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Zweifel an Gewalt: Freispruch für Noch-Ehemann

Geschrieben von Redaktion am . Veröffentlicht in Gerichtsberichte

amtsger19NKWvon Andreas Milk

Kamen. In der Wohnung von Murat M. (Namen geändert) und seiner Frau Serap soll es Streit gegeben haben am Morgen des 14. März - und Gewalt. Laut Anklage der Staatsanwaltschaft erlitt Serap M. einen Faustschlag im oberen Kopfbereich, einen Tritt mit nacktem Fuß gegen die Hüfte, einen Schlag mit einem Hartplastikteller gegen den Arm. Ihr Mann habe sie aufs Sofa gestoßen und gedroht, er werde "ihre Eltern ficken und alle umbringen". Mit Begleitung der Polizei kam Serap M. am nächsten Tag nochmal in die Wohnung, um ihre Sachen zu holen. Folge der Vorwürfe gegen ihren Mann war ein Strafbefehl. Weil Murat M. dagegen Einspruch einlegte, war der Fall jetzt Gegenstand einer öffentlichen Verhandlung.

"Alles Schauspielerei", was seine Frau da zeige, sagte er. Ja, es habe Streit gegeben - immer wieder in acht Jahren Ehe -, aber keine Schläge. Seine Frau werde nicht damit fertig, dass er sich von ihr scheiden lassen wolle. Sie könne dann nicht zurück zu ihren religiösen Eltern.

Die 26-Jährige selbst war als Zeugin vorgeladen worden. Als (Noch-) Ehefrau des Angeklagten brauchte sie nicht auszusagen - und das tat sie auch nicht. Sie begründete das auch damit, dass kein Dolmetscher zu dem Termin geholt worden sei. "Ich habe den Eindruck, Sie können ganz gut Deutsch", erwiderte der Richter.

Tatsächlich gab es - anders als in anderen Fällen von häuslicher Gewalt - diesmal große Zweifel an der ursprünglichen Darstellung der Frau bei der Polizei. Unter anderem behauptete sie einmal, neben ihr seien auch die beiden kleinen Kinder des Paars Opfer von Gewalt geworden. Dabei ist belegt, dass diese beiden Kinder bei einem Termin vor dem Familiengericht strahlend auf ihren Vater zu liefen. Und über eigene Verletzungen Serap M.s gibt es keine ärztlichen Atteste.

Was wirklich los war am 14. März - es bleibt offen. Und es gilt: Im Zweifel für den Angeklagten. Murat M. bekam einen Freispruch.

Duell der "Verkehrsprofis" führt zu Prozess: Freispruch

Geschrieben von Redaktion am . Veröffentlicht in Gerichtsberichte

amtsgericht19KWvon Andreas Milk

Kamen. Er ist Berufskraftfahrer - sie steuert Linienbusse in Dortmund. Auf der Lünener Straße in Kamen gerieten der Mann und die Frau am Vormittag des 30. April - es war ein Samstag - in eine Art Zweikampf. Folge war jetzt ein Strafprozess vor dem Amtsgericht. Ein zweiter könnte bald folgen.

Angeklagt war diesmal der 44-jährige Mann. Laut Anklageschrift war Folgendes passiert: Mit seinem Honda hatte er die Frau überholt, ohne vernünftigen Grund ausgebremst, sie nach dem Aussteigen angeschrien, beleidigt und sie gegen die Schulter gestoßen. Gegenüber der Polizei habe er sie obendrein noch zu Unrecht beschuldigt - dass nämlich sie es gewesen sei, die ihn ausgebremst und als "Scheißtürken" beleidigt habe.

Im Gerichtssaal erklärte der Mann mit tunesischen Wurzeln: Er habe wegen der Frau an einer Grundstücksausfahrt plötzlich bremsen müssen; sie habe gelacht, ihm den Stinkefinger gezeigt, sei mit geballter Faust auf ihn zu gegangen. Den Stoß gegen ihre Schulter gab er zu: "Da hab' ich mich hinreißen lassen." Er sei aber keiner, der Frauen schlägt.

