Ernste Mahnungen bei Zwischenbilanz - rechtlich verbindliche Maßnahmen erst nächste Woche
von Julian Eckert
Kamen/Berlin. Das Ergebnis der heutigen Ministerpräsidentenkonferenz nannte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) „wirklich ernste Mahnungen.“ Mit einem Seitenhieb auf NRW-Ministerpräsident Laschet kündigte CSU-Chef Markus Söder für das kommende Treffen in der nächsten Woche „mutige Entscheidungen“ an.
Seit einem halben Monat gilt in Deutschland der „Lockdown light“. Zeit, eine Zwischenbilanz zu ziehen. Im Vorfeld der heutigen Beratungen war eine Beschlussvorlage des Kanzleramts durchgesickert, die zahlreiche rechtlich verbindliche Verschärfungen vorgesehen hatte. Durchsetzen konnte sich heute aber weder die vorsichtige, mahnende Merkel, noch der für einen harten Anti-Corona-Kurs bekannte Markus Söder (CSU). Vielmehr waren es diejenigen Ministerpräsidenten, die eher für laschere Regeln und Empfehlungen anstelle von verbindlichen Vorgaben präferieren, die sich heute durchsetzen. Dazu zählt auch NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU). Und so werden verbindliche Verschärfungen wohl erst in der kommenden Woche beschlossen. Von der heutigen Konferenz übrig bleiben laut Merkel „dringende, sehr ernste Empfehlungen und Mahnungen“.
Dringende Empfehlungen und Mahnungen:
Einen kleinen Seitenhieb konnte sich Merkel dann doch nicht verkneifen: Die Bundesländer seien heute überwiegend der Mehrheit gewesen, dass es keine Zwischenrechtsänderungen bis zur nächsten Ministerpräsidentenkonferenz am 25.11 bräuchte. Sie als Kanzlerin hätte sich durchaus vorstellen können, im Bereich der Kontakte “verbindliche Änderungen bereits heute zu beschließen”. Doch diese Position sei heute eben nicht die Mehrheit gewesen. Daher bleibt es heute weitgehend bei dringenden Empfehlungen und Mahnungen:
Bundeskanzlerin Merkel kündigte “sehr viel weitergehende und längerdauernde Beschlüsse“ in der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz am 25.11. an. Ziel sei es weiterhin, bundesweit “runter auf 50 Neuinfektionen” zu kommen.
Eine Trendumkehr bei der Zahl der Neuinfektionen habe man noch nicht erreicht, so Merkel. Von dem Ziel, der Inzidenzzahl von 50 Neuinfektionen in 7 Tagen pro 100.000 Einwohner sei man „noch ein großes Stück“ entfernt. Gleichwohl dankte die Bundeskanzlerin der Bevölkerung, dass man inzwischen wenigstens den Stopp des exponentiellen Zuwachses erreicht habe. „Wir bitten, die geltenden Maßnahmen weiter einzuhalten.“ Trotzdem sei es nötig, die Kontakte noch weiter zu reduzieren. „Jeder einzelne Bürger kann durch das Vermeiden einzelner Kontakte etwas erreichen.“ Bayerns Ministerpräsident Söder pflichtete der Kanzlerin während der Pressekonferenz bei und erklärte, warum die Grenze von 50 so wichtig sei: Dies sei der Schwellenwert, bis zu dem dauerhaft gesichert sei, dass die Gesundheitsämter die Nachverfolgung gewährleisten können. Söder ergänzte, dass die Zahl der Todesfälle seiner Meinung nach zu wenig in der öffentlichen Wahrnehmung sei. „Natürlich gehört der Tod zum Leben dazu. Aber die Sorge und der Schutz davor, das ist eine Schutzpflicht und zentrale Aufgabe des Staates.“ Im Sommer habe man täglich “unter 10 Tote am Tag” gehabt, ergänzte Merkel. Inzwischen stürben 200 Menschen täglich im Zusammenhang mit Covid-19.
„Deutschland hat den schwächsten Lockdown in ganz Europa.“
Mit dieser Kritik stellte Söder seine Sicht auf die heutigen Beschlüsse dar. Diese seien “kein großer Wurf” gewesen. In der nächsten Woche stünden daher wichtige Entscheidungen an. Zwar sei die große exponentielle Welle gestoppt, aber die Zahlen stagnierten auf sehr hohem Niveau. Dies reiche nicht für eine “nachhaltige Antwort auf Corona”. Es gäbe keinen Anlass zu glauben, Anfang Dezember sei alles wieder normal. Seine Antwort: “Im Zweifel auf Sicherheit setzen.”
Junge Leute, die für angeblich unvernünftiges Handeln gescholten würden, erlitten laut Söder momentan eine besondere Belastung. “Schülerinnen und Schüler tragen die Maßnahmen mit großem Engagement mit.” In Bezug auf Schulen fragte der bayerische Ministerpräsident: “Ist das Offenlassen auf Biegen und Brechen die einzig mögliche Reaktion?” Es gelte, eine Entzerrung im Unterricht zu erreichen, wie sie zuletzt von vielen Seiten gefordert worden war. Auch die Kreisverkehrsgesellschaft VKU gehört dazu. So könnten bei An- und Abreise sowie innerhalb der Schule Kontakte weiter reduziert werden. Laut Söder werde dies “kein normales Schuljahr werden - aber es muss ein faires sein.” Man müsse auch den Leistungsdruck hinterfragen, den die Schülerinnen und Schüler aktuell zusätzlich erleiden würden. Gefordert sei eine “maximale Flexibilität in der Schulpolitik.”
Aussicht auf die kommende Woche:
“Viele Kollegen waren vor dem Beschluss des Lockdown light der Meinung: vielleicht geht es auch anders”, sagte Söder spitzfindig auch in Richtung Armin Laschet. Die Zahlen hätten aber etwas anderes gezeigt. Man dürfe „nicht den Fehler machen, sich zu früh in Sicherheit zu wiegen”, so Söder. “Corona hat jeden bestraft, der sich zu früh in Sicherheit gewogen hat.“ Betroffen davon seien aktuell unter anderem “unsere Freunde in Österreich.” Daher habe man heute noch einmal gemahnt. “Man hätte das alles natürlich heute schon regeln können - nächste Woche ist dann aber eine mutige Entscheidung fällig.“