-Anzeige-

GSW

Autofreunde rasten aus - Greenpeace und kroatische Kinder profitieren

am . Veröffentlicht in Gerichtsberichte

amtsgericht19KWvon Andreas Milk

Kamen. Drei junge Männer in drei teuren Autos geraten aneinander - und am Ende profitieren von dem Zoff drei gemeinnützige Organisationen. Das ist das Fazit einer Verhandlung im Amtsgericht. Hier sahen sich zwei Brüder und ein dritter Mann wieder. Im Parkhaus von Kaufland an der Töddinghauser Straße in Bergkamen waren sie im April vorigen Jahres zusammengerasselt: Einer im Chrysler, einer im Ford Mustang, einer im Daimler.

Kurzfassung des Geschehens: Besagter dritter Mann regt sich über unnötiges Gasgeben eines der beiden Brüder auf. Der reagiert unwirsch. Zweiter Bruder schaltet sich ein. In den Anklageschriften gegen das Trio ist von einem Pfefferspray-Einsatz, einer Todesdrohung und einer Sachbeschädigung (Tritt gegen Autotür) die Rede. Und die einzige Zeugin, die bei der Aufklärung hätte helfen können, fehlte. Sie muss nun ein Ordnungsgeld zahlen.

Keiner der Angeklagten ist vorbestraft - und alle haben sie bei dem Vorfall im Parkhaus irgendwas abgekriegt. Das brachte Richter Martin Klopsch auf die Idee, das Verfahren einzustellen gegen Zahlung von Geldbußen. Die drei Männer waren einverstanden, der Staatsanwalt ebenso. Und so läuft es jetzt: Ein Angeklagter überweist 500 Euro an Greenpeace, die beiden übrigen - weil sie ein höheres Einkommen haben - jeweils 1.000 Euro an eine Organisation für Kinder in Kroatien beziehungsweise an einen Verein zur Förderung naturverträglicher Windräder im Münsterland. Ist das Geld angekommen, ist der Fall "Parkhaus" vorstrafenfrei abgehakt. Sollte einer nicht zahlen, sitzt er bald wieder auf der Anklagebank.

Wucher beim Schlüsseldienst: Bewährungsstrafe für 767-Euro-Rechnung

am . Veröffentlicht in Gerichtsberichte

amtsgericht19KWvon Andreas Milk

Kamen. Wegen Wuchers ist der Mitarbeiter eines Schlüsseldienstes vor dem Amtsgericht Kamen zu acht Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. Nach Überzeugung des Richters hatte Janis S. (Name geändert) die Notlage eines Geschwisterpaars in Bergkamen ausgenutzt. 767 Euro stellte er den beiden im März vorigen Jahres für eine halbe Stunde Arbeit in Rechnung - zahlbar sofort per EC-Karte. Später gingen die Geschwister zur Polizei.
An jenem Tag hatte es erst einen Feuerwehreinsatz gegeben: Die Wohnung vom tablettensüchtigen Bruder der beiden Geschwister musste gewaltsam geöffnet werden. Der Mann war hilflos, konnte nicht mehr selbst öffnen, brauchte medizinische Versorgung. Als die Feuerwehr weg war, stand die Wohnungstür offen und ließ sich nicht mehr schließen. Kurzes Googeln per Handy, die erstbeste 0800er-Nummer gewählt - und wenig später war Janis S. zur Stelle.
Es war ein Freitagnachmittag, etwa 16 Uhr: Kein Anlass also für besondere Wochenend- oder Nachtzuschläge. Der Bruder des Wohnungsbesitzers witzelte noch im Beisein von Janis S., die Branche der Schlüsseldienste habe ja einen miesen Ruf - mehr als 200 Euro dürfe der Einsatz nicht kosten, denn mehr habe er nicht dabei. Von Janis S. soll in dem Moment keine Reaktion gekommen sein; er machte seine Arbeit. Die Rechnung wies letztlich einen nicht näher erklärten "fallspezifischen Einsatzwert" von 159 Euro aus sowie 217 Euro für einen Zylinder und 169 Euro für ein neues Schloss, dazu noch ein Arbeitsentgelt, das auf einen Stundenlohn von fast 160 Euro hochzurechnen ist.
Janis S.' Verteidiger forderte Freispruch. Begründung: Wucher sei nicht gegeben - dafür bräuchte es laut Strafrecht eine Notlage der Opfer. Die habe gefehlt - die beiden hätten sich eine Alternative überlegen können. Das sah der Richter anders - und er erklärte, wer in diesem Fall schon nicht von Wucher sprechen wolle, der müsse doch zumindest gewerbsmäßigen Betrug in dem Verhalten von Janis S. sehen. Es ist nicht das erste Mal, dass S. angeklagt war: Einige Verfahren sind schon abgeschlossen, andere laufen noch, die letzten sieben Wochen hat S. in U-Haft verbracht. Staatsanwaltschaften in NRW, in Kiel und Frankfurt/Oder beschäftigen sich mit ihm. Seine Bergkamener Opfer hatten mit der 767-Euro-Rechnung eher noch Glück. Anderswo soll Janis S. für ähnliche Dienste 1.600 bis 1.800 Euro verlangt haben.

