"Fürchterlich", "tödlich": Panzerkommandant a. D. muss zahlen

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von Andreas Milk

amtsgerichtKamen20KWKamen. Der 85-jährige Kamener August T. (Name geändert) ist einigen hiesigen Juristen und Juristinnen ein Begriff. Leider gilt das nicht im positiven Sinn. T. hat zwar keine Vorstrafen, ist aber wohl in letzter Zeit ausgesprochen pampig gewesen im Umgang mit Justizangehörigen. An diesem Freitag nun hätte er sich wegen Bedrohung in vier Fällen vor dem Strafrichter am Amtsgericht verantworten sollen. Eigentlich.

Die Vorgeschichte: Als Vermieter einer Wohnung hatte August T. sich mit einer Mieterin gezofft. Der Fall landete vor Gericht. Schriftstücke wurden verfasst und verschickt. Und soweit T. der Verfasser dieser Schriftstücke war, wurde es brenzlig: Unter Hinweis auf eine Vergangenheit als Panzerkommandant wies er seine Widersacher darauf hin, sie hätten "fürchterliche" und "tödliche" Konsequenzen zu fürchten, sollten sie nicht in seinem Sinne handeln. Ein Rechtsanwalt bekam zu lesen, er müsse damit rechnen, sich alsbald "eine Etage tiefer" zu befinden.

Wegen all dieser Ausfälle war gegen August T. ein Strafbefehl ergangen: 80 Tagessätze à 50 Euro. Er legte Einspruch ein. Zur Verhandlung darüber kam er nicht. Schon frühere Termine hatte er ignoriert. Diesmal teilte eine Verwandte dem Gericht mit, T. sei wegen Long Covid in Kur. Ein Beleg existiert nicht.

In weiser Voraussicht hatte der Richter für diesen einzigen Termin des Tages erst gar nicht sein legeres Freizeithemd gegen ein dienstliches Outfit getauscht: Nach einer Viertelstunde Plauderei ohne weißes Hemd und schwarze Robe mit Amtsanwältin und Protokollführerin wurde der Einspruch T.s gegen den Strafbefehl verworfen. Der angebliche Panzerkommandant a. D. muss die 4.000 Euro zahlen.

Wohlfühltermin vor Gericht: Mit 83 Verzicht auf den Führerschein

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von Andreas Milk

amtsgericht19KWKamen. Friedrich T. (Name geändert) ist 83 Jahre alt und das, was man einen unbescholtenen Bürger nennt. Nun stand er wegen Fahrerflucht vor der Strafrichterin am Amtsgericht Kamen. Am Nachmittag des 1. Juni 2022 hatte er auf der Heinrichstraße in Bergkamen mit seinem Mercedes beim Verlassen eines Grundstücks ein Auto auf der Straße gerammt. Dann fuhr er weiter.

Friedrich T. sagt: Er habe den Unfall nicht bemerkt - und er hätte schließlich auch keinen Grund gehabt zu verschwinden, wenn er ihn denn bemerkt hätte: Er sei ja gut versichert. Am Tag darauf hatte er mit dem Mercedes einen TÜV-Termin in einer Werkstatt an der Werner Straße. Dabei seien an dem Wagen keine Unfallspuren aufgefallen.
Bevor Richterin und Staatsanwalt sich nähere Gedanken zu machen brauchten, hatte Friedrich T. schon eine Lösung: "Ich fahr' nicht mehr." Den Mercedes bekomme seine Nichte, seinen Führerschein werde er abgeben, erklärte der 83-Jährige. Das war's. Die Juristen waren begeistert; das Verfahren wurde eingestellt mit der Auflage, dass T. seine Fahrerlaubnis tatsächlich binnen sechs Monaten beim Straßenverkehrsamt abgibt. Bei Bedarf, so Friedrich T., könne er sich künftig von der Nichte oder seinen erwachsenen Kindern chauffieren lassen. Ab und zu Taxifahren gehe mit seiner Rente wohl auch.

"Ein ganz toller Vorschlag" sei das mit dem Führerscheinverzicht gewesen, fand die Richterin. Und, ein bisschen gemein vielleicht: Sie werde ihrem Schwiegervater davon erzählen.

 

"Aus Versehen" Angeklagter: Betrugsvorwurf um Dialysefahrten

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amtsgericht19KWvon Andreas Milk

Kamen. Manchmal reicht eine Nachlässigkeit oder ein Versehen, um sich als Angeklagter in einem Strafprozess vor Gericht verantworten zu müssen. So war es jetzt im Fall des Bergkamener Kleinunternehmers Murat M. (Name geändert). Er soll sich eines Betrugs schuldig gemacht haben, und zwar in Zusammenhang mit der Abrechnung von Dialysefahrten für eine ältere Patientin.

An ein und demselben Tag Ende August 2021 gingen an die Knappschaft routinemäßig zwei Rechnungen seiner Firma raus, die eine über 1.858 Euro, die andere über 1.467 Euro. Beide wurden auch beglichen - obwohl die zweite, niedrigere Rechnung Fahrten enthielt, die schon in der ersten enthalten waren.

