Richter hinter Plexiglas: Alles ein bisschen anders...

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amtsgericht19KWvon Andreas Milk

Kamen. Richter und Protokollführerin haben jeweils eine Plexiglasscheibe vor sich, die Stuhlreihen im Zuschauerraum sind gelichtet, und an der Tür hängt ein Zettel mit dem Aufdruck: "Haben Sie sich schon die Hände gewaschen?" - Es ist eben gerade alles etwas anders als sonst, auch bei den Strafprozessen im Kamener Amtsgericht. Seit heute wird wieder verhandelt, unter Wahrung nicht nur der Prozessordnung, sondern eben auch der Abstandsregeln.

Unter anderem angeklagt war an diesem Dienstag ein 53-Jähriger aus Hamm. Grund: ein folgenreicher Unfall am Abend des 5. November in Methler, Lortzingstraße/Robert-Koch-Straße. Der Mann hatte ein Stop-Schild überfahren, es kam zum Zusammenstoß mit dem Wagen einer Lünerin. Sie war auf dem Weg von der Arbeit nach Hause. "Wie aus dem Nichts" sei der Unfall geschehen, und viel mehr könne sie auch gar nicht dazu sagen, erklärte sie dem Richter. Ihr Auto - zitronengelb, ordnungsgemäß beleuchtet - war schwer zu übersehen. Eigentlich. Aber der Bereich war seinerzeit eine Baustelle. "Ich hab' nichts gesehen", beteuerte der Mann aus Hamm. Bei der Frau entschuldigte er sich; nach dem Unfall hatte er sich um sie gekümmert.

Er hat drei Eintragungen in Flensburg wegen Rotlicht- und Tempoverstößen, das ist alles. Die Frau aus Lünen erlitt bei dem Unfall neben kleineren Verletzungen einen angebrochenen Halswirbel, musste sechs Wochen rund um die Uhr eine Halskrause tragen, lag eine Woche im Krankenhaus und machte danach eine ambulante Reha. Eine OP blieb ihr erspart. Es tut immer noch weh, und arbeiten kann sie erst seit vier Wochen wieder.

Es sei ein Unfall gewesen, wie er wohl jedem Autofahrer hätte passieren können, so der Richter: "Davon kann sich keiner freimachen." Das Urteil: eine Geldstrafe von 50 Tagessätzen à 10 Euro wegen fahrlässiger Körperverletzung, dem Einkommen des Hammers angemessen. Er nahm den Richterspruch an.

Dem "Ex" 3.000 Euro geklaut: Sechs Monate Haft

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Kamen. Am Nachmittag des 14. März 2019 ging Lukas M. (Namen geändert) in die Wohnung seines früheren Lebensgefährten Markus P. an der Mittelstraße - ohne dessen Wissen. Er nahm 3.150 Euro aus einer Pappschachtel und verschwand. Der Kamener Strafrichter verurteilte ihn dafür jetzt zu sechs Monaten Haft. Die Härte des Strafmaßes hängt mit Lukas M.s Vorgeschichte zusammen.

Am Tag des Diebstahls wusste er nicht recht, wohin. Seine eigene Wohnung hatte er gekündigt. Von der Wohnung seines Ex-Freundes an der Mittelstraße hatte er noch einen Schlüssel. Per SMS schlug er Markus P. ein Treffen vor. P. setzte sich in Bewegung - M. ging in seine Wohnung.

Lukas M., 30 Jahre alt, hat seit seiner Jugendzeit allerhand Vorstrafen gesammelt. Er saß auch schon im Gefängnis. Im vergangenen Herbst begab er sich in psychiatrische Behandlung. Die Bestellung eines gesetzlichen Betreuers ist beantragt. Außerdem macht er eine Ausbildung. "Er hat zum ersten Mal eine Chance", sagte seine Bewährungshelferin. Sie schilderte ihn als motiviert und kooperativ.

Und trotzdem nun: Haft ohne Bewährung. Ausführlich erläuterte der Richter das "Warum". M. habe schon eine Reihe von Bewährungschancen bekommen - und sie vertan. Die jüngste Bewährungsfrist aus einer Verurteilung war bei der Klauaktion in der Wohnung seines "Ex" noch nicht abgelaufen. Laut Gesetz dürfe es eine Strafaussetzung zur Bewährung nur geben, wenn die Wahrscheinlichkeit eines künftig straffreien Lebens höher anzusetzen sei als die Wahrscheinlichkeit, dass es wieder schief geht. Nicht mal "Fifty-Fifty" reiche aus. Der Richter bezweifelte, dass es bei Lukas M. seit vergangenem März eine "innere Umkehr" gegeben habe. Anhaltspunkt dafür sei, dass er sich zwar bei Markus P. entschuldigt, ihm aber noch keinen einzigen Euro zurückgezahlt habe. M. hatte im Prozess erklärt, das Geld sei weg - teils für Miete aufgewendet, teils "auf den Kopf gehauen".

Penisse an Wände gepinselt: Geldstrafe

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Kamen. Als Natascha K. (Namen geändert) an einem Tag im September aus dem Waschkeller zurück in ihre Wohnung ging, war Besuch da gewesen. Ihre Couch war zerschnitten. Wände waren mit Farbe beschmiert: Der Besucher hatte übergroße Penisse und das Wort "Schlampe" hinterlassen. Dieser Besucher war Matthias M., ehemals ein Freund - aber nicht: "der" Freund - von Natascha K., 30 Jahre älter als sie. Vor dem Kamener Amtsgericht wurde er jetzt zu einer Geldstrafe von 2.400 Euro wegen Sachbeschädigung verurteilt.

