-Anzeige-

Anzeige

Mit Corona ins Museum: So fühlt sich Kulturfutter für Ausgezehrte an

Geschrieben von Redaktion am . Veröffentlicht in Kunst & Gestaltung

Museum321KB 1von Katja Burgemeister | Fotostrecke >>>

Kamen. Gerade erst haben die Museen wieder leidlich geöffnet. Schon klettern die Corona-Inzidenzzahlen wieder mit atemberaubendem Tempo nach oben. Wenn nicht jetzt, wann dann? Nach Monaten des Kulturentzugs wenigstens ein Museumsbesuch und ein Hauch von Nahrung für die verschrumpelten Grauen Zellen! Bitte!

Ich hänge mich ans Handy um festzustellen, dass die Website des Museums für Internationale Lichtkunst in Unna nicht eben mobil ist. Dann eben abends am PC. Als sich die Seite mit den Tickets endlich vor mir aufbaut sind natürlich fast sämtliche buchbaren Termine in den nächsten drei Tagen ausverkauft. Die einzigen Stunden, die für den 60-minütigen geführten Besuch noch frei sind, haben nur ein Ticket zu bieten. Meine ursprünglich geplante Begleitung muss dann eben eine Stunde warten – und ich anschließend auch. Auch gut. Ich klicke mich durch zig Optionen, gebe sämtliche Daten von mir preis, bezahle mir online einen Wolf und lade mich halb zu Tode, um die endlich erkämpften Tickets auf das Smartphone zu befördern. 2 Stunden später: Geschafft.

Endlich ist es dann so weit. Der Museums-Scanner hat anstandslos meinen Barcode auf dem Handy als Ticket identifiziert. Ohne viel Tamtam stehe ich am Treffpunkt für die Führung. Am Ende warten 11 weitere Menschen mit mir. Alle medizinisch korrekt maskiert. Mit den geforderten 2 Metern Abstand klappt es auch. Zunächst. Bis wir in die Unterwelt der einstigen Lindenbrauerei hinabsteigen. Das geht nur im Entenmarsch schön nacheinander. Für die meisten Menschen generell ein Ding der Unmöglichkeit. So auch hier. Da alle bereits an ihren Handys herumfummeln, dauert es nicht lang und die ersten Mitbesucher stehen meinen Fersen. Dem einzigen Kind in der Gruppe ist schon nach drei Metern langweilig. Jemand übersetzt parallel seiner Begleiterin ins Englische, während die Fachfrau irgendwo ganz vorn in der Reihe ihr Bestes gibt.

Auf einer meterlangen schmalen Stahltreppe sehr viele Meter über dem Boden zerfallen Corona-Abstände und die Verständlichkeit zu Schall und Rauch. Heine Heine schwappt zu mir herüber, Deutschland ein Wintermärchen, ein Freund in Unna, Erwähnung. Offenbar hat der illuminierte Spruch unter meinen Füßen etwas damit zu tun. Eindrucksvoll. Im nächsten Raum verteilen Discokugeln Buchstaben in einem Affenzahn als Lichtspiele an die arg ramponierten Industriewände. Womit es damit auf sich hat, verhallt in den Privatgesprächen hinter mir. Tief unter der Erde, wo vor noch weniger als einem halben Jahrhundert Bierfässer von einer Katakombe in die nächste wanderten, tun sich noch ganz andere Welten auf.

Tränen tropfen mal rot, dann wieder blau von den tonnengewölbten Wänden. In einer Nische küssen sich zwei Männerköpfe als Film-Illumination. Der Blick in einen Raum mit rotem Viereck lässt das Bewusstsein ein wenig aus der Fassung geraten. Damit ist dann fast ganz vorbei, als im nächsten Raum plötzlich Wasser in dichten Netzen von der Decke prasselt, begleitet von ohrenbetäubendem Getöse und Lichtergewitter. Wer hier ein Problem mit dem Gleichgewichtssinn hat, kommt ins Schleudern. Im nächsten Raum glimmen rote Linien hinter einer übriggebliebenen gewaltigen Maschine für irgendwas längst Vergangenes auf. Direkt daneben tragen antik anmutende Säulen das elegante Gewölbe. Fast wäre es, als würde wir in einem Tanzsaal auf die einsetzende Musik warten. Der Vater wirbelt auch gleich sein Kind als Flugzeug durch den Raum. Ob das coronakonform ist, sei dahingestellt. Stattdessen leuchten duchgestrichene Zähl-Striche an der Wand auf – fast wie im Knast. Irgendwie auch wie eine Drohung.

In Harz gefangenes Gewebe funkelt im Lichtstrahl. Abstrahierte Wasserpflanzen mit bewegten Spiegeln werfen Schatten und Licht an die Wand. Fotos verschwinden im Lichternebel. Künstler werden zur Werbetafel. Die 60 Minuten sind um, dabei warten in den Winkeln, Ecken und Räumen eigentlich noch viel mehr Entdeckungen. Egal, besser als nichts. Die Bilder sind im Kopf und reichlich Fragen, die nach Antworten suchen, dazu. Endlich mal wieder. Und vorerst wohl auch einmalig, denn schon 24 Stunden später ist die Inzidenz-Schallmauer schon wieder überschritten… Fotostrecke >>>

Archiv: Endlich wieder… Wie sich der erste Zoo-Besuch nach dem Lockdown-Entzug anfühlt

 

Museum321KB 2