Tempo 161 statt 130: Tochter beschuldigt - aber die Schwester war's

am . Veröffentlicht in Gerichtsberichte

amtsgericht19KWvon Andreas Milk

Kamen. Es blieb alles in der Familie - und nun endet es familiär harmonisch. Als die 44-jährige Bergkamenerin Joyce M. (Name geändert) als Angeklagte im Kamener Amtsgericht saß, waren ihre Tochter und ihre Schwester als Zeuginnen geladen. Es ging um falsche Verdächtigung in Zusammenhang mit einem Tempoverstoß auf der A 2.

Als der passierte, war die gebürtige Nigerianerin Joyce M. in Afrika. Die promovierte Soziologin ist in der Flüchtlingshilfe tätig, im Auftrag des Bundesbildungsministeriums. Bei ihrer Rückkehr fand sie in der Post den Bußgeldbescheid wegen der überschrittenen Höchstgeschwindigkeit auf der Autobahn. Beigefügt war ein Foto, das ihre jüngere Schwester hinterm Steuer zeigte. Aber dieses Foto sah sich Joyce M. - noch im Reisestress und laut eigener Schilderung "voll sauer" - wohl nicht näher an. Jedenfalls schrieb sie in den Anhörungsbogen, ihre Tochter sei gefahren. Denn das tut die üblicherweise auch, wenn Mutter auf Reisen ist. Nur eben nicht in diesem einen Fall - da war Joyce M.s Schwester mit 161 statt der erlaubten 130 Kilometer pro Stunde über die A 2 gekachelt.

Der Irrtum klärte sich auf, die Schwester zahlte prompt das Bußgeld - aber der Vorwurf der falschen Verdächtigung gegen Joyce M. blieb. Seit der Verhandlung heute ist der Fall abgehakt. Oder jedenfalls fast: Joyce M. soll 750 Euro an den Jugendhilfeverein "Sprungbrett" zahlen. Sobald sie das getan hat, wird das Verfahren ohne Vorstrafe beendet. Vom Richter gab es obendrein den Rat, sich selbst einmal um Eintragung ins Register der NRW-Gerichte für Bußgeldempfänger zu kümmern. Denn auch Joyce M. führt einen gemeinnützigen Verein.

Polo überschlägt sich - betrunkener Fahrer türmt: Bewährungsstrafe

am . Veröffentlicht in Gerichtsberichte

amtsgericht19KWvon Andreas Milk

Kamen. Ein klassischer Fall von "Mehr Glück als Verstand": Ein VW Polo kracht in einem Kreisverkehr gegen einen Findling, überschlägt sich, bleibt auf dem Dach liegen - und die beiden Insassen klettern so gut wie unversehrt heraus. Passiert war das am frühen Morgen des 17. August 2018 in Bergkamen an der Kreuzung Erich-Ollenhauer-/Schulstraße/Kleiweg. Der Fahrer - seinerzeit betrunken und ohne Führerschein - stand jetzt in Kamen vor Gericht: Sedat H. (Name geändert), 36 Jahre.

