Reizgas-Attacke gegen Autofahrer: Angeklagter war's nicht

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amtsgericht19KWvon Andreas Milk

Kamen. Freundlich, wortgewandt, 64 Jahre alt, ohne Vorstrafen - und dieser Mann soll einen Autofahrer auf der Bergkamener Bambergstraße "Arschloch" genannt und ihn mit Pfefferspray attackiert haben? In der Anklageschrift stand es so. Wolfram L. (Name geändert) hatte sich deshalb vor dem Kamener Amtsrichter zu verantworten.

Es ging um einen Vorfall am späten Nachmittag des 7. Mai 2018. Ein Rollerfahrer wird von einem Autofahrer überholt. Kurz darauf sehen sich beide vor einer roten Ampel wieder. Der Rollerfahrer blafft den Autofahrer an, ob der ihn habe umbringen wollen? Er zückt das Pfefferspray, sprüht dem Autofahrer das Zeug ins Gesicht, fährt weiter. Der Autofahrer macht ein Foto vom davonfahrenden Roller. Später fährt er zur Polizei und lässt sich in einer Augenklinik behandeln. Das Verfahren gegen Rollerbesitzer Wolfram L. kommt in Gang.

Beim Gerichtstermin heute erkannte der Autofahrer Wolfram L. wieder: Ja, das sei der Mann gewesen, der ihn angegriffen habe. Aber es gibt Zweifel - und zwar eine Menge. Es fängt an mit der Täterbeschreibung: Der Autofahrer hatte damals der Polizei gesagt, der Rollerfahrer sei wohl um die 40 Jahre alt und habe einen Bierbauch-Ansatz gehabt. Das passt nicht zu Wolfram L., der deutlich älter und von schlanker Statur ist.

Zeugenaussagen entlasteten Wolfram L.: Ein Sportkamerad gab zu Protokoll, L. habe an dem besagten Nachmittag mit ihm Bogenschießen geübt. Und dass es Wolfram L.s Roller war, der seinerzeit ohne Wolfram L. über die Bambergstraße kurvte - dafür hatte L.s Frau eine Erklärung: Ein Kaufinteressent habe - ohne Wissen ihres Mannes - eine Proberunde auf dem Roller gedreht. Die Anschaffung eines neuen, komfortableren Rollers sei als Geburtstagsüberraschung für ihren Mann geplant gewesen. Personalien des Probefahrers habe sie aber nicht mehr. Der Roller ging später an einen anderen Interessenten.

Wolfram L. wurde freigesprochen. Wer der rabiate Rollerfahrer mit dem Reizgas war, bleibt ungeklärt.

Im "Futterhaus" zugelangt: 300 Euro (plus 1,99) für Leckerchen

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amtsgericht19KWvon Andreas Milk

Kamen. Ist der 53-jährige Heinrich P. (Name geändert) unschuldig - oder hatte er sich ein Täuschungsmanöver ausgedacht, mit dem er zu Recht scheiterte? - Der Kamener Amtsrichter entschied sich für Variante zwei. Er verurteilte P. wegen Diebstahls von Hunde-Leckerchen im "Futterhaus" an der Lünener Straße. Wert des Diebesgutes: 1,99 Euro. Höhe der Geldstrafe: 300 Euro.

Am 15. April war P. ins "Futterhaus" gekommen. Ein Angestellter dort hatte ihn schon früher im Verdacht zu klauen. Diesmal sah er genau hin. Seine Beobachtungen schilderte er nun als Zeuge im Gerichtssaal: P. habe die Leckerchen in die Jacke gesteckt und den Laden verlassen. Auf dem Parkplatz habe er P. deshalb angesprochen - woraufhin P. die Richtung geändert habe: Nicht mehr zu seinem Auto, sondern zu den Einkaufswagen sei er plötzlich gegangen, habe sich einen geschnappt und damit wieder den Laden betreten. Mit einigen Waren im Einkaufswagen tauchte er wenig später an der Kasse auf - unter den Sachen waren auch besagte Leckerchen. Bloß: Bei seiner neuen Runde durchs "Futterhaus" war P. gar nicht ans betreffende Regal gegangen, versicherte der Angestellte. Das heißt, logisch: P. muss die Leckerchen schon die ganze Zeit vorher bei sich gehabt haben.

Alles Unsinn, beteuerte P.: Das, was der Angestellte für heimliches In-die-Jacke-Stecken hielt, sei bloß das Kramen nach dem Handy gewesen. Glauben mochte ihm das niemand. Zwei Vorstrafen wegen Diebstahls machten es für P. nicht besser. Er kann Berufung einlegen und versuchen, das Landgericht Dortmund von seiner Unschuld zu überzeugen.
Übrigens: Die Leckerchen hat er seinerzeit beim zweiten Gang durch den Laden bezahlt - zusammen mit den anderen Dingen im Einkaufswagen. Aber da war es eben zu spät.

Streit in Flüchtlingsunterkunft: Verfahren eingestellt

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amtsger19NKWvon Andreas Milk

Kamen. Es hatte Streit gegeben in der Unterkunft für Flüchtlinge an der Bergkamener Erich-Ollenhauer-Straße. Am Nachmittag des 10. Juli 2018 fuhr deshalb eine Polizeistreife los. Louis P. (alle Namen geändert) hatte eine stark blutende Verletzung am Oberschenkel. Adam H. soll sie ihm mit einem Messer zugefügt haben. Deshalb saß H. jetzt als Angeklagter im Kamener Amtsgericht.

