"Stück Scheiße": Nachbarliches vor Gericht

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Foto: Amtsgericht Kamen (C) Andreas Milk für KamenWeb.devon Andreas Milk
Kamen. In nüchternem Bürokratendeutsch ist die Anklage - wie üblich - abgefasst. Sie richtet sich gegen die 26-jährige Bergkamenerin Ivona K. (Name geändert). Die habe eine Nachbarin als - Zitat - "Stück Scheiße" bezeichnet. Heute hätten sich die beiden Frauen vor dem Kamener Amtsgericht sehen sollen.
Die mutmaßliche Beleidigerin Ivona K. war zum Termin gekommen. Die mutmaßlich Beleidigte allerdings nicht. K. bestritt, die üblen Worte benutzt zu haben. Aber sie erzählte auch freimütig, dass es um die Nachbarschaft im Bergkamener Mietshaus nicht zum besten steht. Und das ist sehr, sehr zurückhaltend formuliert. Auch die Kinder werden wohl in den Streit der Großen mit hinein gezogen. K. jedenfalls schilderte, wie ihre Tochter vom Sohn der Nachbarin geschubst worden sei - woraufhin die Nachbarin das Mädchen der Lüge bezichtigt habe. Zoff gab es außerdem um Wasser, das Ivona K. von ihrem Balkon im sechsten Stock kippte. Ein paar Tropfen seien wohl unten bei der Nachbarin gelandet. Die habe daraus ein Riesentheater gemacht - obwohl nichts Schlimmes passiert sei und das Wasser bei sommerlicher Hitze im August 2016 doch niemanden hätte stören dürfen.
Sonst noch was? Nur, dass die Nachbarin ihrer Ladung als Zeugin vor Gericht womöglich deshalb nicht gefolgt sei, weil sie in Hamburg als Domina arbeite - was sie übrigens selbst jedem erzähle. Die Frau - ob dominant oder nicht - muss nun 100 Euro Ordnungsgeld zahlen. Obendrein wird es einen neuen Termin geben, um zu klären, was dran ist an der Sache mit dem "Stück Scheiße".
Weit einfacher hatte es die Justiz übrigens in einer anderen Strafsache gegen Ivona K.: ebenfalls eine Beleidigung, nur hatte K. sie praktischerweise für jedermann nachlesbar auf Facebook gepostet. Konsequenz war ein Strafbefehl nach Aktenlage - ohne aufwändigen Gerichtsprozess.

Nach der Abifeier ein Nasenbeinbruch

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Kamen. 2. Juli 2016, gegen halb sechs in der Frühe. Die Abiturfeier in der Kamener Stadthalle war so ziemlich gelaufen. Draußen vor der Tür gab es allerdings noch Streit. Und der löste ein Gerichtsverfahren aus: Vor dem Amtsgericht wurde der 24-jährige Marcel P. (Name geändert) heute wegen Körperverletzung zu sechs Monaten Haft verurteilt.
Seinem Widersacher hatte er an jenem sehr frühen Sommermorgen mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Folge war ein Nasenbeinbruch, zum Glück ohne Langzeitwirkung. Bloß eine kleine Narbe blieb. Im Gerichtssaal nahm das Opfer die Entschuldigung des Täters an. Beide waren seinerzeit nicht mehr nüchtern, beide wissen heute nicht mehr genau, worum es bei dem Streit eigentlich ging. Also: blöd gelaufen, aber Schwamm drüber.
Allerdings hat Marcel P. eine heikle Vorgeschichte: Probleme mit kaputter Familie und kaputter Beziehung, Alkoholsucht, Vorstrafen wegen Körperverletzung und anderer Delikte. Als die Sache vor der Stadthalle passierte, stand er unter Bewährung wegen einer Tat im Frühjahr 2013. Fünf Wochen saß er zuletzt in Untersuchungshaft, weil er einen ersten Verhandlungstermin nicht wahrgenommen hatte.
Immerhin: Den neuen Termin heute verließ er als - zumindest vorübergehend - freier Mann. Denn die sechs Monate Haft sind noch nicht rechtskräftig. P. kann in Berufung gehen. Darüber würde das Landgericht Dortmund entscheiden. P. hat erklärt, er sei bereit zu einem Alkoholentzug. Und sein Ex-Arbeitgeber habe angeboten, ihn wieder einzustellen.

Kaputter Vergaser stoppt Cannabis-Tour: Haftstrafe

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Kamen. Gut, dass der Vergaser streikte – sonst hätte der junge Bergkamener womöglich noch einen Unfall gebaut in der Nacht zum 28. August 2016 auf der A 2. Nach wenigen Kilometern blieb der Wagen in Höhe der Baustelle liegen. Die Polizei sollte später feststellen, dass der Mann hinterm Steuer unter Einfluss von Cannabis stand und keinen Führerschein besaß. Der war ihm 2012 abgenommen worden – wegen Cannabis.

Im Prozess heute vor dem Kamener Amtsrichter zeigte sich der Mann einsichtig: „Ich bereue meinen Fehler.“ Inzwischen habe es „Klick“ gemacht in seinem Kopf, sagte er. Sein Verteidiger bat um Milde, die Vertreterin der Staatsanwaltschaft hielt eine Geldstrafe für angemessen. Richter Martin Klopsch sah den Fall anders: Vier Monate Haft, so lautete das Urteil. Und das lag an der Vorgeschichte des Angeklagten: Vorstrafen satt, darunter eine Jugendstrafe von mehr als zwei Jahren. Binnen zehn Jahren sei es ihm nicht gelungen, das Kapitel Drogen abzuschließen, stellte Klopsch fest. Mit einem „Schuss vor den Bug“ sei es da nicht mehr getan. Dass die Haft tatsächlich verbüßt wird, ist aber längst nicht abgemacht: Die Berufungskammer am Landgericht wird sich wohl mit dem Fall befassen.

