Tatmotiv Hunger: Anklage wegen Roastbeef und Salami

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amtsger19NKWvon Andreas Milk

Kamen. "Der Hunger hat getrieben": Der aus Russland stammende Juri A. (Name geändert) erklärte in etwas ungelenkem Deutsch, was ihn zu seiner Tat am 18. September in dem Netto-Markt im Kamen Quadrat brachte. Wegen Diebstahls war er angeklagt worden. Es ging um eine Packung Roastbeef und eine Packung Hütten-Salami. Gesamtwert: 7,55 Euro.

Kurz vor der Tat war A. aus der Haft entlassen worden. Er war obdachlos, sagt er. Vor allem wegen Verkehrsdelikten stand er in der Vergangenheit vor dem Richter. Es gab auch mal eine Drogengeschichte, Gewaltdelikte dagegen nie. "Gar kein schlechter Kerl" sei Juri A., fand der Kamener Amtsrichter. Er mache bloß "ab und zu mal Blödsinn".

Wegen des Lebensmittelklaus bei Netto bekam A. nun eine Geldstrafe: 50 Tagessätze à 10 Euro muss der Hartz-IV-Empfänger zahlen. Er hat inzwischen eine Bleibe gefunden und auch einen Job in Aussicht. Letzter Satz des Richters: "Sehen Sie zu, dass wir uns nicht wiedersehen."

Richter "verarscht": Hohe Strafe für Betrug am Jobcenter

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Kamen. Sabrina H. (Name geändert) muss zahlen: 4.500 Euro Geldstrafe - davon allein rund ein Tausender dafür, dass sie versucht habe, ihn zu "verarschen", erklärte der Vorsitzende im Amtsgericht. Die Kamenerin war wegen Betrugs angeklagt worden. Im Frühjahr und Sommer 2019 hatte sie vom Jobcenter Kreis Unna 5.099 Euro bezogen, obwohl sie in der Zeit einen sozialversicherungspflichtigen Job hatte. Das Jobcenter wusste davon nichts. H. verdient netto 1.300 Euro monatlich.

Vor Gericht sagte Sabrina H., sie habe wenige Tage nach Aufnahme der Arbeit den Vertrag beim Jobcenter abgegeben. Er müsse da wohl verloren gegangen sein. Was sie denn getan habe, als das Jobcenter trotzdem monatelang weiter Geld schickte, wollte der Richter wissen - habe sie das Geld vielleicht zurückgelegt, in der Ahnung, dass es eines Tages zurückgefordert werden könnte? Nein, sagte H. - sie habe in der Zeit so viele andere Probleme gehabt.

Die Sachbearbeiterin vom Jobcenter berichtete dem Gericht von mehreren Gesprächseinladungen, die seinerzeit an Sabrina H. rausgegangen seien, die sie aber alle ignoriert habe. H.: "Davon weiß ich nichts." Erst ein turnusmäßiger Datenabgleich machte den Zahlungen an H. im September ein Ende: Die Sache mit dem neuen Job flog auf.

2015 hatte das Jobcenter mit Sabrina H. schon ähnliche Erfahrungen gemacht - nur, dass die nicht gleich in ein Strafverfahren mündeten. Die 4.500 Euro Geldstrafe, die der Richter jetzt verhängte, setzen sich zusammen aus 150 Tagessätzen à 30 Euro. Die 30 Euro entsprechen H.s aktuellem Einkommen - und die 150 Tagessätze der Höhe ihrer Schuld. Ein Geständnis oder wenigstens der Verzicht aufs Lügen hätte eine niedrigere Strafe ergeben, so der Richter. Auch die 5.099 Euro vom Jobcenter sind noch offen.

Lästig bei "Laut & Lästig": Geldstrafe für Grapscherei

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Kamen. Beim Open-air-Festival von "Laut & Lästig" vergangenen August an der Gesamtschule soll der 54-jährige Markus D. (Name geändert) zwei Menschen sexuell belästigt haben. In der Verhandlung vor dem Kamener Amtsgericht sagte er erst, dass er "zu Unrecht beschuldigt worden" sei. 20 Minuten später gab er zu Protokoll, dass er den Anklagevorwurf nicht mehr bestreite.

An dem Abend war D. mit dem Fahrrad unterwegs. Das war keine Selbstverständlichkeit: Er hat Multiple Sklerose. Die Krankheit verläuft in Schüben; D. nimmt starke Medikamente. Als er aufs Festival kam, war er - das sagt er selbst - "sehr betrunken". Laut der Anzeige, die später die Polizei aufnahm, passierte Folgendes: D. fasste erst einer Frau an den Hintern, fragte sie: "Wie wär's mit uns?" - kurz danach machte er das Gleiche bei einem jungen Mann, dem er außerdem anbot, ihn nach Hause zu begleiten.

D.s Erinnerung ist bruchstückhaft. Das Tanzen habe nicht geklappt, irgendwann habe er zu seinem Fahrrad gewollt, ein paar Festivalbesucher sowie Security-Leute hätten ihm versichert, alles sei gut, eine Frau habe ihm eine "8" ins Rad getreten, die Polizei sei gekommen. "Fetzen im Kopf", sagte seine Anwältin. Markus D. beteuerte, noch nie sei er jemandem ohne Einwilligung zu nahe gekommen.

Der Richter empfahl, über ein Geständnis nachzudenken. Denn: Es gab fünf Zeugen - die beiden mutmaßlich Begrapschten plus drei weitere -, deren Aussagen laut Akten in dieselbe Richtung gingen. Diese fünf Zeugen waren jetzt auch zum Gerichtstermin gekommen.