Beide Männer sind Mitte 20, stammen aus Kenia, leben seit 2017 in Deutschland. Der angeklagte Adam H. machte keine Angaben - das ist sein Recht. Louis P. - als Zeuge geladen - hätte ebenfalls schweigen können: Auch er soll seinem Widersacher bei dem Streit eine Verletzung zugefügt haben, und es braucht sich kein Zeuge selbst vor Gericht zu belasten. P. war trotzdem zu einer Aussage bereit. Bloß: Er könne sich nicht erinnern, sagte er. Das habe mit einer Verletzung zu tun, die ihm vor sechs Jahren in seiner Heimat zugefügt worden sei. "Ich wurde gezwungen, meine Religion zu ändern", sagte P. - und: "Sie haben mich auf den Boden geworfen."

Die Männer haben sich anscheinend vertragen. Vor Verhandlungsstart saßen sie im Gericht friedlich zusammen auf dem Flur. Es ist nicht sicher, dass Adam H. ein Messer benutzt hatte: Das ärztliche Attest spricht von einem "spitzen Gegenstand". Die Sache bleibt letztlich ungeklärt: Das Verfahren wurde eingestellt.

Konto von Pflegebedürftigem geräumt: Schwestern verurteilt

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amtsgericht19KWvon Andreas Milk

Kamen. Zwei Schwestern räumen das Konto eines alten, pflegebedürftigen Bergkameners, der ihnen vertraut hat: Dass es so war, davon waren am Ende Staatsanwalt und Amtsrichter in Kamen überzeugt. Das Urteil: jeweils eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen à 10 Euro wegen gemeinschaftlicher Unterschlagung. Sara und Nadine M. (Namen geändert) sollen außerdem das ergaunerte Geld an Heinrich K. zurückzahlen: 1130 Euro. Das entspricht dem wöchentlichen Heim-Taschengeld K.s für zehn Monate, rechnete der Richter vor. Das Sozialamt hatte schon Probleme gemacht, weil Heinrich K. das Geld vermeintlich verschludert hatte.

Abgehoben hatte es Nadine M. am 30. November 2018 an einem Geldautomaten am Bergkamener Rathaus. Belegt ist das durch ein Foto. Ihre ältere Schwester Sara habe sie geschickt, erklärte sie später bei der Polizei. Sara M. wiederum kannte Heinrich K. schon acht Jahre. Sie kümmerte sich um Haushalt, Einkäufe, Geldgeschäfte - und hatte deshalb Zugriff auf Kontokarte und PIN. Sie erklärte seinerzeit bei der Polizei: "Er war wie ein Opa zu mir." An jenem 30. November allerdings war Heinrich K. schon nicht mehr in seiner Wohnung, sondern im "Haus am Nordberg" untergebracht; ein bestellter Betreuer der Diakonie war für sein Konto verantwortlich. Sara M. hielt keinen Kontakt mehr zu Heinrich K.. Sie hatte bloß noch seine Kontokarte.

Im Prozess schwiegen die beiden Schwestern. Auch ein als Zeuge geladener Schwager hielt den Mund. Dem Gericht genügte, was ein Kripobeamter und ein Mitarbeiter der Diakonie sagten.
Der Staatsanwalt war am Ende gar "überzeugt, dass noch mehr passiert ist" - also vor dem 30. November. Bloß: Nachweisen lässt sich da nichts. Der Verteidiger von einer der Schwestern dagegen forderte Freispruch: Es sei nicht auszuschließen, dass Heinrich K. selbst die Geldabhebung beauftragt habe.

Heinrich K. ist dement. Eine brauchbare Aussage kann er nicht mehr machen. Der Richter ist sicher: Sara und Nadine M. haben eine Quelle auszunutzen versucht, die zu versiegen drohte.

Überfälle auf Bäckerei und Lotto: Sechs Jahre Haft

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Lottoannahme an der Weststraße919AMvon Andreas Milk

Kamen. Sechs Jahre und acht Monate Haft für die Überfälle auf zwei Kamener Geschäfte: So lautet das Urteil des Landgerichts Dortmund im Fall eines 34-jährigen Angeklagten. Der Prozess ging schneller voran als geplant. Ursprünglich war er bis heute terminiert. Aber schon am vergangenen Dienstag schickte die zuständige Strafkammer den einschlägig vorbestraften Mann ins Gefängnis: wegen schweren Raubes in Tateinheit mit Körperverletzung. "Zugleich ist noch seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet worden", teilt Landgerichtssprecher Christian Fastermann auf Anfrage von KamenWeb.de mit.

Tatorte waren im Mai eine Lottoannahme in der Weststraße und eine Bäckerei an der Lessingstraße. Die Überfälle auf die beiden Geschäfte geschahen innerhalb von fünf Tagen. Am sechsten wurde der 34-Jährige dank eines Zeugenhinweises festgenommen, am siebten einem Haftrichter vorgeführt. Seitdem "sitzt" er.

Bei beiden Taten hatte der Mann - maskiert mit einem Schal - ein Messer bei sich. In der Bäckerei erlitt eine Angestellte durch das Messer eine Rötung am Hals, in der Lottoannahme stürzte eine Mitarbeiterin und erlitt eine Schwellung am Hinterkopf. Die Beute des Täters: 130 Euro Bargeld in der Bäckerei - ein Päckchen Zigaretten in der Lottoannahme.

Archiv: Raub auf Bäckerei und Lottogeschäft geklärt - Täter durch Zeugen erkannt und festgenommen

Überfälle auf Bäckerei und Lotto: Heute Prozessstart