Picheln bei Poco: Freispruch trotz zwei Promille

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Foto: Amtsgericht Kamen (C) Andreas Milk für KamenWeb.devon Andreas Milk

Kamen. Es ist wohl wirklich so gewesen: Am Mittag des 3. April saß der 30-jährige Martin E. (Name geändert) mit zwei Promille Blutalkohol hinterm Steuer seines Wagens. Trotzdem bekam er in seinem Prozess vor dem Amtsgericht Kamen einen Freispruch. Denn es ist zweifelhaft, ob E. mit diesen zwei Promille auch tatsächlich gefahren war.

Geschnappt hatte ihn die Polizei nach einem Zeugenhinweis auf dem Parkplatz von Poco in Rünthe. Als die Beamten ankamen, war da neben dem angeschickerten Martin E. und seinem Auto auch ein Abschleppwagen im Auftrag des ADAC. Vor Gericht erzählte E. die Vorgeschichte: An jenem Tag habe er erst bei Poco in Dortmund ein paar Sachen einkaufen wollen. Weil das Gewünschte dort nicht zu haben war, verwiesen ihn Mitarbeiter an die Filiale in Rünthe: Da gebe es E.s Wunschartikel noch. Auf dem Weg nach Rünthe erwischte ihn ein Reifenschaden. E. steuerte den Parkplatz an, verständigte die Pannenhilfe - und verkürzte sich die mehrstündige Wartezeit mit einigen Flaschen Bier.
So weit seine Version. Zu widerlegen war die nicht. Und dass E. auch mal auf die Straße gepinkelt und Passanten blöd angemacht haben soll, interessierte in dem Strafprozess nicht. Tatsächlich entdeckten die Polizisten seinerzeit in dem Wagen allerhand leere Bierflaschen. In seiner Vernehmung damals präsentierte E. den Beamten gleich mehrere Versionen, wie sich sein Tag abgespielt habe. Sein Verteidiger, ein bodenständiger Rechtsanwalt, erklärte freimütig, er selbst rede sogar schon mal Mist, wenn er weniger als zwei Promille intus habe.
E. hat bisher weder Vorstrafen noch Einträge in Flensburg. Und dabei bleibt es fürs erste. Es galt das Prinzip: Im Zweifel für den Angeklagten.

SMS vom Beinahe-Mörder: Diesmal ein Freispruch

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Kamen. Eine unfreundliche SMS von einem Mann, der schon einmal wegen versuchten Mordes im Gefängnis saß - die kann einen schon nervös machen. Eine 39-Jährige bekam diese SMS im vergangenen Oktober vom Vater ihres Kindes. Hintergrund war ein gerichtlicher Streit um die Frage, wie oft der Mann das Kind sehen darf. In der SMS stand nun, die Frau solle einlenken, sonst werde er etwas tun, das er eigentlich nicht tun wolle.

Folge: eine Anklage wegen versuchter Nötigung, über die jetzt vor dem Kamener Amtsgericht verhandelt wurde. Der 55-jährige Ramazan K. (Name geändert) ließ seinen Anwalt erklären, dass die SMS nicht als Drohung mit einer illegalen Tat gedacht gewesen sei. Vielmehr habe er klar machen wollen: Ihm sei nicht an einer (weiteren) Auseinandersetzung vor dem Familiengericht gelegen - aber wenn er keine Wahl habe, werde er diesen Weg eben gehen.

Der Umgang zwischen ihm und der Kindsmutter hat sich längst entspannt. Die Frau ließ einige Zeit nach der SMS sehr wohl auch Kontakte zwischen Vater und Kind zu.

Im Zweifel für den Angeklagten, fand der Richter - und sprach Ramazan K. frei. Die Haftstrafe wegen des Mordversuchs ist schon einige Jahre her: 2009 attackierte K. einen Nachbarn lebensbedrohlich mit einem Messer. Die Frau war damals Zeugin.

