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Werning-Prozess: Bewährungsstrafe scheint möglich

Geschrieben von Redaktion am . Veröffentlicht in Gerichtsberichte

landgericht19AM

von Andreas Milk

Kamen. Eine Bewährungsstrafe ist möglich für Kamens frühere Vize-Bürgermeisterin Bettina Werning - vorausgesetzt, sie liefert ein "umfassendes und von Einsicht getragenes Geständnis". Das erklärte heute der Vorsitzende der Wirtschaftsstrafkammer am Landgericht Dortmund. Vorausgegangen war ein nichtöffentliches Gespräch zwischen Staatsanwältin und Berufsrichtern sowie Wernings Verteidiger. Der wiederum verlas danach öffentlich für seine Mandantin eine Erklärung, in der es heißt: "Ich schäme mich zutiefst." Was in der Anklage stehe, räume sie "vollumfänglich" ein.

Die inzwischen 58-jährige Bettina Werning soll als Buchhalterin eines Elektrofachmarktes in Kamen und Menden von 2012 bis 2017 mehr als 460.000 Euro unrechtmäßig aufs eigene Konto gelenkt haben. So weit der strafrechtlich bedeutsame Teil - frühere Betrugstaten sind verjährt. Ein Prozess vor dem Arbeitsgericht endete mit einem Vergleich: Werning erkannte darin an, 710.000 Euro zurückzahlen zu müssen.

Die gelernte Steuerfachgehilfin war - verheiratet, Mutter einer kleinen Tochter - 1994 zu dem Elektrohandel gekommen. Dort hatte sie eine Halbtagsstelle. Laut der vom Anwalt verlesenen Erklärung war wohl eine Art Aha-Erlebnis Auslöser für das strafbare Handeln. Werning sollte einem Mitarbeiter 1.500 Euro Weihnachtsgeld überweisen - schickte aber aus Versehen 15.000 Euro. Niemandem sei das aufgefallen - mit Ausnahme des Mitarbeiters, der sich prompt meldete. Werning war inzwischen von ihrem Mann getrennt, hatte Sorgen um ihr Auskommen, weil - wie sie sagt - der "Ex" Geld schuldig blieb. Weil sie das Vertrauen der Geschäftsführer hatte, gingen in den Folgejahren falsche Gehaltszahlungen unbeanstandet durch. Überweisungsdateien wurden von den Chefs freigegeben, Detailaufstellungen nicht geprüft, ließ Werning ihren Anwalt schildern. Erfundene Wareneingänge zum Ausgleich von Kontobelastungen seien problemlos abgehakt worden. Auch Steuerberater und Betriebsprüfer des Finanzamtes hätten nichts bemerkt.

Wernings Erklärung widerspricht Spekulationen, das Geld sei irgendwo gehortet worden. Vielmehr habe sie es "zeitnah im Rahmen des täglichen Konsums verbraucht", Urlaubsreisen und Geschenke davon bezahlt. Außer dem Elektrohandel habe niemand finanziellen Schaden erlitten, erklärt die Frau, die bei den Grünen engagiert war und in der evangelischen Gemeinde das Amt der Finanzkirchmeisterin ausübte.

Heute sei sie dankbar, dass sie neue Arbeitgeber habe, die ihr - trotz allem - eine Chance gäben. "Ich weiß, dass mich eine gerechte Strafe erwartet." Sie hoffe, nicht in Haft zu müssen, und sei bereit zu gemeinnütziger Arbeit.

Im Dezember wird der Prozess am Landgericht fortgesetzt.

Klarstellung vom Ex-Mann: "Nichts schuldig geblieben"
Kamen. Zum Prozess gegen Kamens frühere Vize-Bürgermeisterin Bettina Werning wegen Betrugs hat sich an diesem Montag, 2. Dezember, ihr geschiedener Mann Eckhard Werning bei uns gemeldet. Er legt Wert darauf festzustellen, dass er seiner Exfrau nichts schuldig geblieben sei. Bettina Werning hatte ihren Anwalt vor dem Landgericht Dortmund erklären lassen, aus finanzieller Not und Sorge um ihr Auskommen gehandelt zu haben. Ihr früherer Ehemann sagt: "Ich bin ihr nicht einen Cent schuldig geblieben." Vor dem Amtsgericht Kamen sei sie mehrfach mit Klagen gegen ihn gescheitert. Das lasse sich jederzeit überprüfen.

Archiv: Werning-Prozess: 40 Minuten für die Anklage