Ausgerastet bei Deichmann: "Wie 'ne Furie"

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von Andreas Milk

Kamen. "Wir müssen uns eh schon viel gefallen lassen", sagte die Deichmann-Verkäuferin aus dem Schuhgeschäft im Kamen Quadrat. Aber das, was sich Thorsten K. (47, Name geändert) geleistet habe, sei dann doch entschieden zu weit gegangen. Es war der 31. Januar 2023. K. löste beim Verlassen des Geschäfts die Diebstahlsicherung aus. Er hatte zwei nicht bezahlte Kinderschuhe unter der Jacke. Er habe "Theater gemacht", erinnerte sich die Verkäuferin jetzt als Zeugin im Amtsgericht. "Wie 'ne Furie" habe er sich benommen, bestätigte eine Kollegin. Es seien Beleidigungen gefallen, etwa "Schlampen", heißt es in der Anklage. Auch habe er den Frauen gedroht, sie "kalt zu machen", wenn sie ihm nicht seinen Ausweis zurückgäben, den er zwischendurch auf den Verkaufstresen geknallt habe, um in Ruhe weiter mit seiner Lebensgefährtin telefonieren - besser gesagt: sie fernmündlich anranzen - zu können. Den Ausweis brachte ihm dann abends die Polizei in seine Wohnung. "Sehr aggressiv" sei K. da gewesen, erzählte ein Beamter. Das sei umso befremdlicher gewesen, weil ein kleines Kind dabei war. K. war - wie schon vorher in der Deichmann-Filiale - betrunken.

Ganz nebenbei umfasste die Anklageschrift noch einen Brieftaschendiebstahl, eine Ohrfeige sowie die Androhung einer Ohrfeige. In diesen drei Punkten wurde das Verfahren aber eingestellt - weil Zeugen fehlten und weil eine Strafe hierfür auch nicht mehr viel ausgemacht hätte. In Thorsten K.s Register haben sich seit 1998 insgesamt 14 Einträge gesammelt, plus eine Verurteilung 2023, die aber noch nicht rechtskräftig gewordenist. Der "Deichmann-Komplex" brachte ihm jetzt nochmal eine Geldstrafe: 65 Tagessätze à 65 Euro soll er zahlen.

Verlobt mit mutmaßlichem Prügelopfer: Freispruch

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von Andreas Milk

amtsgericht19KWKamen. Am Abend des 18. Februar soll er sie noch geschlagen und getreten haben. Jetzt sind sie verlobt - jedenfalls erzählten sie das dem Amtsrichter: Der Bergkamener Erol U. und die Kamenerin Tanja F. (Namen geändert). Gemeinsam haben sie ein Kind, knapp zwei Jahre alt.

An jenem Winterabend waren sie noch getrennt. Er war bei ihr zu Besuch. Sie stritten sich über eine mögliche neue Beziehung von Tanja F.. Am Ende dieses Streits brachte ein Rettungswagen die junge Frau zur Behandlung ins Krankenhaus.

Zu der Verlobung kurze Zeit später hatte der Richter nun ein paar Fragen. Der entscheidende Punkt ist: Familienangehörige und eben auch Verlobte eines Angeklagten können als Zeugen nicht zu einer Aussage gezwungen werden. Da kann eine flotte Versöhnung samt Eheversprechen einen Juristen im Strafprozess schon mal stutzig machen. So ganz übereinstimmend waren die Angaben von Erol U. und der erst später in den Verhandlungssaal gebetenen Tanja F. nicht: Ort der Verlobung? Zeitpunkt? Verlobungsringe? Beim Zeitpunkt schwankten die Angaben des Paars zwischen einem und zwei Monaten. Was Ringe angeht, soll es nur einen einzigen geben - und zwar für Tanja F., die ihn aber im Gericht nicht trug, weil er hinderlich sei beim Kümmern ums Kind.

Gegen Erol U. ist schon einmal eine Geldstrafe wegen Körperverletzung verhängt worden. Wegen Betrugs kam eine Haftstrafe auf Bewährung dazu. Einen Termin beim Bewährungshelfer ignorierte er. Weil zu der Attacke am 18. Februar weder er selbst noch seine Verlobte etwas sagten, war die Folge ein Freispruch. Und ein Appell des Richters, sich in den Griff zu kriegen: "Irgendwann haben die Damen den Kaffee auf." In einer Art Halb-Geständnis hatte U. erklärt, "so was" werde "nicht wieder vorkommen". Er liebe Frau und Kind. 

Schimpfender Wohnungsloser angeklagt: Einstellung erspart langen Prozess

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von Andreas Milk

Kamen. Verfahrenseinstellung: Mit dieser Entscheidung des Strafrichters dürften Angeklagter und Geschädigte gut leben können. Wegen Beleidigung sollte sich ein stadtbekannter Wohnungsloser, 53 Jahre alt, im Amtsgericht verantworten. Die Beleidigte: eine junge Frau, die am 25. Februar mit ihrem Hund am Galgenberg spazieren gegangen war und von dem dort campierenden Mann wüste Beschimpfungen zu hören bekam. Es war ein Sonntag, das Ordnungsamt nicht kurzfristig zu erreichen. Also wandte sich die Frau an die Polizei. Die wiederum nahm eine Anzeige auf.

Der beschuldigte Mann kam nicht zum Gerichtstermin - wohl aber die als Zeugin geladene Frau und ein Caritas-Mitarbeiter, der den Angeklagten betreut. Sie habe sich bedroht gefühlt damals, erzählte die Frau. Inzwischen wisse sie, dass von dem Mann zwar eine beachtliche Lautstärke, aber anscheinend keinerlei Gefahr ausgehe. Der 53-Jährige ist ein kranker Mann: paranoide Schizophrenie. In seinem Kopf gibt es eine Art Bedrohungssituation. Gegen die wehrt er sich durch Schimpftiraden.

