-Anzeige-

GSW

Tödlicher Unfall vorm Lidl: Schlimme Folgen - geringe Schuld

Geschrieben von Redaktion am . Veröffentlicht in Gerichtsberichte

amtsgericht19KWvon Andreas Milk

Kamen. Am 14. Februar dieses Jahres, kurz nach 19 Uhr, hatte die Oberadenerin Luise H. (Namen geändert), 86 Jahre, nur noch eben eine Kleinigkeit aus dem Lidl an der Jahnstraße geholt. Auf dem Weg nach Hause überquerte sie die Fahrbahn und wurde mit ihrem Rollator vom Auto des 46-jährigen Thomas P. erfasst. Vier Tage später starb sie im Krankenhaus. Thomas P. stand jetzt wegen fahrlässiger Tötung vor dem Kamener Amtsrichter.

Und der stellte fest: Es war ein Unfall, wie wohl jeder Autofahrer ihn hätte "bauen" können. Thomas P. war ein bisschen zu schnell unterwegs - wohl etwa mit 35 statt der erlaubten 30 Kilometer pro Stunde -, es war dunkel, Luise H. war dunkel gekleidet, ihr Rollator ohne Reflektoren. Thomas P. hätte laut einem Gutachter gut eine Sekunde Zeit gehabt, die Kollision noch zu verhindern. Das heißt: Ein voll konzentrierter und reaktionsbereiter Autofahrer hätte vor Luise H. stoppen können. Thomas P. ist ein klassischer "unbescholtener Bürger", keine Vorstrafe, keine Eintragungen in Flensburg. "Ich bin sehr traurig über diesen Vorgang." Als Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr war es es gewohnt, anderen Menschen zu helfen. Nach dem Unfall tat er auch für Luise H., was er konnte.

Ihre Verletzungen waren so, dass ein jüngerer, gesünderer Mensch sie vermutlich überlebt hätte. Unter anderem gab es Rippenfrakturen. Im Obduktionsbericht ist von plötzlichem Herztod die Rede. Luise H. hatte Vorerkrankungen. Der Unfall soll ihren Tod mit verursacht haben - aber das war es eben nicht allein.

Schreckliche Folgen - geringes Verschulden: Das Verfahren gegen Thomas P. wird gegen Auflagen eingestellt. P. muss den beiden Töchtern von Luise H. je 2.500 Euro Hinterbliebenengeld zahlen, außerdem 3.000 Euro als Bußgeld an die Stiftung Evangelische Jugendhilfe Menden. Sobald er das getan hat, ist der Fall abgehakt - juristisch.

Werning-Prozess: Bewährungsstrafe scheint möglich

Geschrieben von Redaktion am . Veröffentlicht in Gerichtsberichte

landgericht19AM

von Andreas Milk

Kamen. Eine Bewährungsstrafe ist möglich für Kamens frühere Vize-Bürgermeisterin Bettina Werning - vorausgesetzt, sie liefert ein "umfassendes und von Einsicht getragenes Geständnis". Das erklärte heute der Vorsitzende der Wirtschaftsstrafkammer am Landgericht Dortmund. Vorausgegangen war ein nichtöffentliches Gespräch zwischen Staatsanwältin und Berufsrichtern sowie Wernings Verteidiger. Der wiederum verlas danach öffentlich für seine Mandantin eine Erklärung, in der es heißt: "Ich schäme mich zutiefst." Was in der Anklage stehe, räume sie "vollumfänglich" ein.

Die inzwischen 58-jährige Bettina Werning soll als Buchhalterin eines Elektrofachmarktes in Kamen und Menden von 2012 bis 2017 mehr als 460.000 Euro unrechtmäßig aufs eigene Konto gelenkt haben. So weit der strafrechtlich bedeutsame Teil - frühere Betrugstaten sind verjährt. Ein Prozess vor dem Arbeitsgericht endete mit einem Vergleich: Werning erkannte darin an, 710.000 Euro zurückzahlen zu müssen.

Die gelernte Steuerfachgehilfin war - verheiratet, Mutter einer kleinen Tochter - 1994 zu dem Elektrohandel gekommen. Dort hatte sie eine Halbtagsstelle. Laut der vom Anwalt verlesenen Erklärung war wohl eine Art Aha-Erlebnis Auslöser für das strafbare Handeln. Werning sollte einem Mitarbeiter 1.500 Euro Weihnachtsgeld überweisen - schickte aber aus Versehen 15.000 Euro. Niemandem sei das aufgefallen - mit Ausnahme des Mitarbeiters, der sich prompt meldete. Werning war inzwischen von ihrem Mann getrennt, hatte Sorgen um ihr Auskommen, weil - wie sie sagt - der "Ex" Geld schuldig blieb. Weil sie das Vertrauen der Geschäftsführer hatte, gingen in den Folgejahren falsche Gehaltszahlungen unbeanstandet durch. Überweisungsdateien wurden von den Chefs freigegeben, Detailaufstellungen nicht geprüft, ließ Werning ihren Anwalt schildern. Erfundene Wareneingänge zum Ausgleich von Kontobelastungen seien problemlos abgehakt worden. Auch Steuerberater und Betriebsprüfer des Finanzamtes hätten nichts bemerkt.

