Date missglückt: Wiedersehen vorm Richter

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Foto: Amtsgericht Kamen (C) Andreas Milk für KamenWeb.devon Andreas Milk

Kamen. Es hatte nicht funktioniert zwischen der 26-jährigen Serap A. (Namen geändert) aus Duisburg und dem 40-jährigen Murat B. aus Bergkamen. Nach dem Kennenlernen übers Internet gab es zwei, drei Treffen - und am Ende eine Strafanzeige der jungen Frau gegen Murat B.. Verhandelt wurde darüber vor dem Kamener Amtsrichter.

Der hatte - wie auch die übrigen Prozessbeteiligten - arge Probleme, aus Serap A. etwas Brauchbares herauszubekommen. Vor dem Termin hatte sie einen Brief geschrieben mit der Bitte, das Verfahren zu stoppen. Zwecklos. Als Zeugin im Verhandlungssaal sagte Serap A. zunächst, sie könne sich an nichts erinnern. Erst die Androhung von Ordnungsgeld und Beugehaft brachte sie zum Reden.

Es ging um Vorfälle am 5. Mai. Murat B. hatte Serap A. in Duisburg abgeholt und war mit ihr in seine Wohnung gefahren. Da fing ein Streit an. Laut Strafanzeige packte B. die Frau an den Haaren, schlug ihr gegen Arme und Brust, verfrachtete sie gegen ihren Willen in sein Auto, drohte, sie werde sterben, wenn sie zur Polizei gehe. Angeblicher Auslöser für den Zoff: Serap A. soll während des Dates übers Handy Kontakt zu anderen Männern gesucht haben.

Der angeklagte Murat B. beschrieb den verkorksten Maiabend nüchtern und ohne Groll: Serap A. sei aufgewühlt gewesen, habe von ihm weglaufen wollen, bloß wäre sie dann wohl in ein Feld gerannt, weil er sehr abgelegen wohne. Drum habe er sie ins Auto gezwungen, um sie nach Hause zu bringen. Während der Fahrt habe sie aussteigen wollen. Und deshalb habe er wohl etwas gesagt in Richtung "Wenn du das tust, kann es Tote geben" - eine schlüssige Erklärung für die vermeintliche Todesdrohung.

Serap A. schien im Gericht - vorsichtig ausgedrückt - ziemlich durcheinander. Seit Mai sei "einiges passiert in meinem Leben", sie lebe "in den Tag hinein", leide unter Depressionen. Als Tatort hatte sie nicht Bergkamen, sondern Dortmund in Erinnerung. Und nein - die erlittenen Verletzungen seien nicht erheblich gewesen. Sie habe aber von Murat B. nicht mehr angefasst werden wollen, nachdem der Streit eskaliert sei.
Das Ergebnis: eine Einstellung des Verfahrens gegen den Bergkamener. Das, was sich zwischen ihm und der Duisburgerin abgespielt hat, bleibt juristisch folgenlos - abgesehen von einem Gerichtsverfahren, das übrigens auch eine Aufwandsentschädigung für die Zeugin Serap A. einschließt.

Betrug zu Lasten der Arbeitsagentur: Zwei Mal Geldstrafe

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Kamen. Der Herr von der Arbeitsagentur brauchte bloß zwischendurch mal für ein paar Minuten aus dem Saal zu gehen: Gleich zwei Mal war er heute als Zeuge zu Terminen vor dem Amtsgericht geladen. Beide Male ging es um Betrug. Beide Male gab es die gleiche Strafe.

Fall eins: Eine 36-jährige, ehemals arbeitslose Kamenerin hatte von Mitte März bis Ende April insgesamt 1057 Euro von der Agentur bekommen - obwohl sie bei einer Zeitarbeitsfirma 30 Stunden pro Woche arbeitete und monatlich etwa 930 Euro verdiente. Ihre Erklärung: Mit der Agentur habe sie "immer Probleme gehabt". Eine Mitarbeiterin dort habe ihr gesagt, ihre Beschäftigung sei ja bloß "geringfügig". Darum dürfe sie weiter Arbeitslosengeld bekommen. Außerdem: Sie habe angenommen, dass die Zeitarbeitsfirma eine Meldung an die Agentur mache. Dem widersprach deren Mitarbeiter: Jeder Agentur-"Kunde" kriege ein Merkblatt, in dem seine Rechte und Pflichten stünden. Und dem Richter fiel auf, die Frau hätte doch mal stutzig werden müssen angesichts der weiterlaufenden Zahlungen von der Agentur. Urteil: eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen à 30 Euro wegen Betrugs.