"Da hätte fürchterlich viel mehr passieren können", fand Richter Christoph Hommel und sprach von einem "großen Schutzengel". H. und sein Beifahrer waren damals nach dem Unfall weggerannt. Eine Polizeistreife war zufällig in der Nähe - und nach dem Anruf eines Zeugen entsprechend flott vor Ort. H. und sein Begleiter liefen den beiden Beamtinnen entgegen. Erst behaupteten sie, dass sie gerade beim Joggen seien - nicht wirklich glaubwürdig um 3.15 Uhr in der Frühe. Bei der Feststellung der Personalien gab H. einen falschen Namen an, stieß einer Polizistin gegen die Schulter, rannte aufs neue los und verlor dabei seinen Ausweis. Er sah die Polizei wenig später in seiner Wohnung wieder.

Eine Blutprobe ergab 1,16 Promille. "Nicht so gut" sei das alles gewesen, kommentierte H. die Anklagevorwürfe und entschuldigte sich bei der Polizistin, der er den Stoß gegen die Schulter verpasst hatte. Die Beamtin hatte schon vor jener Nacht mit ihm zu tun gehabt, das Gericht ebenso: H. hat ein Vorstrafenregister mit Einträgen von Hausfriedensbruch über Körperverletzung bis hin zu illegalem Schusswaffenbesitz.

Zuletzt war es allerdings vergleichsweise ruhig - daher verhängte der Richter diesmal eine Bewährungsstrafe; es ist die zweite in H.s "Karriere". Drei Jahre darf nichts passieren - sonst drohen sechs Monate Haft. Und einen Führerschein darf er - theoretisch - frühestens im Frühjahr 2021 wieder bekommen.

Auch 'ne Art Tradition: Mist bauen an Weihnachten

am . Veröffentlicht in Gerichtsberichte

amtsgericht19KWvon Andreas Milk

Kamen. Wenn Mehmet H. (Name geändert) an Weihnachten unterwegs ist, passiert schon mal was. Die Party in der Stadthalle im Dezember 2016 brachte ihm ein Urteil wegen fahrlässigen Vollrausches ein. Und nachdem er am frühen Morgen des ersten Feiertags 2018 das Unikum an der Bahnhofstraße verlassen hatte, geschah wieder etwas Blödes: Der 23-Jährige setzte sich am Kalthof in ein Auto, das ihm gar nicht gehörte. Deshalb saß er jetzt zum zweiten Mal als Angeklagter im Amtsgericht.

Das sei "alles doof gelaufen", sagte er. Im Unikum habe er eine Menge getrunken. Auf dem Nachhauseweg habe er dann wohl den fremden Wagen für das Auto eines Freundes gehalten. Die Beifahrertür sei offen gewesen. Er habe sich rein gesetzt und Musik gehört - bis plötzlich die Polizei da war.

Dass die zügig anrückte, war der Tante des Autoeigentümers zu verdanken. Sie hatte an jenem Weihnachtsmorgen gegen sechs Uhr in der Früh' ihren Kaffee geschlürft, als sie vom Küchenfenster aus bemerkte: Da sitzt einer im Wagen des Neffen, der da nicht hinein gehört. Um den Unbekannten an der Flucht zu hindern, bezogen der wachgeklingelte Neffe und sein Vater Position neben den Türen. Ob Mehmet H. überhaupt Fluchtgedanken hatte, ist fraglich. Laut Zeugenaussagen saß er ganz entspannt in dem Auto und tippte auf seinem Handy herum.

Das Urteil: eine Geldstrafe von 1200 Euro wegen Sachbeschädigung - denn H. hatte beim Einsteigen den Lack rund ums Türschloss zerkratzt. Nun heißt es: Abwarten, wie das nächste Weihnachten wird.