Wernings Erklärung widerspricht Spekulationen, das Geld sei irgendwo gehortet worden. Vielmehr habe sie es "zeitnah im Rahmen des täglichen Konsums verbraucht", Urlaubsreisen und Geschenke davon bezahlt. Außer dem Elektrohandel habe niemand finanziellen Schaden erlitten, erklärt die Frau, die bei den Grünen engagiert war und in der evangelischen Gemeinde das Amt der Finanzkirchmeisterin ausübte.

Heute sei sie dankbar, dass sie neue Arbeitgeber habe, die ihr - trotz allem - eine Chance gäben. "Ich weiß, dass mich eine gerechte Strafe erwartet." Sie hoffe, nicht in Haft zu müssen, und sei bereit zu gemeinnütziger Arbeit.

Im Dezember wird der Prozess am Landgericht fortgesetzt.

Klarstellung vom Ex-Mann: "Nichts schuldig geblieben"
Kamen. Zum Prozess gegen Kamens frühere Vize-Bürgermeisterin Bettina Werning wegen Betrugs hat sich an diesem Montag, 2. Dezember, ihr geschiedener Mann Eckhard Werning bei uns gemeldet. Er legt Wert darauf festzustellen, dass er seiner Exfrau nichts schuldig geblieben sei. Bettina Werning hatte ihren Anwalt vor dem Landgericht Dortmund erklären lassen, aus finanzieller Not und Sorge um ihr Auskommen gehandelt zu haben. Ihr früherer Ehemann sagt: "Ich bin ihr nicht einen Cent schuldig geblieben." Vor dem Amtsgericht Kamen sei sie mehrfach mit Klagen gegen ihn gescheitert. Das lasse sich jederzeit überprüfen.

Archiv: Werning-Prozess: 40 Minuten für die Anklage

Von Sperrfrist zu Sperrfrist - und mit dem Jaguar in einen Volvo

Geschrieben von Redaktion am . Veröffentlicht in Gerichtsberichte

amtsger19NKWvon Andreas Milk

Kamen. Der Jaguar gehörte ihm noch nicht so richtig - aber der 51-jährige Bergkamener Jürgen K. (Name geändert) baute mit dem schicken Wagen schon mal einen Unfall. Dabei hatte er rund 0,9 Promille Alkohol im Blut. Vor dem Amtsgericht in Kamen warf ihm die Staatsanwaltschaft jetzt fahrlässige Gefährdung des Straßenverkehrs vor.

Der Unfall passierte am Nachmittag des 5. Juli in Bergkamen auf der Kampstraße, am Kreisel Schulstraße. K. war mit dem Jaguar unterwegs auf Probefahrt: Er wollte den Wagen kaufen, vorher aber noch damit zum TÜV. Dazu kam es nicht mehr. Am Kreisel krachte Jürgen K. in einen vor ihm wartenden Volvo. Schadenshöhe: knapp 3.000 Euro.

"Ich hab' einen Fehler gemacht", gab K. im Prozess zu. Drei Krombacher habe er vor der Tour auf nüchternen Magen getrunken und sich noch fahrtüchtig gefühlt.

Der Schaden an dem Volvo ist nach Angaben seines Besitzers bis heute nicht reguliert. Dazu hätte der damalige Jaguar-Halter den Unfall an seine Versicherung melden müssen - tat das aber wohl nicht. Mittlerweile gehört der Jaguar tatsächlich Jürgen K. - bloß hat der seit dem Unfall keinen Führerschein mehr. Er will seine Neuerwerbung nun weiter verkaufen.

Auch die nächsten zwölf Monate wird er ohne Führerschein auskommen müssen. Neben dieser Sperrfrist verhängte der Richter eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen à 25 Euro. K.s Geständnis wertete der Richter positiv. Negativ dagegen: eine Vorstrafe wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr. Erst vor gut einem Jahr - im Oktober 2018 - hatte Jürgen K. nach Ablauf der Sperrfrist seinen vorerst letzten Führerschein ausgehändigt bekommen.

"Scheißbulle": eine Beleidigung - "Scheißbullen": keine Beleidigung?

