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Weggetreten: Im Blindflug über die Kreuzung

am . Veröffentlicht in Gerichtsberichte

Foto: Amtsgericht Kamen (C) Andreas Milk für KamenWeb.devon Andreas Milk
Kamen. Der Versicherungskaufmann im Ruhestand hatte am 31. Mai vorigen Jahres Glück. Sozusagen im Blindflug - jedenfalls: ohne klares Bewusstsein - segelte er in seinem Auto über eine Kreuzung in Bergkamen. Niemandem passierte etwas. Wegen Unfallflucht saß er jetzt im Kamener Amtsgericht auf der Anklagebank.
Und streng juristisch gesehen mag das mit der Unfallflucht wohl stimmen, fand der Staatsanwalt. Bloß: ein "böser Bube" sei der 66-jährige Hartmut F. (Name geändert) ganz sicher nicht. Der weiß bis heute nicht bis ins letzte Detail, wie ihm an jenem Tag vor gut einem Jahr eigentlich geschah. Morgens habe er kurz ein Schwindelgefühl gehabt; später beim Seniorensport ging es auch nicht besonders, weil die Halle so stickig war. Noch später brachte er Müll und Glasflaschen zum Bergkamener Wertstoffhof. Auf dem Rückweg sei ihm übel geworden - und plötzlich: Filmriss. Zuhause seien ihm Kratzer im Lack aufgefallen. Etwas später kam die Polizei zu ihm.
Was die Zeit des Filmrisses betrifft: Es gibt Zeugenaussagen. Demnach war Hartmut F. an der Fritz-Husemann-Straße gegen ein wartendes Fahrzeug geprallt. Er habe zurückgesetzt und sei wieder angefahren.
Letztlich bleibt offen, ob F. tatsächlich so vollständig weggetreten war, wie er sagt. Das Zurücksetzen seines Autos spricht eher dagegen. Sicher ist, dass ihm selbst der Vorfall zusetzte: Er - über Jahrzehnte unfallfrei unterwegs - schaltete eine Reihe von Ärzten ein, um Klarheit zu bekommen, was eigentlich los war. Im Schlaflabor stellten sich lange Atemaussetzer heraus.
1.250 Euro Buße an eine gemeinnützige Einrichtung muss er nun zahlen - dann ist die Sache ohne Urteil, das heißt ohne Vorstrafe erledigt. Es ist dieselbe Summe, die der Staatsanwalt als Geldstrafe gefordert hätte, wenn es zu einer Verurteilung gekommen wäre. Dass es das Gericht mit einer Buße gut sein ließ, bedeutet: Es sieht F.s Schuld als gering an. Er bekam sogar seinen Führerschein zurück - verbunden mit der dringenden Bitte, sich auch künftig von den Ärzten durchchecken zu lassen.