Ganz kurz nicht aufgepasst: Nach Unfall auf der Anklagebank

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von Andreas Milk

amtsgericht19KWKamen. Angeklagt zu werden in einem Strafprozess: Das passiert nicht bloß anderen Leuten - das kann jede(n) erwischen. Die Bergkamenerin Daniela H. (Name geändert) ist ein Beispiel. Die 35-Jährige saß wegen fahrlässiger Körperverletzung im Kamener Amtsgericht. Am 20. Mai vorigen Jahres, mittags gegen 14 Uhr, war sie in Bergkamen auf der Erich-Ollenhauer-Straße beim Linksabbiegen mit einem entgegenkommenden Auto zusammengestoßen.

In diesem Auto saßen drei Menschen. Sie erlitten Verletzungen: Bei einer Frau war es eine Schädelprellung - sie blieb zur Sicherheit für eine Nacht im Krankenhaus -, bei einer zweiten eine Beinverletzung. Ein Mann war auch dabei. Er kam wohl fast unbeschadet davon: Als er seine Schmerzen auf einer Skala von 0 bis 10 einordnen sollte, entschied er sich für die 1. Bleibenden Schaden erlitt niemand. Den Schaden an ihrem Wagen hat Daniela H.s Versicherung reguliert. Daniela H.s Auto wiederum hatte einen wirtschaftlichen Totalschaden.

Es tue ihr "wahnsinnig leid", erklärte sie im Prozess, verbunden mit einer Entschuldigung direkt an die drei Geschädigten. Sie habe an jenem Tag vergessen, ein zweites Mal den Gegenverkehr zu checken, bevor sie nach einem Zwischenstopp auf der Linksabbiegespur wieder angefahren sei. "Das ist menschlich", fand die Richterin. Und auch eine der verletzten Frauen meinte knapp: "Das kann passieren."

Eine Verurteilung, da waren sich Richterin, Staatsanwalt und - natürlich - Verteidiger einig, war in Daniela H.s Fall nicht nötig. Bei solch geringer Schuld gibt es die Möglichkeit, ein Verfahren einzustellen. Genau das tat die Richterin, gekoppelt mit der Auflage, 600 Euro Buße an die Kreisverkehrswacht Unna zu zahlen. Tut Daniela H. das bis Ende April, ist die Sache endgültig erledigt.

Gewaltopfer wird gewalttätig: Vater attackiert

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von Andreas Milk

amtsger19NKWKamen. Gut möglich, dass der Täter in diesem Fall eher ein Opfer war. Der Bergkamener Erkan K. (20, Name geändert) hat laut Anklage am Abend des 4. November 2022 seinen Vater als "Hurensohn" beleidigt und ihm einen Schlag gegen den Kopf verpasst. Und nicht nur laut Anklage - er gab es jetzt beim Termin vor dem Jugendrichter in Kamen auch zu. Das Ganze geschah am Busbahnhof. Der Junior hätte sich dem Senior nicht einmal nähern dürfen: Im vergangenen Frühjahr hatte das Amtsgericht ein Annäherungsverbot gemäß Gewaltschutzgesetz verfügt. Ein notorisch brutaler junger Mann also, der auf seinen Vater losgeht? Die Verhandlung brachte ein anderes Bild.

Erkan K. sagt, er habe als Jugendlicher in der Familie nahezu täglich Gewalt erlebt. Er selbst, seine Schwester und seine Mutter hätten vom Vater Prügel bezogen. Erkan K. gelang der Absprung: Er zog aus. Inzwischen sind die Eltern geschieden, der Vater lebt mit einer anderen Frau zusammen, und Erkan K.s Mutter hat eine Ausbildung im Pflegebereich begonnen. Sie kann jetzt - nach vielen Jahren in Deutschland - Deutsch lernen.
"Ich bin kein Mensch, der Gewalt mag", sagte Erkan K. dem Richter. Für das Annäherungsverbot gab es natürlich Gründe: Noch als strafunmündiger Jugendlicher war K. mit Körperverletzung aufgefallen. Andererseits habe umgekehrt sein Vater sich ihm bei vielen Gelegenheiten genähert; es gab und gibt Berührungspunkte der Familienmitglieder. Das Zusammentreffen im November am Bergkamener Busbahnhof war Zufall.
Der Richter sah Erkan K. "auf einem guten Weg": K. macht eine Berufsausbildung, engagiert sich in der Schülervertretung seines Berufskollegs und in der Gewerkschaft. Das Verfahren wurde eingestellt - mit der Auflage, ein Anti-Gewalt-Training in Unna zu absolvieren.

Als Erwachsener habe er das Gefühl, endlich zurückschlagen zu können, hatte Erkan K. im Prozess gesagt. Das Training soll mithelfen, dass sich Attacken ohne Not wie die am Busbahnhof nicht wiederholen.

"Teufel hat mich überredet" - zum Klamottenklau

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von Andreas Milk

amtsgerichtKamen AMKamen. Eine ungewöhnliche Erklärung hatte der junge Kamener vor dem Amtsgericht für sein Tun: "Der Teufel hat mich dazu überredet." In Filmen oder Romanen würde man diesen Satz wohl am ehesten mit einem Serienmörder in Verbindung bringen. Hier ging's aber bloß um Ladendiebstahl. Im vergangenen September war Roman H. (24, Name geändert) erwischt worden, als er im "New Yorker" in Hamm Klamotten klaute. Wert: gut 70 Euro. H. hatte die Sachen mit in die Umkleide genommen, die Etiketten entfernt, die Kleidungsstücke angezogen und war aus dem Laden spaziert. Sein Rucksack samt Etiketten blieb in der Umkleide zurück.

