Vergewaltigt? - Verdacht bleibt ungeklärt
von Andreas Milk
Kamen. Ungewöhnlicher Fall vor dem Jugendrichter: Die inzwischen 22-jährige Chantal D. (Name geändert) glaubt, dass sie vor ein paar Jahren im Schlaf vergewaltigt wurde - ohne davon das Geringste mitbekommen zu haben. Sie erstattete damals Anzeige bei der Polizei gegen den mutmaßlichen Täter. Das brachte ihr nun selbst einen Prozess - und zwar wegen falscher Verdächtigung. Dazu kamen drei Fälle von Schwarzfahren mit der Bahn.
Die angebliche Vergewaltigung geschah in einer Wohnung in Soest, in einer ausgesprochen chaotischen Übernachtungssituation mit rund einem halben Dutzend Leute in einem Zimmer. Dass sich jemand an ihr vergangen haben soll, erfuhr die junge Frau von einem Bekannten, der das beobachtet haben will. Nachgewiesen wurde nie etwas. Sie selbst berichtete jetzt, einen geradezu krankhaft tiefen Schlaf zu haben - um sie herum könne es laut werden, ohne dass sie aufwache. Chantal D.s Vorgeschichte: fetales Alkoholsyndrom - die Mutter hatte in der Schwangerschaft getrunken -, groß geworden in Pflegefamilien, zeitweise obdachlos. Inzwischen hat sie einen Sohn. Auf ihren Wunsch hin ist er bei Pflegeeltern. Sie selbst lebt mit ihrem Verlobten zusammen.
Was die falsche Verdächtigung angeht, stellte der Richter das Verfahren ein. 150 Euro ans Sozialwerk St. Georg muss Chantal D. zahlen, weil sie drei Mal ohne Fahrkarte in der Bahn erwischt wurde. Sie sagt, sie sei unterwegs gewesen, um Sachen bei ihrer leiblichen Mutter unterzustellen. Derzeit wird Chantal D. von einer Mitarbeiterin des Jobcenters gecoacht - mit dem Ziel, der Kamenerin eine berufliche Orientierung zu verschaffen.