Fall zwei: Eine 53-Jährige, beschäftigt bei einem Paketdienst. Nicht vorbestraft, genau wie ihre "Vorgängerin". 564 Euro hatte sie von der Agentur bezogen. Laut einer Aktennotiz gab sie Anfang April an, sie habe ab Mai wieder einen Job. Tatsächlich hatte sie den schon im April. Den Akteneintrag könne sie sich nicht erklären, sagte sie. Sie habe beim Termin in der Agentur sogar ihren Arbeitsvertrag vorgelegt. Ihre zuständige Vermittlerin blieb dabei: Die Frau habe bei dem Termin Anfang April von einem neuen Job ab Mai gesprochen - nicht schon ab April. Wäre von April die Rede gewesen, hätte es ja von der Agentur keinen Cent mehr gegeben. Urteil: siehe oben.

Wenn Temposünder tricksen: Großer Aufwand - hohe Strafe

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Kamen. Beeindruckend, was ein Mitarbeiter des Kreises Unna in einem Strafprozess am Kamener Amtsgericht zu erzählen hatte: Hunderte von Ermittlungen gelte es Monat für Monat zu führen - und zwar wegen ganz banaler Tempoverstöße. Das Problem: Immer wieder behaupten Fahrzeughalter, nicht sie seien es gewesen, die da hinterm Steuer saßen.

Rückblende: Am 15. März fährt ein Kleintransporter, der einer Kamener Immobilienfirma gehört, durch eine Tempo-30-Zone in Hamm - mit Tempo 55. Es blitzt. Die Firma zahlt nicht. Vielmehr bekommt die Stadt Hamm auf dem Anhörungsbogen mitgeteilt, der Fahrer sei unbekannt. Folge: Die Stadt Hamm bittet die Kreisverwaltung Unna, einen Mitarbeiter samt dem Blitzer-Foto zu der Kamener Firma zu schicken.
Das geschah am 19. Mai. Bei seinem Besuch in den Firmenräumen geriet der Mann vom Kreis an den Geschäftsführer. Genau der saß jetzt auf der Anklagebank. Denn er nannte seinerzeit als angeblichen Fahrer einen Mann, der deutlich jünger war als der geblitzte Temposünder auf dem Foto.

Er sei an dem Tag ziemlich gestresst gewesen, sagte der Firmenchef zu seiner Verteidigung. Und: Er selbst habe den - tatsächlichen - Fahrer gar nicht persönlich gekannt, sondern bloß von einem Abteilungsleiter eine Auskunft eingeholt und die dann an den Kreis-Ermittler weitergegeben. Das fand die Staatsanwältin so glaubhaft, dass sie einen Freispruch beantragte: Eine bewusst falsche Angabe sei nicht nachzuweisen, fand sie. Der Verteidiger war - natürlich - derselben Ansicht.

Bloß der Richter nicht. Er verhängte wegen falscher Verdächtigung eine Geldstrafe von 50 Tagessätzen, bemessen nach der Höhe des Einkommens. Die Auskunft an den Kreis-Mitarbeiter sei eindeutig falsch gewesen. Wer könne schon sagen, ob der Abteilungsleiter nicht ausdrücklich Order hatte, den falschen Namen zu nennen? Die Möglichkeit, doch noch korrekte Angaben zu "Ross und Reiter" zu machen, habe der Angeklagte auch beim Gerichtstermin nicht genutzt.

Der Aufwand, den Tricksereien mit der Fahrer-Identität auslösen können, scheint enorm. Im konkreten Fall hatte der vermeintliche Temposünder seinen Wohnsitz in Dortmund. Das heißt: Nach der Stadt Hamm und dem Kreis Unna hätte sich auch noch die Stadt Dortmund in die Ermittlungen einklinken müssen, falls der Dortmunder nicht seines jugendlichen Äußeren wegen als Verdächtiger ausgeschieden wäre.