Leise, geradezu schüchtern trat Roman H. vor Gericht auf. "Ich bete zu Gott, dass ich sowas nicht wieder mache", sagte er. Ob er in ärztlicher Behandlung sei, fragte der Richter. H. verneinte. Sein Vorstrafenregister umfasst Betrug, Diebstahl, Fahren ohne Führerschein.

Das Urteil diesmal: eine Geldstrafe von 70 Tagessätzen à 10 Euro. Es sei wohl weniger der Teufel, vielmehr H. selbst für sein Tun verantwortlich, hielt der Richter das Offensichtliche fest. Beim nächsten Mal drohe Gefängnis. Schon bei seinem letzten Auftritt vor Gericht hatte H. versichert, er werde nichts mehr anstellen. Diesmal tat er es wieder.

Gewalt unter Ehefrauen: Kopf gegen Lenkrad

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amtsgericht19KWvon Andreas Milk

Kamen. "Ich bereue es", sagte die Angeklagte Charlene K. (Namen geändert) - was sie ihrer (Noch-) Ehefrau Marina K. angetan habe, könne sie sich selbst nicht erklären: Es sei wohl eine Kurzschlusshandlung gewesen. 28. Oktober 2022, eine Straße irgendwo in Kamen: Marina K. sollte Charlene K. mit dem Auto abholen, war aber zu spät dran. Und das machte Charlene K., die ihre schwer kranke Oma besucht hatte, wütend. Sie versetzte Marina K. durchs offene Fenster auf der Fahrerseite einen Faustschlag, dann griff sie ihr in die Haare und stieß den Kopf mehrmals gegen das Lenkrad. "Ziemlich heftig" nannte der Richter dieses Verhalten später in seiner Urteilsbegründung.

Für die beiden Frauen war der Fall eigentlich längst abgehakt. Charlene K. hat sich entschuldigt. Getrennt hatten sich die beiden lange vor dem Vorfall in freundschaftlicher Verbundenheit. Marina K. hat keinerlei Interesse an einer Strafverfolgung, aber das Verfahren wegen Körperverletzung gegen Charlene K. ließ sich nun mal nicht stoppen. Wohl aber machte Marina K. jetzt vor Gericht von ihrem Recht Gebrauch, als Ehefrau der Angeklagten die Aussage zu verweigern.

Charlene K. hat keine Vorstrafen, gleichwohl nach eigener Aussage eine gewaltvolle Vorgeschichte: "Ich bin mit Schlägen groß geworden." Das Urteil: eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen à 50 Euro. Die Zahl der Tagessätze ist so gering, dass die Strafe später nicht im polizeilichen Führungszeugnis auftaucht. Charlene K. nahm den Richterspruch an - auf deutliche Empfehlung, fast schon Anweisung ihrer Frau.

Polizisten gebissen: Haft auf Bewährung

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von Andreas Milk

amtsger19NKWKamen. Vorsicht, bissiger Autofahrer: Nach einer Fahrt unter Drogeneinfluss und ohne Führerschein über die A1 bei Kamen schnappte Pjotr T. (Name geändert) zu. Einem Polizisten, der ihn auf der Wache für eine Blutabnahme festhalten wollte, biss er in den Oberarm. Der Beamte konnte T.s Kiefer erst durch beherztes Zupacken mit seiner freien Hand lösen. Immerhin: Er blieb dienstfähig.

Jetzt sahen beide Männer sich im Amtsgericht wieder. Passiert war das Ganze in der Nacht zum 27. Mai vorigen Jahres. Pjotr T. stand mit seinem VW auf dem Seitenstreifen, weil wohl das Benzin ausgegangen war. Eine Polizeistreife hielt an und schaute nach. Im Wagen lagen leere Flaschen. Die Blutprobe ergab bei T. später rund ein Promille - knapp unterhalb der absoluten Fahruntüchtigkeit. Dazu kamen aber Kokain und Cannabis.
Vor dem Richter zeigte T. sich geständig und reuig. Er entschuldigte sich bei dem gebissenen Beamten - der nahm die Entschuldigung an. T. sagt, er habe unter enormem Druck gestanden; das Jahr 2022 sei für ihn eine Katastrophe gewesen. Dass er sich bei der Polizei falsch verhalten habe, sehe er ein. Auch gegenüber der Ärztin, die für die Blutprobe angerückt war, verhielt er sich laut ihrem Bericht "sehr aggressiv".

Pjotr T. hat eine Reihe von Vorstrafen. Aber - und das bewahrte ihn jetzt vor Knast - er hat sein Leben inzwischen recht gut auf die Reihe gekriegt. Aus gescheiterter Selbstständigkeit wurde eine feste Anstellung. Auch das familiäre Umfeld scheint (wieder) zu stimmen. Deshalb billigte der Richter T. eine Bewährungschance zu: Zehn Monate Haft - die T. nur abzusitzen braucht, wenn er wieder Mist baut. Ganz getan ist es damit allerdings nicht. 500 Euro Schmerzensgeld muss T. an den Polizeibeamten zahlen, dazu kommen die Kosten fürs Verfahren. Im ersten Bewährungsjahr hat er darüber hinaus vier Drogenscreenings zu absolvieren. Sollte da etwas gefunden werden, droht ebenfalls Gefängnis.

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