Missglückte Weiberfastnacht im "opera": Geldstrafe für kaputtes Bein

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operaKWvon Andreas Milk

Kamen. "Wir hatten viel Spaß an dem Abend", erinnert sich die 25-jährige Julia H. (alle Namen geändert) aus Bergkamen an Weiberfastnacht 2017 im "opera". Die Stimmung war gewohnt großartig - bis gegen 1.30 Uhr ein folgenschwerer Unfall passierte. Julia H. erlitt Brüche des Schienbeins und des Wadenbeins. Der Kamener Patrick M. (27) bekam eine Anklage wegen fahrlässiger Körperverletzung. Verhandelt wurde darüber heute vor dem Amtsgericht.

Mit ein paar Freundinnen war Julia H. zum Feiern in das Szenelokal an der Kamener Nordstraße gegangen. Später in der Nacht nahm sie mit einem Bekannten in dem Sitzrondell neben der Theke Platz. Dieses Rondell lässt sich karussellartig in Schwung versetzen - genau das tat Patrick M. Die unbeabsichtigte Folge: Julia H.s Bein verkeilte sich zwischen dem rotierenden Rondell und einem Kantholz an der Theke. Sanitäter rückten an, Julia H. verbrachte eine Woche im Krankenhaus, unterzog sich einer ersten Operation, musste an Krücken gehen. Zwei weitere Operationen folgten; es werden noch nicht die letzten gewesen sein. Die ehemals aktive Handballerin kann nicht einmal mehr joggen. "Es gibt keine Woche ohne Schmerzen", erzählte sie im Gericht. Mehrmals kamen ihr in der Verhandlung gegen Patrick M. die Tränen. Besonders unglücklich war der Zeitpunkt des Unfalls: Für die junge Bergkamenerin standen gerade Prüfungen zur Betriebswirtin an. Mit Hilfe von Freunden, Kollegen und Familie habe sie die Lage meistern können.

Patrick M. sagte heute im Gerichtssaal erst einmal nichts - sein gutes Recht als Angeklagter. Aussagen, die ihn entlastet hätten, gab es nicht. Julia H. ist sicher: Er war es, der das Rondell in Bewegung versetzte - und auch nicht aufhörte, als sie darum bat. Eine Kollegin von Julia H. hatte nach dem Abend übers Internet Kontakt zu Patrick M.; in dem Chat räumte er seine Schuld ein und sprach davon, sich entschuldigen zu wollen. Vor Gericht stellte nun sein Verteidiger den Antrag, ein physikalisches Gutachten einzuholen: Es werde zeigen, dass die Rondell-Bewegung nicht reiche, das Bein eines sitzenden Gastes nach außen zu drücken. Richter Martin Klopsch wies den Antrag ab: Selbst wenn erst eine Fluchtbewegung von Julia H. den Unfall unmittelbar ausgelöst hätte, bliebe immer noch Patrick M. der Verursacher.

Das Urteil: Zeitsoldat Patrick M. soll, seinem Einkommen angemessen, eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu 70 Euro zahlen - 8.400 Euro also. Er hat eine Woche Zeit, Berufung einzulegen. Erst in seinem Schlusswort vor der Urteilsverkündung hatte er eine Entschuldigung an Julia H. herausgebracht. Sie versucht, Schadensersatz und Schmerzensgeld per Zivilverfahren einzuklagen.

Unser Vorschlag: ein Ikea-Dezernat

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Foto: Amtsgericht Kamen (C) Andreas Milk für KamenWeb.devon Andreas Milk

Kamen. Ob die Staatsanwaltschaft Dortmund wohl bald über ein eigenes Ikea-Dezernat nachdenkt? Möglich wär's. Wieder mal geht es in einem Prozess vor dem Kamener Amtsgericht um den "Tatort Selbstscanner-Kasse" im Möbelhaus am Kamen Karree. Zwei Frauen aus Bielefeld und Bönen sind angeklagt. Der Vorwurf: Im Februar 2017 sollen sie vier Teppiche im Gesamtwert von 456 Euro zum Schnäppchenpreis von 7,96 Euro erstanden haben - einfach, indem sie die Barcodes austauschten. Die Kasse zeigte beim Einscannen jeweils 1,99 Euro an.