Hundeklauer verurteilt: Sechs Monate Haft

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Kamen. Zigaretten, Handys, Autos - wer solche Sachen klaut, kommt vor den Amtsrichter. Heute saß zur Abwechslung einer auf der Anklagebank, der in Bergkamen einen Hund gestohlen hatte. Das Urteil gegen den mehrfach vorbelasteten Kamener Tobias G. (Name geändert): sechs Monate Haft.

Bei dem Hund handelte es sich um einen Schäferhundmischling. Der rechtmäßige Besitzer hatte ihn 2016 in Bayern für rund 2.000 Euro gekauft. Am 10. März wurde Tobias G. auf das Tier aufmerksam. Der Hund lief im Garten herum, und er erinnerte Tobias G. doch sehr an den "baugleichen" Hund seiner Schwester. Die hatte - weil sie unter psychischen und familiären Problemen litt - ihren Hund schon vor längerer Zeit beim Bruder in Pflege gegeben. Weil der suchtkranke Bruder dann selbst nicht klar kam mit seinem Leben, gab er den Hund einem Bekannten. Der wiederum verschwand eines Tages - samt Hund.

Lange Rede, kurzer Sinn: Am 10. März war Tobias G. laut seiner Aussage im Gericht überzeugt, den Hund der Schwester wiedergefunden zu haben. Als das Tier dann auch noch überaus zutraulich auf ihn reagierte, hob er ihn übern Gartenzaun und verschwand mit ihm nach Kamen.

Dass der rechtmäßige Eigentümer ihn wiederfand, ist den sozialen Medien zu verdanken: Unter anderem per Facebook wurde nach dem geklauten Hund gefahndet. Erfolgreich. So stand denn schließlich die Polizei bei Tobias G. vor der Tür.

Mit ihm angeklagt war seine Schwester. Dass sie für die Tat ihres Bruders mitverantwortlich sei, war allerdings nicht nachzuweisen. Konsequenz: Freispruch. Noch im Gerichtssaal erklärte sie: "Ich bin bis heute sicher, dass das mein Hund war." War er nicht - daran besteht kein Zweifel. Ein Chip im Ohr machte eine eindeutige Identifikation möglich.

Die sechsmonatige Gefängnisstrafe für den Bruder begründete der Richter so: Tobias G. habe einen "Eventualvorsatz" gehabt - bedeutet: Ihm sei bewusst gewesen, dass es der falsche Hund sein könnte. Das Mindeste wäre deshalb gewesen, beim Besitzer anzuklingeln und die Sache zu klären, statt einfach mit dem Tier zu verschwinden. Eine Nachbarin hatte außerdem gesehen, dass G. sich beim Dognapping eine Kappe ins Gesicht zog - kein Indiz für ein reines Gewissen. Und schließlich: G. ist wegen Diebstahls und Raubes vorbestraft. Zum Zeitpunkt des Hundeklaus lief noch eine Bewährungsfrist.

Ausgeflippt auf der Hochstraße: Geldstrafe für ruppigen Reisebusfahrer

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Kamen. Nötigung, Beleidigung, Bedrohung: Drei Straftaten, die der Busfahrer Willem H. (Name geändert) nach Überzeugung des Kamener Amtsrichters Martin Klopsch im Juni 2017 auf der Hochstraße binnen einiger Sekunden begangen hat. Und zwar ausgerechnet zu Lasten eines Kripobeamten, der am späten Nachmittag auf dem Nachhauseweg war.

Die Hochstraße war zu der Zeit noch Baustelle. Es gab einen Engpass und schleppenden Verkehr. Rechte und linke Spur in Richtung Unna kamen unterschiedlich schnell voran. Laut Anklage passierte am Tattag folgendes: Willem H. am Steuer des Reisebusses zwang durch grundloses Ausscheren den Kripomann zum Bremsen (Nötigung), reagierte auf dessen Hupen mit Stinkefinger (Beleidigung) und Halsabschneidegeste (Bedrohung).