Dass Matthias M. und nicht etwa ein unbekannter Dritter der Täter war, sah das Gericht als erwiesen an. M. besaß seinerzeit einen Schlüssel zu Natascha K.s Wohnung. Als beide sich noch gut verstanden, hatte er für sie renoviert. Unmittelbar nach der Attacke auf Couch und Wände bekam der Bruder von Natascha K. eine SMS von Matthias M.: Darin hieß es, er - M. - habe die Wohnung "wieder schön gemacht".

Die Täterschaft war also klar, obwohl es keine Zeugen gab und M. vor Gericht schwieg. Und das Motiv? Es sei wohl Eifersicht gewesen, sagt Natascha K. Im Gegensatz zu ihm habe sie nie mehr gewollt als bloße Freundschaft. Und als sie dann mit einem anderen Mann eine Beziehung einging, habe Matthias M. das nicht akzeptiert. Nach der Beschädigung ihrer Wohnung habe er sie noch eine Weile gestalkt und bedroht sowie 20.000 Euro von ihr verlangt.

Vor einigen Jahren wurde die Mitgliedschaft M.s im Rockerclub "Bandidos" aktenkundig. Ob er immer noch dort aktiv sei, wollte M. vor Gericht nicht sagen. Seit einer Weile hat Natascha K. Ruhe. Nur die Riesenpenisse an der Wand - die schimmern noch durch. Es sei ihr nicht gelungen, sie vollständig zu übermalen.

Bierkrug vors Kinn: Nach "Filmriss" Schmerzensgeld

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Kamen. Fest steht: In der Nacht zum 3. November bekam die 25-jährige Janine P. (Namen geändert) vor dem Unikum an der Bahnhofstraße einen gläsernen Bierkrug ins Gesicht. Aber unter welchen Umständen das geschah, bleibt die Frage. Vor dem Kamener Amtsgericht wurde das Verfahren gegen Philipp B. (31) eingestellt. Angeklagt worden war er wegen gefährlicher Körperverletzung.

Philipp B. sagt, er könne sich nicht erinnern: Klassischer Filmriss nach reichlich Alkohol. Er sei seinerzeit schon gut zwölf Stunden unterwegs gewesen: Erst Fußball gucken und feiern in Dortmund, dann ab nach Kamen, weiter feiern im Unikum. Zehn große Bier habe er sich schon tagsüber gegönnt, dazu Whisky-Cola, Jägermeister und andere Getränke - und das, obwohl er eigentlich nicht viel vertrage: "Ich bin kein Trinker." Janine P. war auch nicht mehr nüchtern. Sie weiß noch, dass Philipp B. Sprüche klopfte und sie ihn deshalb zurechtweisen wollte. Zwischendurch habe er mal kurz am Boden gelegen, sei wieder hoch gekommen und zack!, war da plötzlich der Bierkrug.

Der könnte nach Aussage eines weiteren Zeugen sehr wohl ohne Absicht am Kinn der jungen Frau gelandet sein - einfach, weil Philipp B. nach dem Aufrappeln vom Boden vielleicht ein bisschen zu viel Schwung hatte und mit den Armen fuchtelte. Ein gezielter Gewaltakt schien auch nicht recht zu ihm zu passen: Nicht nur, dass er keine Vorstrafen hat - er war den übrigen Unikum-Gästen auch durchaus als entspannter Gast in Erinnerung.

Anständig auch, dass er an Janine P. aus freien Stücken ein Schmerzensgeld von 1.500 Euro gezahlt hat. Sie war in der Nacht im Kamener Krankenhaus ambulant versorgt worden. An der Unterseite ihres Kinns bleibt eine Narbe. Auffällig ist die nicht. Strafrechtlich ist der Vorfall mit der Einstellung des Verfahrens abgehakt.

"Sie verkackeiern uns": Geldstrafe für Rollerfahrer

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amtsger19NKWvon Andreas Milk

Kamen. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft hatte deutliche Worte für den Angeklagten: "Ich gehe davon aus, dass Sie uns hier verkackeiern." Vor dem Kamener Amtsgericht ging es um Fahren ohne Führerschein. Markus B. (35, Name geändert) war am Morgen des 6. Dezember auf der Heerener Straße mit einem Roller unterwegs gewesen und wurde in Höhe des Bürgerhauses von einer Zivilstreife gestoppt. Es kam heraus: Der Roller schaffte rund 50 Kilometer pro Stunde - führerscheinfrei sind 25.

Was nun das Verkackeiern angeht: Dem Gericht legte B. den Beleg einer Werkstatt vor. Die habe einen falschen Auspuff an dem Roller angebracht. Folge sei gewesen, dass er zu schnell wurde. Allerdings ging das aus dem Beleg nicht klar hervor.

Die Polizeistreife stellte seinerzeit per Blick auf den eigenen Tacho fest, dass B. mit wenigstens 40 "Sachen" am Bürgerhaus entlang fuhr. Es ist schwer vorstellbar, dass er geglaubt haben könnte, doch bloß 25 zu fahren. Obendrein ergab ein Abgleich mit Daten des Kraftfahrtbundesamtes, dass B.s Roller für das Fahren mit Tempo 50 registriert war.

Markus B. hat mehrere Vorstrafen wegen Fahrens ohne Fahrerlaunbis - darunter eine Freiheitsstrafe auf Bewährung. Diese Vorbelastungen liegen aber rund neun Jahre zurück. Drum ließ es der Richter diesmal mit einer Geldstrafe gut sein: 90 Tagessätze à 20 Euro muss B. zahlen. Verzichtet wurde auf eine Führerscheinsperre: B. soll die Möglichkeit nicht verbaut werden, irgendwann legal zu fahren.