Kleine Rückblende: Im April 2017 wurde ein junges Paar in Kamen wegen frisierter Ikea-Barcodes verurteilt; im September 2016 stand ein junger Mann vor Gericht, der seine Ware nur teilweise eingescannt hatte. Und dazwischen - Anfang 2017 - sollte die damalige Möbelhaus-Chefin Dinah Rudack als Zeugin gegen einen (Ex-) Mitarbeiter aussagen. Auch der, so die Anklage damals, habe zum eigenen Vorteil an Preisschildern rumgefummelt. Rudack konnte ohne Aussage wieder gehen - der Angeklagte hatte sich ins Ausland abgesetzt.

Nun also die beiden Frauen mit den vier Teppichen. Beim Termin am Freitag bestritten sie jede Diebstahlsabsicht. Vielmehr habe die Kasse Kapriolen gemacht und die Geldkarte wieder ausgespuckt. Irgendwas sei da wohl schief gegangen - sie selbst hätten sich aber nichts vorzuwerfen.

Amtsrichter Martin Klopsch hatte keine Ikea-Mitarbeiter als Zeugen geladen. Denn er habe mit Geständnissen gerechnet, erklärte er. Weil es die nicht gab, wird der Fall Ende April noch einmal verhandelt. Ein Video aus der Überwachungskamera soll dann gezeigt werden. Außerdem will Klopsch - wie schon in dem Prozess vor einem Jahr - Dinah Rudack vorladen. Inzwischen ist sie nicht mehr Chefin von Ikea in Kamen; sie wechselte vor kurzem nach Rotterdam.

Fahrradklau am Krankenhaus: Hilfe für die Polizei

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Kamen. Die Polizei, dein Freund und Helfer - aber warum nicht umgekehrt mal der Polizei helfen? Ein Mann aus Hamm tat's und ermittelte drauf los. Das Ergebnis: ein Strafverfahren gegen einen mutmaßlichen Fahrraddieb. Der wurde jetzt vor dem Kamener Amtsgericht verurteilt.

Der Reihe nach: Im Oktober 2016 wurde einer Pflegerin des Kamener Krankenhauses während der Nachtschicht ihr schickes, weißes Pegasus-Rad geklaut, erworben von ihrem Mann, Kaufpreis rund 500 Euro, ursprünglicher Preis sogar noch höher. Genau dieses Rad erstand einige Zeit später der Mann aus Hamm für 50 Euro bei Ebay; von dem Diebstahl wusste er nichts. Als er das Rad mit Gewinn weiterverkaufen wollte und seinerseits inserierte, meldete sich ein Mann bei ihm, der erklärte, dieses Rad gehöre ihm. Der Hammer reagierte richtig: Er schaltete die Polizei ein, lieferte das Rad bei den Beamten ab, schrieb seine 50 Euro in den Wind und den gewinnbringenden Weiterverkauf sowieso. Und: Er hielt im Internet die Augen offen. Es dauerte eine Weile, da stieß er bei Ebay auf eine Annonce, die im Wortlaut stark an die Pegasus-Anzeige erinnerte. Zum Schein zeigte er Interesse. An einer Tankstelle sollte die Übergabe sein. Der Hammer informierte darüber die Polizei.

Und die schnappte sich den 23-jährigen Marvin T. (Name geändert), mehrfach vorbestraft, unter anderem wegen Diebstahls und Unterschlagung. Er habe "sehr viel Scheiße gebaut" im Leben, gab er im Gerichtssaal zu - aber diese nicht: Mit der ganzen Geschichte habe er nichts zu tun. "Ich glaub' Ihnen nix", erwiderte der Richter. Das Urteil: fünf Monate Haft auf Bewährung, dazu eine Wiedergutmachung von 200 Euro für den betrogenen Fahrradkäufer aus Hamm. Neben Betrug hat sich Marvin T. nach Überzeugung des Richters entweder des Diebstahls oder der Hehlerei schuldig gemacht - denn entweder habe er das Rad am Krankenhaus selbst gestohlen, oder er habe es vom Dieb bekommen und wissen müssen, dass damit etwas faul war.

Besagtes Rad übrigens ist 2017 schon wieder gestohlen - und aufs neue wiedergefunden worden. Der Mann der Krankenpflegerin fand es auf dem Parkdeck vom Kamen Quadrat, wenige Meter vom Krankenhaus entfernt.

