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Kampstraße: Autofahrer plus Fußgänger gleich Strafprozess

am . Veröffentlicht in Gerichtsberichte

amtsgericht19KWvon Andreas Milk

Kamen. 2.500 Euro Geldstrafe wegen Beleidigung, sechs Monate Fahrverbot: So ahndete Amtsrichter Martin Klopsch das Verhalten des Kleinunternehmers Murat M. (Namen geändert) im Dezember 2017 in der Kamener Innenstadt. Innerhalb von vier Tagen war M. zwei Mal mit dem Polizeibeamten Thomas F. aneinander gerasselt. Der Beamte war nicht im Dienst, sondern privat unterwegs. Was zwischen den beiden Männern passierte - dazu hörte der Richter zwei unterschiedliche Versionen. Er glaubte dem Polizisten.

Der entscheidende erste Zusammenstoß geschah auf der Kampstraße, zwischen Commerzbank und Café Extrablatt. Thomas F. ging die Straße entlang, Murat M. kam ihm in seinem Mercedes entgegen. Laut Murat M. lief der Polizist mitten auf der Straße und schrie ihn an, weil er zu schnell fahre. "Ich dachte, der ist vielleicht besoffen." Thomas F.s Schilderung war eine ganz andere: Murat M. sei in dem Wagen auf ihn zu "geschossen", habe das Seitenfenster runter gefahren und ihn als "Wichser" beschimpft.

Das habe er erst mal auf sich beruhen lassen, sagte Thomas F. - bis es ein paar Tage später zur zweiten Begegnung kam, diesmal auf dem Parkplatz zwischen Sparkasse und Netto-Markt. Murat M. sagt: Er habe Thomas F. zur Rede stellen wollen wegen eines Tritts, den F. dem Mercedes auf der Kampstraße versetzt haben soll. Thomas F. sagt: M. habe ihn aufs neue "Wichser" genannt und ihm Schläge angedroht. Ende der Geschichte: F. zog seinen Dienstausweis, um zu deeskalieren, und rief die Kollegen von der Kamener Wache zu Hilfe.

Murat M.s Verteidiger zog die Version des Polizisten in Zweifel. Tatsächlich wirkte der Beamte ein wenig angefasst. Er erklärte auch, warum: Seit einem Unfall sei er dienstunfähig; ein Airbag sei ihm auf die Ohren geknallt, sein Gehör sei geschädigt - und vom Geschehen auf der Straße habe er seitdem eine andere Wahrnehmung als andere Leute: "Ich reagiere ein bisschen allergischer." Drum habe er auch erst "stocksteif da gestanden", als Murat M. in der Kampstraße auf ihn zu gefahren sei.

Murat M. wurde 2013 der Führerschein entzogen. Seit er einen neuen hat, läppern sich in Flensburg schon wieder die Einträge - unter anderem fuhr er über eine Ampel, die schon länger als eine Sekunde Rot zeigte, und überbot bei anderer Gelegenheit die zulässige Geschwindigkeit um 48 Kilometer pro Stunde. Richter Klopsch war überzeugt: Autofahrer Murat M. fühlte sich im Dezember 2017 von dem vor ihm spazierenden Thomas F. gemaßregelt und wurde laut - ein "leider sehr verbreitetes Verhalten". Klopschs Alternativvorschlag: entspannt miteinander sprechen - und sich vielleicht sogar für Fehlverhalten entschuldigen.