Sieg-Heil-Ruf: "Voll dumm von mir"

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Kamen. Nicht nur, dass die Bergkamener Polizei in der Nacht zum 25. Juli mit Fällen von Brandstiftung an Fahrzeugen zu tun hatte. Nein - während der Ermittlungen an der Fritz-Husemann-Straße fiel den Beamten auch noch der 35-jährige Peter E. (Name geändert) auf. Mehrfach rief er "Sieg Heil!", gerichtet wohl an eine Gruppe von Leuten, in der sich ein Mann arabischer Herkunft aufhielt.

Die Staatsanwaltschaft klagte E. wegen des "Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen an" - heute saß er im Kamener Amtsgericht. "Voll dumm von mir" sei die Brüllerei gewesen. Ein Nazi sei er nicht. Die Sache tue ihm leid.

Für die Justiz ist Peter E. Stammkunde. Er verbüßte vor rund 15 Jahren eine Jugendstrafe wegen versuchten Totschlags; später saß er wegen gefährlicher Körperverletzung und Verstoßes gegen das Waffengesetz in Haft. Er stand und steht unter Führungsaufsicht. Sein Bewährungshelfer wusste durchaus auch Positives zu berichten: E. besuche inzwischen die Abendschule, um den Realschulabschluss zu machen, die jüngsten Alkohol- und Drogentests hätten nichts Auffälliges ergeben, und mit der rechten Szene habe er tatsächlich nichts zu schaffen. E. ist verheiratet, hat drei Kinder, ist Hartz-IV-Bezieher.

Das Urteil: eine Geldstrafe von 100 Tagessätzen à 10 Euro. Wenn E. es will, kann die Staatsanwaltschaft diese Strafe in gemeinnützige Arbeit umwandeln. Das hätte laut Bewährungshelfer den Vorteil, dass etwas Struktur in seinen Alltag käme.
Hinten im Zuschauerraum saß während der Verhandlung E.s Frau. Beim Rausgehen sagte der Richter zu ihr: "Passen Sie auf ihn auf!" - Antwort: "Ich geb' mir Mühe."

1,8 Promille - aber der "Lappen" schnell wieder da

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Kamen. Mit 1,8 Promille hinters Steuer setzen, erwischt werden - und den Führerschein nach nur drei Monaten zurück bekommen: Nach drei Jahrzehnten als Strafrichter war das eine Premiere bei Martin Klopsch im Kamener Amtsgericht. Auslöser sei eine Entscheidung am Landgericht Dortmund gewesen.

Der Reihe nach. Auf der Anklagebank in Kamen saß eine junge Frau. Anfang Juni war sie in der Innenstadt mit besagtem Alkoholwert geschnappt worden. Da war der "Lappen" erst mal weg. Schon im September schickte Klopsch ihn an die Frau zurück. Denn zu dem Zeitpunkt hatten Kollegen des Landgerichts Dortmund in einem ähnlichen Fall verfügt, dass ein Lastwagenfahrer seine Fahrerlaubnis nach gerade mal einem Vierteljahr zurück bekam, weil er beruflich darauf angewiesen sei. Genau dies traf auf die Fahrerin in Kamen nun auch zu.

"Blau" am Steuer - das ist ein Indiz für mangelnde charakterliche Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs. Dass eine solche Charakterschwäche nach drei Monaten beseitigt sei, konnte Richter Klopsch sich zwar ausdrücklich nicht so ganz vorstellen. Aber: Er orientiere sich halt mal am Landgericht.

Abgesehen vom kurzen Führerscheinentzug: Straffrei bleibt die Frau nicht. Klopsch verhängte eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu 25 Euro. Und was den Führerschein angeht - da ist das letzte Wort auch noch nicht gesprochen. Erstens kann die Staatsanwaltschaft Berufung einlegen. Über die würde das Dortmunder Landgericht entscheiden - und dort scheint die großzügige Dreimonatsfrist auch nicht unumstritten zu sein. Zweitens ist es bei 1,8 Promille wahrscheinlich, dass die Verkehrsbehörde - der Kreis Unna - eine medizinisch-psychologische Untersuchung der Frau veranlasst.