Rasierer, Pflegeset, Dose Bier - fünf Monate Haft

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Kamen. Ein Rasierer, ein Gesichtspflegeset, ein Dosenbier - macht zusammen: 76 Euro. Oder fünf Monate Haft. Lidl hat sich so gar nicht gelohnt für den 37-jährigen Thomas H. (Name geändert). Für den Diebstahl am 26. August 2017 in der Oberadener Filiale an der Jahnstraße schickte ihn das Kamener Amtsgericht heute ins Gefängnis. Da ist er sowieso schon: Wegen früherer Taten muss H. in Hamm bereits zwölf Monate verbüßen.

Ein notorischer, seit 1996 gerichtsbekannter Dieb - und ein recht sympathischer, gab Richter Martin Klopsch zu. Denn Thomas H. ist keiner von denen, die Taten abstreiten. Im Gegenteil: Er hat sogar bei einem Prozess Dinge zugegeben, von denen die Staatsanwaltschaft noch gar nichts wusste. Auch da ging es eigentlich bloß um Diebstahl. In der Verhandlung erzählte H. dann freimütig, er sei mit einem Fahrzeug unterwegs gewesen, für das er erstens keinen Führerschein hatte, zweitens keine Zulassung. Vor Gericht gilt zwar, dass niemand sich selbst zu belasten braucht, schon gar nicht als Angeklagter. Aber es wird eben auch niemand daran gehindert.

Zurück zum Lidl-Fall: H. hatte seine Beute im Rucksack; an der Kasse legte er nur eine Packung Nudeln und ein zweites Dosenbier aufs Band. Die Kassiererin wurde stutzig, sprach ihn an. Prompt gab er - wie gewohnt - alles zu.

Und obwohl dieser "Kunde" so pflegeleicht ist, meinte Richter Klopsch dann doch: "Ich würd' mich freuen, wenn ich Sie jetzt mal ein paar Jahre nicht wiedersehe."

Nach Fahrerflucht erst mal zum Einkaufen - und: Rollende Wohnung touchiert Baum

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Kamen. Zwei etwas ungewöhnliche Fälle von Fahrerflucht beschäftigten das Kamener Amtsgericht: Im ersten Fall ging der Flüchtige erst zum Einkaufen, dann zur Polizei; im zweiten war das Tatwerkzeug - sprich: Auto - zugleich die Wohnung des Angeklagten.

Fall eins ereignete sich am Mittag des 22. August 2017 auf dem Parkplatz des Jobcenters neben dem Kamener Rathaus. Der 60-jährige Hartz-IV-Empfänger Jochen F. (Namen geändert) rammte mit seinem VW-Bus einen geparkten Renault Mégane. Ein paar Mitarbeiterinnen des Jobcenters, die gerade aus der Pause kamen, kriegten das mit und sprachen F. an. Aber der - "total verpeilt", wie er jetzt seinen Anwalt erklären ließ - fuhr erst mal zum Laden, danach zur Polizeiwache. Und da stand auch schon die Mégane-Besitzerin, die von ihren Kolleginnen informiert worden war. Das Urteil: 450 Euro Geldstrafe für die Unfallflucht, 35 Euro Buße für den Unfall an sich, ein Monat Fahrverbot.

Fall zwei betrifft den 25-jährigen Ramazan K., seinen VW Golf und einen Baum am Reckhof. Am 17. März 2017 rammte der Golf den Baum. K., damals obdachlos, sei nicht nur widerrechtlich abgehauen, glaubt die Staatsanwaltschaft - den Golf habe er vorher gestohlen. Tatsächlich war es aber wohl ein bisschen anders. K. erklärte dem Richter jedenfalls glaubhaft, den Golf habe er zusammen mit einem Freund gekauft. Das Geld dafür - ganze 120 Euro - habe er, K., zur Verfügung gestellt, zugelassen war der Wagen auf den Namen seines Freundes. Nach dem Zusammenstoß mit dem Baum habe er die Reisetasche mit seinen Habseligkeiten aus dem Golf genommen und sei abgehauen. Ende. Das Urteil hier: fünf Monate Haft auf Bewährung wegen Unfallflucht - sowie wegen der Tatsache, dass K. ein falsches Nummernschild an den Golf geschraubt hatte.
P.S. Die Mégane-Besitzerin aus Fall eins hat den Schaden an ihrem Wagen nicht reparieren lassen - es waren halt Kratzer und der Mégane war schon alt. Und auch der Schaden am Baum in Fall zwei blieb eher unbeachtet. Die Justiz zumindest hat keinerlei Kenntnis. Mutmaßliche Baumbesitzerin: die Stadt.