Der Prozesstermin vor der Kamener Strafrichterin war flott erledigt. Nicht nur, dass der Betrag aus der ersten, fehlerhaften Abrechnung sowieso schon längst an die Knappschaft zurückgeflossen war. Es stellte sich auch heraus: An jenem August-Tag vor knapp zwei Jahren wurde bereits eine Stornierung der ersten Rechnung versandt. Aber weil das Abrechnungssystem anscheinend eine Wissenschaft für sich ist, wurden die 1.858 Euro trotzdem angewiesen.

Ende der Geschichte: Das Verfahren gegen Murat M. wurde wegen Geringfügigkeit eingestellt - ohne irgendwelche Auflagen. Strafe für den voreiligen Rechnungsversand bleibt damit das lästige Verfahren als solches. Dazu kommen Kosten für seinen Anwalt.

Geldstrafe für Vergewaltigungsvorwurf

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von Andreas Milk

amtsgerichtKamen AMKamen. In seiner Urteilsbegründung kam der Strafrichter auf den Begriff "toxische Beziehung" zu sprechen: Mit so etwas habe man es wohl gerade zu tun gehabt. Angeklagt war die Bergkamenerin Nicole F. (Name geändert). Am Vormittag des 11. Februar 2022 war sie zur Polizeiwache am Kamener Bahnhof gegangen und hatte ihren damaligen Freund angezeigt: Geschlagen und vergewaltigt habe er sie. Das Verfahren gegen den Beschuldigten stellte die Staatsanwaltschaft im Dezember ein. Stattdessen ermittelte sie nun gegen Nicole F. wegen falscher Verdächtigung.

Die junge Frau ließ vor Gericht ihren Verteidiger für sich reden. Der entwarf das Bild einer "komplexen, schwierigen Persönlichkeit". Es gebe den Verdacht einer Borderline-Störung. Die Beziehung mit dem vermeintlichen Sexualstraftäter war nach den Worten des Anwalts von Gewalt geprägt. Es habe einvernehmliche sexuelle Kontakte zwischen den beiden gegeben - auch noch nach der angeblichen Vergewaltigung - sowie nicht-einvernehmliche. Die Frage sei, ob Nicole F. dem "Partner" überhaupt immer deutlich machen konnte, was sie wollte - und was nicht.

Trotz all dieser Punkte und trotz des leeren Vorstrafenregisters der 35-jährigen Bergkamenerin: Der Vertreter der Staatsanwaltschaft machte klar, dass eine Verfahrenseinstellung mit ihm nicht zu machen sei. Dafür wiege der Vergewaltigungsvorwurf schlicht zu schwer: "Sowas kann existenzvernichtend sein."
Am Ende stand eine Geldstrafe: 80 Tagessätze à 10 Euro soll die Sozialhilfebezieherin zahlen. Sie stimmte zu; das Urteil wurde sofort rechtskräftig. Mittlerweile ist Nicole F. laut ihrem Anwalt mit einem netten Mann liiert. Gemeinsam besuchten sie eine Selbsthilfegruppe - es gebe in ihrem Leben wieder eine positive Perspektive.

"Schwärzester Tag in meinem Leben": Pensionärin mit 2,1 Promille

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von Andreas Milk

Kamen. "Das war der schwärzeste Tag in meinem Leben" - nicht der einzige eindringliche Satz, den der Strafrichter aus dem Mund von Barbara K. (Name geändert) zu hören bekam. Sie war angeklagt wegen einer Autofahrt mit 2,1 Promille Alkohol im Blut. Ein Nachbar rief die Polizei, nachdem K. am frühen Abend des 27. Januar beim Nachhausekommen die Garage neben einem Westicker Mietshaus knapp verfehlt hatte.

Barbara K. ist seit ein paar Jahren Pensionärin. Das Kamener Rathaus war die letzte berufliche Station der Diplom-Verwaltungswirtin. Ihr ganzer Stolz, das betonte sie im Prozess mehrfach, sind ihre längst erwachsenen Töchter, unabhängig und in angesehenen Berufen. Sie selbst war bei der Stadt in einer wichtigen Kontrollfunktion. Ihr eigenes Leben muss außer Kontrolle geraten sein. Auslöser sei ihr zweiter Mann gewesen, ein Dokumentenfälscher und Betrüger, der Schulden hinterlassen habe und seiner Familie Unterhalt schuldig geblieben sei. Barbara K. erzählte unter Tränen von jahrzehntelangem psychischen und finanziellen Druck. Schließlich "half" Alkohol: Sie habe getrunken, "um zu sedieren und zu funktionieren".

Die Ereignisse des 27. Januar gaben den Anstoß für eine radikale Umkehr: Noch am selben Abend wurde Barbara K. in der Dortmunder LWL-Klinik für einen Entzug vorstellig. Sie blieb bis Mitte Februar; eine ambulante Therapie schloss sich an. Jetzt, sagt sie, wolle sie auch anderen Betroffenen beistehen und sie auf dem Weg aus der Sucht begleiten.

Ihre Strafe für die Trunkenheit am Steuer: 40 Tagessätze à 50 Euro. Und: Frühestens in sieben Monaten - rund ein Jahr nach der Tat also - kann sie wieder einen Führerschein bekommen.

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