Zugedröhnt übern Lidl-Parkplatz: Anklage "ganzer Roman"
von Andreas Milk
Kamen. Gemessen an seiner Vorgeschichte, hätte es für den Bergkamener Paul G. (Name geändert) jetzt eigentlich nur noch eins geben dürfen: Knast. 2019 war er wegen Drogenhandels zu zwei Jahren und fünf Monaten Gefängnis verurteilt worden; einen Teil saß er ab - die Bewährungsfrist für den Rest endet erst 2025. Und nun saß er schon wieder auf der Anklagebank. Statt einer gab es beim Termin vor dem Kamener Strafrichter gleich drei Anklagen gegen ihn. "Ein ganzer Roman", sagte der Richter.
Im vorigen Jahr war G. demnach erstens ohne Führerschein über die A2 bei Bönen gerauscht - rein in eine Radarkontrolle. Zweitens gurkte er mit seinem Auto betrunken und unter Einfluss von Amphetamin über einen Parkplatz der Firma Lidl in Dortmund. Mit im Wagen: seine Tochter, wenige Monate alt - eine Zeugin sorgte sich um die Kleine und rief die Polizei an. Drittens "rasierte" er eine Verkehrsinsel an der Bergkamener Jahnstraße - es entstand geringer Sachschaden an Schild und Bordstein - und beging Unfallflucht. Betrunken und ohne Fahrerlaubnis war er auch da.
Scheinbar also ein hoffnungsloser Fall. Doch es gibt ein paar "Abers". Paul G. hat einen Vollzeitjob - hart, aber eher mäßig bezahlt. Er nahm eine Therapie auf sich, um sein Drogenproblem in den Griff zu kriegen sowie seine Ehe und Familie zu retten. Und: Was den Anklagevorwurf des Fahrens ohne Führerschein angeht, war Paul G. selbst ein Opfer. Er wähnte sich im Besitz einer Fahrerlaubnis, nachdem er in Belgien eine Fahrprüfung absolviert hatte - mutmaßlich bei einer betrügerischen Firma. G. nahm dafür gar einen Scheinwohnsitz im Nachbarland an. Und immerhin war das belgische Papier so gut, dass es nach der Nummer auf dem Lidl-Parkplatz durch die Hände von Polizisten ging, ohne dass sie Verdacht schöpften. Sieht man genauer hin, merkt man: Es fehlt jedes Sicherheitsmerkmal.
"Sie haben sich eine Menge erarbeitet", gestand der Richter dem Angeklagten zu. Das Urteil: neun Monate Haft - ausgesetzt zur Bewährung. Dazu kommt eine Buße von 600 Euro an das Land. Und: Frühestens in einem Jahr darf Paul G. einen - echten - Führerschein erhalten.