Die Frau, 42 Jahre, trat in der Verhandlung als Zeugin auf. Besser gesagt: Sie hätte auftreten sollen. Aber: Gegen sie läuft inzwischen ebenfalls ein Strafverfahren - der Mann hat sie wegen falscher Beschuldigung angezeigt. Daraus ergab sich für sie das Recht, die Aussage als Zeugin im Prozess gegen den Mann zu verweigern. Niemand braucht sich vor Gericht selbst "reinzureiten", also durch eine (wahrheitsgemäße) Aussage selbst zu belasten.

Was sie damals bei der Polizei gesagt habe, stimme auch, gab die Frau bloß noch zu Protokoll. Im übrigen: Alles lange her, niemand solle ihretwegen irgendwelche Probleme haben. Ende.

Und das war es: Der Mann wurde freigesprochen. Seine Schilderung im Gerichtssaal und die Schilderung der Frau damals bei der Polizei stünden sich "diametral gegenüber", ein Tatnachweis habe sich nicht erbringen lassen. Der Freispruch, so der Richter zum Angeklagten, "bedeutet nicht, dass Sie es nicht gewesen sind".

Unfall gebaut - nichts gemerkt: Rentner freigesprochen

Geschrieben von Redaktion am . Veröffentlicht in Gerichtsberichte

amtsger19NKWvon Andreas Milk

Kamen. Es ist tatsächlich möglich, einen Unfall zu bauen, ohne das überhaupt mitzukriegen. Passiert ist das offensichtlich dem 76-jährigen Manfred W. (Namen geändert) auf dem Parkplatz von Aldi an der Bergkamener Geschwister-Scholl-Straße. Bevor sich die Sache jetzt vor dem Kamener Amtsgericht in Wohlgefallen auflöste, bekam der unbescholtene Rentner - keine Vorstrafe, kein Punkt in Flensburg - erst mal eine Anklage wegen Unfallflucht.

Passiert war Folgendes. Am 7. November 2021 wollte der Selmer zusammen mit seiner Frau Hildegard (75) den Trödelmarkt am Globus-Baumarkt besuchen. Nebenan bei Aldi war ein Parkplatz frei. Beim Einbiegen in die Parkbox streifte der Mercedes von Manfred W. einen Skoda. Das Ehepaar stieg aus, ging "trödeln", kam eine Weile später zurück und brach im Mercedes zum nächsten Termin auf: gemütliches Kaffeetrinken war geplant. Typischer Sonntagnachmittag.

Erst später setzte sich die Polizei mit Manfred W. in Verbindung. Und der war einigermaßen überrascht. Seit 1965 hat er seinen Führerschein. Im Prozess wurde klar, dass alle Erfahrung am Steuer in der Situation vergangenen November auch nicht viel nutzen konnte. Denn der "Unfall" war kaum wahrnehmbar. Ein Zeuge, der damals ein paar Schritte weiter in seinem Auto saß und bei offenem Fenster eine Bratwurst aß, gab zu Protokoll, er habe fast nichts gehört - und hätte er das Radio eingeschaltet gehabt, wäre wohl wirklich gar nichts mehr zu hören gewesen. W.s Frau Hildegard beteuerte, ihr Mann würde "nie im Leben" einfach verschwinden, wenn er einen Schaden verursacht hätte. Und zum guten Schluss war da noch ein Unfallsachverständiger: Er bestätigte nach eingehenden Untersuchungen und Versuchsfahrten, weder akustisch noch durch eine Erschütterung des Mercedes konnte Manfred W. auf die Berührung mit dem Skoda aufmerksam werden.

Das Urteil: Freispruch. Das bedeutet: Freie Bahn für Trödel-Käufe und Kaffeetrinken. Im Fall eines Schuldspruchs ist bei einer Fahrerflucht in der Regel eine hohe Geldstrafe zu zahlen.

Gelogen für den Freund: Er muss weiter "sitzen" - sie kriegt Freispruch

Geschrieben von Redaktion am . Veröffentlicht in Gerichtsberichte

amtsgerichtKamen AMvon Andreas Milk

Kamen. Erst hatte Lara H. (29, Namen geändert) gelogen, um ihrem damaligen Freund Sven T. (32) den Knast zu ersparen. Vor Gericht in Kamen sagten beide jetzt wohl die Wahrheit über einen Unfall im September 2021 auf der Bergkamener Geschwister-Scholl-Straße. Das Ergebnis: Freispruch für Lara H., Geldstrafe für Sven T. - im Gefängnis ist er allerdings trotzdem längst.

