Mitleid für die Anwältin: "Ich hab' Sie durchschaut"

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Foto: Amtsgericht Kamen (C) Andreas Milk für KamenWeb.devon Andreas Milk
Kamen. Das Mitleid eines Richters muss sich ein Strafverteidiger hart verdienen. Im Amtsgericht gab es heute solch einen seltenen Fall. Die Anwältin von Markus V. (23, Name geändert) hatte es nicht leicht mit ihrem Mandanten - und dafür sprach ihr Richter Martin Klopsch sein Mitgefühl aus.
Markus V. ist obdachlos, leidet an paranoider Schizophrenie, trinkt ein bisschen zu viel, und Cannabis konsumiert er wohl auch gelegentlich. Angeklagt war er wegen Diebstahls: Im "dm"-Markt am Kamener  Willy-Brandt-Platz soll er Parfüm für 27 Euro gestohlen haben, in einem Geschäft in Hamm Kleidung für rund das Dreifache. Zum Gerichtstermin erschien er in Schlabberhose und zerrissenem Shirt. Seine Verteidigerin - die auch als seine Betreuerin fungiert - arbeite gegen seine  Interessen, erklärte er. "Ich hab'  Sie durchschaut", teilte er der Juristin mit. Die wahrte souverän die Beherrschung. Markus V. fuhr fort: Sein Leben wäre besser und einfacher, wenn er nur sein Geld monatlich ausgezahlt bekäme - statt  zehn Euro pro Tag. "Ich brauche Handy, Hose und Schuhe" - in genau dieser Reihenfolge.
Drei Monate Haft auf Bewährung lautete das Urteil - ein eher hartes Strafmaß für Bagatelldiebstähle.  Aber eine Geldstrafe, so der Richter, wäre  sinnlos gewesen. Reißt V. sich zwei Jahre zusammen, ist die drohende Haft vom Tisch. Immerhin: Die letzten vier Jahre hatte es ja auch geklappt. Nach der Urteilsverkündung verließ er den Saal kurz vor seiner Anwältin. Und die fragte den Richter - wohl nur halb im Scherz -, ob es denn für sie einen Hinterausgang gebe.