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"Toxische Beziehung": Zwei Jahre - 17 Trennungen

Geschrieben von Redaktion am . Veröffentlicht in Gerichtsberichte

amtsgericht19KWvon Andreas Milk

Kamen. Über den Ausgang eines Verhandlungstermins im Amtsgericht entscheiden oft Leute, die gar nicht dabei sind. Der Grund: Häufig - oder sogar: in der Regel - wird die Staatsanwaltschaft in Prozessen vorm Strafrichter nicht durch einen "fertigen" Staats- oder Amtsanwalt vertreten, sondern durch einen Referendar. Der darf zwar alles Mögliche beantragen, aber nichts entscheiden. Eine Entscheidung aller Prozessbeteiligten braucht es aber, um ein Verfahren ohne Schuld- oder Freispruch einzustellen. Bahnt sich eine solche Verfahrenseinstellung an, muss der Staatsanwalts-"Azubi" mit seinem Ausbilder telefonieren und sich dessen Okay holen. Ende des Vorworts.

Der Kamener Tobias M. (Name geändert) war wegen Nachstellung, Beleidigung und Bedrohung angeklagt. Die Geschädigte: seine damalige Freundin. In ihrem Namen soll er Instagram-Accounts angelegt und Nacktbilder von ihr verbreitet haben; per SMS habe er ihr mit Mord und Selbstmord gedroht, ihr obendrein mitgeteilt, ihre Vergewaltigung in Auftrag gegeben zu haben - und noch so einiges andere mehr.
Im Gerichtssaal sprach er von einer "sehr toxischen Beziehung": 17 Trennungen in zwei Jahren; ein Zusammenbruch ihretwegen, der in einen LSD-Trip mündete; psychiatrische Behandlung - das sind nur einige von vielen Stichworten aus M.s Aussage. Mitten im Tatzeitraum - er erstreckte sich laut Staatsanwaltschaft von Februar bis September 2021 - machte das Paar gemeinsam Urlaub in Amsterdam. "Nebenbei" wurden M.s Eltern schwer krank, und er erfuhr, dass seine Freundin ihn betrog.

Sie beide hätten sich gegenseitig fertig gemacht - er habe die Frau aber nie öffentlich bloßstellen oder ihr Leben ruinieren wollen, erklärte M. der Richterin. Und zumindest für die falschen Insta-Accounts sei er nicht verantwortlich. Aus den Akten ergab sich, dass es sich kaum um heimliche Aufnahmen gehandelt haben kann: Die Frau posiert.

Fazit: Da waren die beiden Falschen aneinander geraten. Und alle Prozessbeteiligten waren gewillt, das Verfahren gegen Zahlung einer Geldbuße an eine gemeinnützige Einrichtung einzustellen, statt M. das Führungszeugnis für eine spätere Bewerbung als Streetworker mit einer Vorstrafe zu verhunzen. (Es wäre leider seine zweite.)

Doch die Ausbilderin der Referendarin wollte nicht. Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder, Richterin oder Verteidiger erreichen nachträglich doch noch ein Einlenken - oder es gibt einen neuen Termin, zu dem M.s Verflossene als Zeugin anreisen müsste. Das wird ein weiter Weg: Sie wohnt mittlerweile in München.