Das Pärchen war am 4. September vorigen Jahres in einem Smart unterwegs. Beim Zusammenstoß mit einem Poller auf der Scholl-Straße entstand ein Schaden von ein paar hundert Euro. Die beiden stiegen aus, sammelten einige Splitter ein und verschwanden. Gefasst wurden sie etwas später. Im Prozess wurde klar: Sowohl vor als auch nach der Kollision saß Sven T. am Steuer. Er hatte allerdings keinen Führerschein und stand wegen einer früheren Verurteilung unter Bewährung. Nebenbei bestand für den Smart auch keine Haftpflichtversicherung. Um ihren Freund vor der Haft zu retten, erklärte Lara H. der Polizei, zunächst sei sie gefahren. Mit der Konsequenz, dass eben auch sie eine Anklage bekam.

Für die Loyalität seiner "Ex" revanchierte sich Sven T. vor Gericht, indem er klar stellte: Er allein sei als Fahrer verantwortlich. In seinem Vorstrafenregister stehen elf Einträge, beginnend mit dem Jahr 2005: Körperverletzung, Diebstahl, Betrug, nichts wirklich Wildes - aber dann: Misshandlung Schutzbefohlener, ein Jahr und zehn Monate Haft auf Bewährung. Weil diese Bewährungschance mittlerweile widerrufen wurde, "sitzt" Sven T. in der JVA Werl.

Für die Sache mit dem Smart verurteilte ihn die Strafrichterin in Kamen zu 130 Tagessätzen à 7 Euro. Er kann die Strafe in Raten zahlen von dem Geld, das er mit Schreinerarbeiten in Werl verdient.

Von wegen "kriminell": Vor Gericht wegen 5 Euro und 8 Cent

Geschrieben von Redaktion am . Veröffentlicht in Gerichtsberichte

amtsger19NKWvon Andreas Milk

Kamen. Längst nicht alle, die als Angeklagte im Amtsgericht Platz nehmen, sind "Kriminelle" - nicht mal alle, die verurteilt werden. Der Lagerist Thomas H. (Namen geändert) zum Beispiel ist Alkoholiker. Er fuhr auf seinem Mofa am späten Nachmittag des 20. Juli über die Werver Mark - mit 2,8 Promille. H. stürzte, die Polizei wurde auf ihn aufmerksam, und auf den Arzt, der eine Blutprobe nahm, wirkte H. wenig später eher angetrunken als sternhagelvoll. "Sie waren gut im Training", vermutete nun der Richter. Der verurteilte den 62-Jährigen - ein Mal wegen Trunkenheit vorbestraft Ende 2020 - zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen à 60 Euro; drei Monate herrscht außerdem Fahrverbot für alles, was einen Motor hat. H. geht inzwischen zu den Anonymen Alkoholikern. Seit dem 20. Juli habe er keinen Tropfen mehr getrunken, sagt er.

Und auch auf die 32-jährige Larissa P. passt das Etikett "kriminell" so gar nicht. Am 25. März wurde sie bei Netto an der Weststraße erwischt: Sie hatte etwas Essen gestohlen, unter anderem Hackfleisch. Gesamtschaden: 5 Euro und 8 Cent. Simple Erklärung: Armut. Die geschiedene Hartz-IV-Empfängerin hat zwei Kinder. Vor dem Diebstahl sei sie in besonderer Finanznot gewesen. Es galt, die Kosten einer Beerdigung zu zahlen. Inzwischen läuft ein Verfahren zur Privatinsolvenz. Das Urteil: eine Geldstrafe von 10 Tagessätzen à 10 Euro - wohl eine der niedrigsten Strafen, die am Gericht je verhängt wurden. Es kommt noch etwas dazu: Schon am 24. März - also einen Tag vor der Sache bei Netto - hatte das Gericht wegen eines früheren Diebstahls einen Strafbefehl über 300 Euro gegen Larissa P. erlassen - in ihrer Abwesenheit, weil sie den Termin ignoriert hatte. Dass sie diesmal gekommen war, wertete der Richter als positives Zeichen.