaten freigelassen wurde, gab es für sie nur noch eins: so schnell wie möglich weg aus dem Arbeiter– und Bauernparadies. Weil sie aber überhaupt freigelassen worden war, statt ins Gefängnis zu gehen, beäugte man sie im Westen äußerst argwöhnisch, da man sie für ein Trojanisches Pferd hielt. Man glaubte hier, sie solle als Spionin eingeschleust werden. Also folgten erneut tagelange Verhöre, bevor sie sich endlich der Freiheit erfreuen konnte, die sie sich so ersehnt hatte. Sie fand Arbeit bei Schering und ließ sich in Kamen nieder.

     

    Jetzt ist Gisela Rost dabei, die Bilanz ihres Lebens zu ziehen und ihre Angelegenheiten zu ordnen. Als ihr beim Räumen in Schränken und Schachteln ihr altes Familienalbum, das sie ihr Leben lang begleitet hatte, in die Hände fiel, erstanden ihre Kindheit und ihre Jugend wieder vor ihren Augen neu: Mutter Anna und Vater Paul, in Festtagskleidung auf wunderschönen alten Photos festgehalten; der Vater in der Uniform eines Ulanen der kaiserlichen Armee; Geschwister, Tanten, Onkel, Freunde und Bekannte kehrten ins Gedächtnis zurück, und mit ihnen Geschichten, die sich mit den Namen verbinden.

    Foto: Paul Rost in Ulanenuniform Und dann plötzlich der Gedanke: wenn ich einmal nicht mehr bin – wen interessiert das dann eigentlich noch? Von allen den Personen im Album lebt keiner mehr, die lebende Verwandtschaft wohnt weit weg und wird das Album nicht haben wollen. Nur war klar, daß das Album nicht auf dem Müll landen sollte, nicht dort landen durfte. Gisela Rost setzte sich hin und schrieb einen Brief an Klaus Holzer vom Kultur Kreis Kamen, in dem sie fragte, ob er das Album haben wolle.

    Er wollte. Zufällig beschäftigte sich der KKK gerade mit der Idee eines „Raumes der Erinnerung“. Was konnte Besseres geschehen als solch ein Geschenk? Und man war sich schnell einig, daß es in Kamen noch viele solcher Schätze geben müsse, denen vielleicht auch das Schicksal droht, einfach weggeworfen zu werden.

    Gisela Rosts Geschichte ist eine, in der sich privates Erleben und Schicksal mit öffentlichem Interesse decken. Daher richtet sie, gemeinsam mit dem KKK, den Appell an alle Kamener: schaut einmal in euren Kisten undKästen, Schränken und Schachteln, in den
    Ecken eurer Wohnung nach, was dort alles im Verborgenen liegt, vergessen ist. Holt es hervor und gebt es dem Stadtarchiv: Photos längst abgerissener Häuser oder gar Häuserzeilen, Vereinsphotos von Festen und Jubiläen, Photos privater Feiern, z.B. Weihnachten, Goldhochzeiten, Karnevalsfeiern usw. Solche Photos können uns heute so viel erzählen über ein Leben, das es in dieser Form nicht mehr gibt. Sie ergeben zusammengenommen eine kleine Kulturgeschichte.

    Foto: KKK "Raum der Erinnerung"Der „Raum der Erinnerung“ des KKK ist ein klein wenig anders angelegt. Hier sollen Gegenstände gesammelt werden, mit denen jemand eine besondere Erinnerung verknüpft: z.B. die Fahrkarte von Sizilien nach Kamen, die der Gastarbeiter aus den 1950er Jahren aufbewahrt hat, mit der für ihn alles das verknüpft ist, was ihn aus seiner Heimat getrieben hat, aber auch die Furcht vor dem Neuen, dem Fremden, dem fremden Land, der fremden Sprache, den fremden Menschen, der unbekannten Arbeit.

    Oder wer hat noch sein altes Mietbuch? Darin wurde die pünktliche Zahlung der monatlichen Miete mit Stempel bestätigt. Kein Mensch hatte damals ein Bankkonto, weder gab es Daueraufträge noch Lastschriftverfahren, und auch der Lohn kam in Tüten, bar. Photos von der ersten Fahrt nach Italien, zum ersten Mal im eigenen Auto, einem Käfer natürlich, der erste Urlaub am „Teutonengrill“, mit dem Touropa-Sonderzug nach Oberstdorf … . So will der KKK versuchen, eine Brücke zwischen den Generationen zu bauen, die alte Welt der neuen Generation näherzubringen.

    Foto: KKK "Dezentrales Museum"Und am schönsten wäre es, wenn für einen solchen Zweck in Kamen ein dezentrales Museum entstehen könnte.

    In der Altstadt gibt es eine Reihe unmittelbar vom Verfall bedrohter Häuser, in der Kirchstraße, der West– und Oststraße, an der Nordenmauer, Am Geist. Wenn nichts geschieht, ist unsere Stadt in wenigen Jahren um etliche weitere alte Häuser ärmer. Diese alte Bausubstanz ließe sich vielleicht retten, wenn es gelänge, sie zu kaufen, zu sanieren und mit für Kamens Geschichte wichtigen Dingen zu füllen. Es ließe sich in einem Haus eine Schuhmacherwerkstätte einrichten, eine Sammlung des zweitwichtigsten Kamener Handwerks, der Leineweberei, aufbauen, die Bierbrauer und Fuselbrenner, ebenfalls in Kamen in großer Zahl heimisch, könnten ein eigenes Haus bekommen, es könnte eins geben, in dem die Erinnerung an den Bergbau gepflegt wird. Aus dem Haus der Stadtgeschichte könnten Dinge hierher ausgelagert werden, Platz machen für die vielen sehenswerten Schätze, die dort im Magazin lagern. Und gewiß ließen sich alte Handwerker finden und dafür begeistern, diese Sammlungen mit aufzubauen bzw. zu ergänzen, später dann auch zu betreuen. Sie könnten vorführen, wie diese Handwerke ausgeübt wurden, welche Werkzeuge wichtig waren und wofür …. . Sie könnten bewahren, was verloren geht, wenn wir uns unsere Wünsche und Bedürfnisse mit Hilfe von 3-D-Druckern selber erfüllen. Gerade für Schulklassen wäre unersetzliche Anschauung möglich.

    Freilich bedarf es großer Anstrengungen. Die Stadt könnte solche Häuser kaufen und sie als Investition in die Zukunft werten. Wenn Rat und Verwaltung und interessierte Bürger an einem Strang ziehen, könnte es gelingen, Kamener Unternehmen und Handwerksbetriebe für die Idee zu gewinnen, solche Häuser zu kaufen und zu sanieren. Vielleicht muß dafür eine Stiftung gegründet werden. Durch eine geeignete Konstruktion wären alle dafür notwendigen Aufwendungen, Geld– wie Sachleistungen, steuerlich absetzbar.

    Foto: KKKDas Bahnhofsumfeld in Kamen ist neu gestaltet worden und sieht jetzt sehr ansehnlich aus, am anderen Ende der Stadt wird Hertie abgerissen, ein Neuanfang ist nah, das Seseke-Umfeld wird in ein paar Jahren zum Promenieren einladen – es geht ein Ruck durch Kamen. Gemeinsam für Kamen. Kamener für Kamen.

    Einen Versuch wäre es wert.
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