Kamen. (AG) Ein Drittel der von Wohnungslosigkeit betroffenen Menschen in Deutschland sind weiblichen Geschlechts. Auch im Kreis Unna gibt es mehrere Hundert obdachlose Frauen, teils mit minderjährigen Kindern, die das Frauenforum des Kreises seit 2019 betreut. Auf Antrag der CDU-Fraktion im Rat der Stadt Kamen referierte jetzt Britta Buschfeld von der wichtigen Einrichtung über Arbeit und Erfolge des Frauenforums.
Das Kreis-Frauenforum steht auf vier Säulen: Dem Frauenhaus, in dem Opfer häuslicher Gewalt eine Anlaufstation finden, die Frauen- und Mädchenberatungsstelle, in der die Betroffenen psychosoziale Betreuung finden, Wohnungsnotfallhilfe für Frauen und Mütter ab 18 Jahren sowie die mobile Wohnhilfe für Frauen, die von Obdachlosigkeit bedroht oder bereits betroffen sind. 264 obdachlose Frauen, davon mehr als 200 Mütter von Minderjährigen, seien in den letzten drei Jahren vom Frauenforum des Kreises Unna aufgefangen worden, berichtete Betreuerin Buschfeld, 85 von ihnen hätten einen Migrationshintergrund. Die Dunkelziffer könnte noch weit höher liegen, weil viele Frauen nach dem Verlust ihrer Wohnungen etwa bei Freunden oder Verwandten in prekären Wohngemeinschaften Unterschlupf suchten, vielen von ihnen sei die Wohnungslosigkeit schlicht zu peinlich, um sich Hilfe von öffentlicher Seite zu holen. Dies sei mit einer der wesentlichen Unterschiede zischen weiblicher und männlicher Wohnungslosigkeit: Männer gingen offener mit dem Problem um, sagt Britta Buschfeld. Bei Frauen komme es deshalb vermehrt zu versteckten Fällen von Wohnungslosigkeit, außerdem seien Frauen und ihre Kinder nicht voneinander getrennt zu betrachten, sodass pro Fall oft mehrere Menschen beteiligt sind. In Kamen betreut wurden in den letzten drei Jahren 18 Frauen zwischen 23 und 70 Jahren, und 13 Kinder. Der Trend gehe dahin, dass die Zahl junger Frauen mit kleinen Kindern in der letzten Zeit stark angestiegen ist, viele seien kaum erreichbar – und wenn, dann oftmals nur über digitale Wege.
Viele von ihnen seien psychisch labil, aggressiv und überfordert, die Corona-Krise habe massiv zu dieser Entwicklung beigetragen, berichtet Buschfeld. Aber auch Altersarmut, nicht mehr zu stemmende Wohnnebenkosten und Schulden seien oft Ursache für weibliche Wohnungslosigkeit. Untersuchungen hätten ergeben, dass jede fünfte Frau ab 65 Jahren armutsgefährdet ist, daran werde sich auch in den nächsten 20 bis 30 Jahren nichts ändern. Nicht alle obdachlosen Frauen könnten vermittelt werden, „es bleiben immer noch besonders schwere Problemfälle übrig“, sagt sie. Manchmal hapere es auch schlicht an den Kapazitäten. In der Kamener Frauenübernachtungsstelle etwa stehen sieben Schlafplätze in sechs Zimmern zur Verfügung, zwei Anfragen hätten in letzter Zeit aus Platzmangel abgelehnt werden müssen. Auch die schwache Personaldecke sei ein strukturelles Defizit. Man brauche rasch neue kommunale Konzepte, um das Problem zu bekämpfen, außerdem empfiehlt Buschfeld den Einsatz von mehr Streetworkern, um überhaupt in Kontakt mit den Frauen zu kommen. Hoffnung setzt Britta Buschfeld auf die Förderung seitens der Sozialstiftung NRW, die in diesem Jahr starten und bis 2027 laufen soll. Ratsfrau Tanja Brückel von der Fraktion Wählergemeinschaft Kamen wies darauf hin, dass die Unterbringung von Wohnungslosen nicht nur eine kommunale Pflichtaufgabe ist, sondern im Rahmen des Nationalen Aktionsplans, den die neue Bundesregierung aufgestellt hat, die Wohnungs- und Obdachlosigkeit in spätestens fünf Jahren bundesweit überwunden sein soll. „Dafür fehlt in Kamen noch jegliches Konzept“, mahnte Brückel Rat und Verwaltung zur Eile.