H. bestritt die Vorwürfe. Er habe niemanden bewusst zum Bremsen genötigt, sondern allenfalls den Bus zur Seite gelenkt, weil er einem Laster auf der Gegenfahrbahn ausweichen musste. Beleidigende oder drohende Gesten? Fehlanzeige. Sein Verteidiger beantragte folgerichtig Freispruch.

Allein: Der Richter glaubte Willem H. nicht. Zu detailliert, zu präzise und sachlich sei dagegen die Aussage des Kriminalhauptkommissars gewesen. Der war früher bei der Autobahnpolizei und erzählte vor Gericht, noch nie habe er erlebt, dass einer am Lenkrad "so ausgeflippt" sei. Sein Eindruck sei gewesen, dass der Busfahrer andere Verkehrsteilnehmer auf der Hochstraße bewusst gängeln wollte - aus Frust, selbst auf seiner Spur nicht so flott wie gewünscht voranzukommen.

Das Urteil: eine Geldstrafe von 1200 Euro. Es wäre auch eine Verfahrenseinstellung gegen Zahlung einer (geringeren) Buße drin gewesen, sagte der Richter am Ende. Aber dafür hätte es Einsicht des Angeklagten in sein Fehlverhalten gebraucht - und so etwas wie eine Entschuldigung.

Der Nachbar mit der Spitzhacke: Strafe für gelöste GSW-"Straßenkappe"

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Kamen. Der 54-jährige Bergkamener Mesut A. (Name geändert) ist wohl - vorsichtig ausgedrückt - kein ganz einfacher Mensch. Was er am 8. November 2017 anstellte, nannte selbst sein Verteidiger vor dem Kamener Amtsrichter eine "schwachsinnige Aktion". Mit Hilfe einer Spitzhacke löste A. eine so genannte Straßenkappe aus ihrer Verankerung. Solche Kappen dienen dazu, Anschlüsse von Versorgungsleitungen an öffentlich zugänglichen Wegen abzudecken. Vorausgegangen war der "schwachsinnigen Aktion" ein Rechtsstreit um Wegerechte, Befugnisse, Grundstücksangelegenheiten. Im einzelnen wurde das heute vor Gericht nicht erörtert: Es reichte, dass A. sich fürs Aushebeln der Kappe einen Strafbefehl über 900 Euro wegen Sachbeschädigung eingehandelt hatte. Weil er dagegen Einspruch erhob, wurde nun der Verhandlungstermin nötig.

Es ging unter anderem darum, ob überhaupt ein Schaden entstanden sei. Denn die Straßenkappe war nicht zerstört worden - A. hatte sie "nur" weggenommen und bewahrte sie seitdem auf. Ein Mitarbeiter der Gemeinschaftsstadtwerke GSW sorgte für Aufklärung: Nein, es sei nicht damit getan, das Ding wieder einzusetzen. Das Ventil der Wasserleitung sei inzwischen von Schutt und Split umgeben. Außerdem müsse die schützende Kappe beim Wiedereinsetzen auch wirklich dicht abschließen. Arbeit für Fachleute also - Kostenpunkt: einige Hunderter.

Empfehlung des Richters an den Angeklagten: besser den Einspruch gegen die Strafe zurückziehen. Sonst drohe es noch teurer zu werden - eine Verfahrenseinstellung wegen Geringfügigkeit jedenfalls komme nicht in Frage. Tatsächlich akzeptierte A. den Vorschlag. Es bleibt also bei den 900 Euro Strafe.

Den einen oder anderen Richter wird A. aber wohl weiter beschäftigen. Denn der Mann mit der Spitzhacke baut sich anscheinend gern vor Nachbarn auf. Eine Frau von nebenan erzählte im Gerichtssaal, sie habe Angst vor ihm. Es gebe mit A. nur Probleme und Streit.