Sie zu vernehmen, war dann nicht mehr nötig. Nach einigen Minuten mit seiner Verteidigerin auf dem Gerichtsflur erklärte D., ja, es könne wohl so gewesen sein, wie es da in der Anklage stehe. Falls es so war, tue es ihm leid. Wegen Beleidigung und Widerstandes, jeweils bei verminderter Schuldfähigkeit, ist D. vorbestraft. Das Urteil für die Grapscherei bei "Laut & Lästig" lautete nun: Geldstrafe - 50 Tagessätze à 30 Euro. "Man muss heute ganz schön vorsichtig sein", erklärte D. zum Schluss. Worauf der Richter antwortete: Das sei ja vielleicht ganz gut so.

Knall auf der "Westicker": Nach Bagatellschaden kommt teures Gutachten

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Kamen. Der Bagatellschaden bei einem Unfall auf der Westicker Straße löst ein Gutachten aus, das deutlich teurer wird als die Beseitigung des Schadens - und am Ende wohl zu Lasten der Staatskasse geht. Das ist das Ergebnis eines Termins heute vor dem Amtsgericht. Eine 34-Jährige aus Methler soll Fahrerflucht begangen haben.

Auf der "Westicker" in Kamen-Mitte, etwa in Höhe des Dönerladens, hatte sie am Nachmittag des 22. Februar 2019 ein geparktes Auto überholt. Dabei stieß ihr linker Außenspiegel mit dem Spiegel eines entgegenkommenden Wagens zusammen. Die Methleranerin fuhr weiter. Frage: Hätte sie den Zusammenprall der Spiegel bemerken müssen - ja oder nein?

Sie sagt, sie habe nichts mitbekommen. Dass etwas passiert sei, habe sie erst erfahren, nachdem ihr Unfallgegner gewendet, die Verfolgung aufgenommen und sie zum Stoppen gebracht hatte. Er sei gleich "pampig" geworden. Ähnlich negativ äußerte sich der Mann selbst als Zeuge vor Gericht über die Frau aus Methler. Sie habe ihm gesagt, sie sei nicht Halterin des Wagens, an ihren Namen komme er sowieso nicht ran - und ihn schließlich stehen lassen. Beim Zusammenstoß der Spiegel habe es mächtig geknallt: "Ich hab' gedacht, die Tür ist weg."

Ausgesagt hat vor Gericht auch eine Tochter der Frau: Sie saß seinerzeit mit im Auto. Hatte sie den Unfall bemerkt? "Ehrlich gesagt, nicht", so die 17-Jährige.

Auf eine Verfahrenseinstellung ohne Wenn und Aber wollte sich der Staatsanwalt nicht einlassen. Auf eine Verfahrenseinstellung mit Wenn - nämlich der Zahlung von 50 Euro als Wiedergutmachung für den Spiegel ihres Unfallgegners - wollte sich die Frau nicht einlassen: Sie habe dieses Geld nicht übrig; außerdem sei ihr eigener Spiegel auch beschädigt worden.

Das Gericht wird nun also das Gutachten in Auftrag geben. Einige hundert Euro dürfte das kosten. Wird die Frau am Ende freigesprochen, zahlt der Staat. Wird sie verurteilt, zahlt sie - theoretisch. Praktisch wird aber wohl "nichts zu holen" sein bei der Mutter, die derzeit ohne Job ist.

Bei MäX im Karree: Fassade demoliert - und weitergefahren

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Kamen. Ein Lastwagen brachte am 26. März 2019 nicht nur neue Ware ins Kamen Karree - er bescherte dem Fachmarkt MäX auch einen Schaden an der Fassade: Mehr als 7.000 Euro kostete die Reparatur, berichtete Geschäftsführer Karsten Kemmer dem Kamener Strafrichter. Kemmer war als Zeuge geladen. Auf der Anklagebank saß der Fahrer des Lasters: Der 39-Jährige soll sich der Unfallflucht schuldig gemacht haben.

Eine Versicherung kam für den Schaden an der MäX-Fassade auf. Dass der LKW-Fahrer diesen Schaden ausgelöst hatte, war vor Gericht nicht die Frage - sondern: Ob er an Ort und Stelle etwas von der Beschädigung mitbekam. Der Mann sagt: Nein. Ein Gutachter der Dekra sagt: Der Vorgang sei für den Fahrer beim Rangieren des Lasters "bemerkbar" gewesen - heißt: Es gab eine spürbare Erschütterung.

Der Verteidiger des Fahrers argumentierte, diese Erschütterung könnte von seinem Mandanten wohl wahrgenommen, aber falsch eingeschätzt worden sein - etwa als Folge beim Überfahren eines Bordsteins.

Für den Lastwagenfahrer ging es um viel in diesem Prozess. Der Mann - keine Vorstrafen, ein Punkt in Flensburg wegen eines Tempoverstoßes "72 statt 50" - droht seinen Job zu verlieren, wenn er seinen Führerschein nicht zurück bekommt. Und genau danach sieht es jetzt aus: Neben einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen à 20 Euro verhängte der Richter eine achtmonatige Sperre bis zur Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis. "Ich bin überzeugt, dass Sie versucht haben, mich übers Ohr zu hauen", so der Richter. Es spreche alles dafür, dass der Mann den Unfall bemerkt und darum Gas gegeben habe.