Und noch eine Haftstrafe verhängte Klopsch an diesem Vormittag – und zwar gegen einen Schwarzfahrer. Drei Mal war er für Fahrten ab oder nach Kamen ohne Ticket in einen Zug gestiegen. Er habe keine andere Wahl gehabt, erzählte er beim Prozesstermin – als Teilnehmer an einem Drogen-Ersatzprogramm habe er täglich zum Arzt fahren müssen, aber kein Geld für die Fahrkarte besessen. Gut 20 Vorstrafen gibt es; das Urteil heute: fünf Monate Gefängnis. Auch hier kann eine Berufungsverhandlung die Chance sein: Richter Klopsch selbst gab dem Anwalt des Schwarzfahrers den Hinweis, er solle beim Landgericht um eine späte Terminierung bitten. Wenn es dann gelinge, vor der Berufungsverhandlung einen Therapieplatz zu beschaffen, könnte das die Dortmunder Richter beeindrucken – und eine Haft abwenden.

Tatort Ikea: Die elegantere Form des Klauens

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Kamen. Eigentlich sollte Dinah Rudack, Leiterin des Ikea-Hauses im Kamen Karree, heute einen Ex-Mitarbeiter wiedersehen. Nicht zum gemütlichen Plausch über alte Zeiten - sondern in einem Strafprozess vor dem Kamener Amtsrichter. Es ging um versuchten Betrug und Urkundenfälschung, es ließe sich auch sagen: um eine elegantere Form des Ladendiebstahls. Der Ex-Kollege, damals angestellt als Teilzeitkraft, soll Ware mit deutlich zu niedrigen Preisen ausgezeichnet und an der Kasse vorbeigemogelt haben.
Zum Gerichtstermin kam er nicht. Anfang Januar war ihm die Ladung zugestellt worden. Anfang dieser Woche nun ließ er - im "Hauptberuf" übrigens Student - den Richter wissen, er weile in Griechenland. Ziemlich dreist, aber nicht weiter schlimm. Motto: Entdecke die (juristischen) Möglichkeiten! In Abwesenheit der reisefreudigen Hauptperson erließ der Richter einen Strafbefehl über 80 Tagessätze à 20 Euro. Eine Aussage von Dinah Rudack als Zeugin war dazu nicht nötig: Sie konnte gleich wieder fahren.
Ein weit weniger ausgebuffter Dieb wurde zu einer Haftstrafe verurteilt: Sechs Monate soll er absitzen, und zwar fürs Klauen von sechs Packungen Kaffee (bei Rewe an der Bergkamener Präsidentenstraße) und sechs Flaschen Wodka (bei Edeka Nüsken in Kamen). Das Diebesgut wollte er verkaufen, um seine Heroinsucht zu finanzieren. Am Gericht ist der 36-Jährige längst Stammkunde. Eine allzu rosige Prognose wollten weder die Vertreterin der Staatsanwaltschaft noch der Richter für ihn abgeben. Drum: Gefängnis ohne Bewährung.

Der Dieb, der aus dem Fenster sprang und krauses Zeug erzählte

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Kamen. Ab und zu werden vor Gericht Dinge verhandelt, die kommen einem vor wie aus einem schlechten Boulevardstück. Zum Beispiel heute vor dem Kamener Amtsgericht. Da saß der 31-jährige Pascal T. (Name geändert) auf der Anklagebank; es ging um Diebstahl. Tatort: der Keller eines Mietshauses. Eine Reisetasche samt allerhand Krimskrams soll T. geklaut haben. Und wozu? Angeblich - so T.s eigene Version -, um den Diebstahl einem jahrelangen Bekannten anzuhängen, von dem er vermutete, was mit seiner Freundin am Laufen zu haben.

Dieser vermeintliche Nebenbuhler versicherte dem Richter glaubhaft, das sei völliger Quatsch. Und Quatsch - das ist überhaupt ein gutes  Stichwort: Der rechtmäßige Reisetascheneigentümer erzählte, er habe das gute Stück seit nunmehr 13 Monaten nicht angerührt, um eine eventuell noch notwendige Spurensicherung nicht zu erschweren. Allerdings hat sich bisher noch keine "Soko Reisetasche" bei ihm blicken lassen, und das wird vermutlich auch nicht mehr passieren.

Der Richter war am Ende überzeugt: Hinter der krausen Story steckte gar kein Eifersuchtsdrama, und zwischen den Männern habe es auch keinerlei Stress um eine Frau gegeben. Vielmehr habe Pascal T., mehrfach vorbestraft, ganz einfach die Tasche an sich bringen wollen. Für diese Annahme sprach in der Tat einiges - unter anderem, dass T. beim Auffliegen des Taschen-Diebstahls Reißaus nahm und aus einem Fenster im ersten Stock des Hauses hüpfte. Wer eiskalt Rache für einen Seitensprung üben will, verhält sich wohl ein bisschen anders. Das Urteil: eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen à 12 Euro.

Gut, dass es auch einfachere Fälle gibt. Ebenfalls auf der Terminliste stand an diesem Mittwoch ein Prozess um den Diebstahl von acht Flaschen Schnaps bei Rewe. Weil der Angeklagte einen ersten Termin geschwänzt hatte, musste er die Zeit vom 21. Dezember bis heute in U-Haft verbringen. Sein Urteil: vier Monate - aber wenigstens auf Bewährung. Also: nach Prozessende nicht zurück in die JVA. Und hoffentlich auch nicht zu Rewe.