Die Verfahrenseinstellung soll nun ohne Auflage erfolgen - das heißt: Der Mann, der von Bürgergeld lebt, braucht keine Geldauflagen oder sonst etwas zu erfüllen. Er muss lediglich noch seine Zustimmung zu der Einstellung geben. Dafür braucht es eine Unterschrift. Das entsprechende Formular wird ihm via Caritas zugestellt.

Alternative wäre ein aufwendiges Verfahren zur Beweiserhebung gewesen, wahrscheinlich mit Erstellung eines Gutachtens und Bestellung eines Pflichtverteidigers. Geholfen hätte all das vermutlich niemandem. Auch die beschimpfte Gassigängerin äußerte für die Beendigung des Verfahrens Verständnis.

Mixgetränke unterschätzt: 80-Jährige mit 1,6 Promille hinterm Steuer

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von Andreas Milk

amtsgericht19KWKamen. Zwei Menschen saßen diese Woche vorm Kamener Strafrichter, die dringend wieder einen Führerschein haben wollten: eine Frau aus Unna, ein Mann aus Bergkamen. Der Bergkamener (38) war ein "alter Bekannter". Die Unnaerin war mit ihren 80 Jahren zum ersten Mal auf der Anklagebank - und in einer besonders üblen Lage.

Am Abend des 7. Februar, gegen 22 Uhr, war sie in Kamen auf der Unnaer Straße einem anderen Autofahrer aufgefallen. In ihrem Nissan fuhr sie Schlangenlinien. Die Polizei stoppte sie. Ergebnis der späteren Blutuntersuchung: 1,63 Promille Alkohol. Sie habe mit Bekannten etwas getrunken, erzählte sie nun dem Richter. Dabei habe sie den Alkoholgehalt süßer Mischgetränke unterschätzt. Es tue ihr unendlich leid. Sie trinke keinen Tropfen mehr, habe sich außerdem Beratung beim TÜV geholt. Und sie sei bloß froh, dass am 7. Februar niemandem etwas passiert sei. Problem für sie als Angeklagte war nun nicht eine drohende Geldstrafe, sondern das Fehlen der Fahrerlaubnis seit jenem Tag. Die alte Frau - verwitwet und ohne Kinder, die ihr helfen könnten - ist körperlich beeinträchtigt, kann zu Fuß nur kurze Strecken gehen. Der Richter zeigte Verständnis. Er fand aber auch, dass eine Führerscheinsperre von weiteren sechs Monaten angemessen sei. So steht es nun im Urteil, dazu eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 100 Euro, gemäß der recht üppigen Rente der Frau.

Der Mann aus Bergkamen hat wegen mehrerer Verkehrsdelikte Vorstrafen. Sogar eine Haft auf Bewährung war dabei wegen Trunkenheit am Steuer und Fahrens ohne Fahrerlaubnis. Diesmal ging es um Unfallflucht. Am 28. Januar war er morgens müde von der Nachtschicht gekommen und hatte das geparkte Auto einer Nachbarin gerammt. Weil es noch früh am Tag war, wollte er nicht gleich bei ihr klingeln. Stattdessen legte er sich hin und trug seiner Frau auf, das später zu erledigen. Aber die Frau "hat es einfach verbummelt", sagte er dem Richter. Das Urteil hier: eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen à 20 Euro wegen Unfallflucht plus sieben Monate Führerscheinsperre. So lange hat der Mann in seinem Job als Kurierfahrer Zwangspause. Er will aber seine Geldstrafe abarbeiten.

"Ordentlich auseinandergenommen": Angeklagter war eher Opfer

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von Andreas Milk

amtsgericht19KWKamen. Markus G. (44, Name geändert) stand vor Gericht, obwohl er selbst es war, der üble Prügel eingesteckt hatte. Bloß war seine Reaktion darauf eben auch nicht in Ordnung. Erst per WhatsApp-Sprachnachricht, dann ein paar Wochen später persönlich bei der Kamener Altstadtparty 2023 stieß er Bedrohungen gegen seine mutmaßlichen Peiniger aus. Das brachte ihm eine Anklage.

Die Vorgeschichte, Gegenstand eines gesonderten Verfahrens, sieht im wesentlichen so aus: G. wurde von drei Männern lebensbedrohlich attackiert. Und mindestens einen seiner Widersacher hatte er lange Zeit für seinen Freund gehalten - bis er herausfand, dass dieser "Freund" ein Verhältnis mit seiner Frau hatte. In der Sprachnachricht kündigte G. an, er werde sich die drei Angreifer "einzeln holen". Zum Zeitpunkt des Versands habe er unter starken Schmerzmitteln gestanden, erklärte G. im Gerichtssaal. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft gestand ihm zu, "ordentlich auseinandergenommen worden" zu sein.

Das Verfahren wegen der Bedrohungen wurde am Ende eingestellt. Eine Strafe bekam G. aber für ein völlig anders gelagertes Delikt: Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz. Denn er war auf einem nicht haftpflichtversicherten E-Scooter erwischt worden. Er hat Vorstrafen wegen Fahrens ohne Versicherung, Betrugs und Fahrens ohne Fahrerlaubnis. Nun soll er 45 Tagessätze à 30 Euro für den neuen Verstoß zahlen. G. akzeptierte. Das Urteil wurde rechtskräftig.