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Illegales Rennen auf der A 2: Geldbußen oder Mammut-Verfahren

Geschrieben von Redaktion am . Veröffentlicht in Gerichtsberichte

amtsgerichtKamen AMvon Andreas Milk

Kamen. Es war gegen zwei Uhr in der Nacht auf der A 2 in Richtung Hannover, in der Nähe des Kamener Kreuzes. Die Insassen eines SUV bekamen am 15. September 2019 ein "Schauspiel" zu sehen, wie es eine von ihnen heute im Kamener Amtsgericht ausdrückte. Sie habe eine "Wand von Bremslichtern" vor sich gehabt. Beteiligt gewesen seien mehrere "sehr beeindruckende" Wagen, durchweg mit mehreren hundert PS ausgestattet. Ein so genanntes Beschleunigungsrennen war im Gange. Dabei bildeten jeweils drei der hochmotorisierten Geschosse eine Blockade nach hinten, fuhren also nebeneinander auf den drei Spuren in niedrigem Tempo, um die "Rennstrecke" vor sich frei zu halten. Drei mutmaßlich Beteiligte saßen jetzt als Angeklagte im Gericht; zwei weitere waren dem Termin fern geblieben.

Statt um die Sache selbst ging es allerdings fast ausschließlich um die Frage, wie das Verfahren am sinnvollsten zu erledigen sei. Eine unglückliche Rolle spielt bei dem Ganzen die Staatsanwaltschaft Dortmund. Sowohl der Richter als auch die Verteidiger äußerten sich dazu kritisch.

Die Staatsanwaltschaft hatte es in fast zehn Monaten nicht geschafft, die Handys der Beschuldigten auszuwerten und festzustellen, ob es denn eine Verabredung zu einem Autorennen auf der Autobahn gab. Die Männer bestreiten das. Zu dem Verhandlungstermin wurde - obwohl der Fall recht komplex ist - eine Referendarin geschickt. Im entscheidenden Moment musste sie passen: Der Richter hatte angeregt, die Verfahren gegen Zahlung stattlicher Geldbußen an gemeinnützige Einrichtungen einzustellen. Damit konnte sich die Vertreterin der Staatsanwaltschaft zwar anfreunden - durfte aber nicht selbstständig zustimmen. Vielmehr musste sie ihre Ausbilderin anrufen. Und die sagte - obwohl sie mit dem Fall nie näher befasst war und sich erst recht keinen persönlichen Eindruck von den Angeklagten machen konnte - "Nein".

So hirnrissig ein nächtliches Rennen auf der Autobahn sein mag: In diesem Fall wurde nach Aktenlage niemand behindert oder gefährdet. Die beteiligten Fahrer verloren schon jeweils für sieben Monate den Führerschein - so lange dauerte es, bis das Gericht sie nach Beschlagnahmung durch die Polizei wieder herausrückte. Die jungen Männer (und ihre Anwälte) wohnen in verschiedenen Ecken Deutschlands, was weite Anreisen zum Gericht zur Folge hat. Es gibt mehrere Zeugen, die für eine Verurteilung aussagen müssten. Das erhöht das Risiko, dass sich die Sache zum Mammmut-Verfahren auswächst.

Resultat des Tages am Gericht: Gegen die drei erschienenen Angeklagten wurde die Verhandlung ausgesetzt. Der Richter will versuchen, den zuständigen Dezernenten bei der Staatsanwaltschaft doch noch für eine Einstellung zu gewinnen. Das Trio hat sich bereit erklärt, in diesem Fall je 1.500 Euro Buße für einen guten Zweck zu zahlen. Gegen die beiden fehlenden Männer wurden per Strafbefehl Haftstrafen auf Bewährung verhängt. Einer von ihnen war seinerzeit gefahren, ohne einen Führerschein zu besitzen.

Kommt doch noch die Zustimmung zur Verfahrenseinstellung, ist die Angelegenheit erledigt; die beiden abwesenden Angeklagten allerdings können davon unabhängig Einspruch gegen ihre Strafbefehle einlegen. Verweigert der Dezernent in Dortmund die Zustimmung, geht es frühestens im Herbst weiter - oder besser: von vorne los. Der Richter schien sich nicht ganz sicher, ob er ein Urteil bis zu seiner Pensionierung schafft. Die soll 2022 sein.