Geschrieben von Redaktion am . Veröffentlicht in Gerichtsberichte

amtsgericht19KWvon Andreas Milk

Kamen. "Scheißbulle" - eine Beleidigung, "Scheißbullen" - keine Beleidigung? Diese Frage wird Amtsrichter Martin Klopsch bald zu beantworten haben. Jedenfalls dann, wenn der Anwalt des angeklagten Kameners Markus T. (Name geändert) bei seiner Rechtsauffassung bleibt.

Die Vorgeschichte: Am späten Nachmittag des 30. Mai rief T. die Polizei an. Es soll um einen tatsächlichen oder versuchten Fahrraddiebstahl gegangen sein. Der Beamte am Telefon erklärte T., für sein Anliegen könne keine Streife zu ihm rausfahren - er möge doch gelegentlich auf der Wache vorsprechen. Und nun wird es spannend. Laut Aussage des Beamten nannte T. - der sich wohl abgewimmelt fühlte - ihn am Telefon einen "Scheißbullen": klarer Fall von Beleidigung. T. dagegen sagt, er habe im Plural gesprochen, also in etwa: "Ihr Scheißbullen!" Sein Verteidiger leitet daraus ab, von einer gezielten Beleidigung des Beamten am Telefon könne keine Rede sein. Sein Mandant habe vielmehr allgemein seine Unzufriedenheit mit der Polizei zum Ausdruck gebracht.

Die Staatsanwaltschaft Dortmund hatte aufgrund der Anzeige des Polizisten einen Strafbefehl gegen Markus T. erwirkt: Er sollte eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen à 30 Euro für den / die "Scheißbullen" zahlen. Dass es jetzt zum Gerichtstermin kam, war Folge seines Einspruchs gegen diesen Strafbefehl. Sowohl Richter Klopsch als auch die Vertreterin der Staatsanwaltschaft hatten erwogen, das Verfahren gegen Zahlung einer Geldbuße einzustellen. Diese Buße wäre niedriger ausgefallen als die Geldstrafe. Immerhin: Markus T. hat keine Vorstrafen, die Beschimpfung mag ihm halt rausgerutscht sein. Das Entgegenkommen von Richter und Staatsanwältin schwand allerdings, als T. und sein Anwalt im Gerichtssaal mitteilten, man werde sich nicht zur Sache äußern.

Konsequenz: ein neuer Termin. Dann soll der Polizeibeamte als Zeuge kommen. Einen Mitschnitt des Anrufs von Markus T. vom 30. Mai gibt es nicht: Die Audiodatei ist längst gelöscht.

Verlorener Führerschein plötzlich wieder da - und die Polizei auch

Geschrieben von Redaktion am . Veröffentlicht in Gerichtsberichte

amtsger19NKWvon Andreas Milk

Kamen. Kemal M. (Name geändert) und der Führerschein - das ist eine komplizierte Geschichte. Der 24-Jährige aus Bergkamen stand wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis vor dem Kamener Amtsrichter. Weiterer Anklagepunkt: Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung. Denn im Februar 2018 hätte M. seinen Führerschein wegen eines Verkehrsdelikts für sechs Monate abgeben müssen - tat es aber nicht, sondern erklärte gegenüber dem Kreis Unna, den "Lappen" verloren zu haben. Dreizehn Monate danach erwischte ihn die Polizei am Steuer eines Wagens. Zu dem Zeitpunkt besaß M. wohl einen Führerschein. Besitzen dürfen hätte er ihn nicht: Er war ja für verloren erklärt worden.

Vor Gericht erklärte M. jetzt, der verlorene Führerschein sei nach einem Umzug wieder aufgetaucht: Seine Mutter habe ihn in einer Jackentasche entdeckt. "Ich hatte aber Stress und hab' nicht dran gedacht, dass ich ihn abgeben sollte." Von der Polizei sei er dann eines Tages kontrolliert worden, als er gerade einen Kollegen mit gebrochenem Arm chauffierte.

Er wolle sich nicht rausreden und wisse, dass er einen Fehler gemacht habe, sagte der junge Mann. Von einer Führerscheinsperre bat er den Richter abzusehen: Im Job bekomme er sonst Probleme.
Der Richter ließ sich darauf ein: Vier Monate Haft auf Bewährung lautete das Urteil, dazu eine Zahlung von 300 Euro an die Gerichtskasse. Kemal M. zeige "eine gewisse Hartnäckigkeit und Unbelehrbarkeit" - mit einer bloßen Geldstrafe sei es da nicht mehr getan.

Eine Führerscheinsperre aus einem früheren Verfahren läuft sowieso noch bis Anfang 2020. Danach prüft das Straßenverkehrsamt, wie es um die "Führerscheintauglichkeit" M.s steht. Das heißt: Automatisch bekommt er seine Fahrerlaubnis so oder so nicht zurück.