Musikkritik: Eine Glanzstunde Kamener Musikgeschichte
von Dr. Götz Heinrich Loos
Es ist nichts Neues, über Kamens Chöre und die Neue Philharmonie Westfalen überschwänglichen Lob auszuschütten. Und immer gibt es kritische Stimmen, die eine zu positive Kritik „aus der Provinz“ zu relativieren suchen. Aber statt sich mit Vergangenem und Kritikasterhaftem aufzuhalten, sollte man sich vielmehr an dem orientieren, was kürzlich erklungen war und daran seine Bewertungen festmachen. Und dabei zeigt sich – nun eben wieder einmal – die Erstklassigkeit der genannten Ensembles. Als Festkonzert zum 50jährigen der „Neuen Stadt Kamen“ war am Samstag in der Konzertaula zunächst Carl Orffs berühmte „Carmina Burana“ zu hören. Abschließend folgte eine kurze, aber feine Uraufführung: „Die Hymne zum 50. Jubiläum der Stadt Kamen“ unter dem Titel „Stadt Kamen: Glück auf!“, im Untertitel noch „Carmen Camensis“ (also das „Kamener Lied“ auf deutsch); komponiert von Kamens musikalischem MastermindReinhard Fehling. Die Beschäftigung mit letztgenanntem Werk erforderte etwas Zeit, so dass die Rezension etwas verzögert erscheint, aber hoffentlich noch auf Interesse stößt.
Die Aufführung wurde neben der Neuen Philharmonie Westfalen und den beiden bewährten Gesangssolisten Bettina Lecking (Sopran) und Michael Dahmen (Bass) von einem gewaltig großen Chor gestemmt, dessen Hauptteil aus dem Oratorienchor der Stadt Kamen bestand, hinzu kamen der Evangelische Kammerchor Kamen, der Chor „Die letzten Heuler“, der Kinder- und Jugendchor Kamen, der Kinderchor der Evangelischen Kirchengemeinde sowie Chor-Projektsänger. Einstudiert wurden die Chöre von ihren jeweiligen Leitern, neben Franz-Leo Matzerath also Kirsten Schweimler-Kreienbrink und Reinhard Fehling, die auch im Chor mitsangen. Dirigiert wurde der große musikalische Apparat von Franz-Leo Matzerath.
Die „Carmina Burana“ gehören zum Populärsten, was die klassische Musik hergibt, wobei damit eigentlich der Eingangschor „O Fortuna“ gemeint ist. Den großen Rest der „weltlichen Gesänge“ aus der Benediktbeurer Handschrift kennen meist nur Freunde der klassischen Musik oder explizit dieses Werkes. In Kamen wurden die „Carmina Burana“ immer wieder in mehr oder weniger großen zeitlichen Abständen aufgeführt, stets in sehr hörbaren Aufführungen; seit Beginn meiner Rezensententätigkeit durfte ich wiederholtgroßartige Interpretationen hören. Der Anspruch an diese Aufführung war entsprechend hoch. Tatsächlich war der Riesenchor wie das Ensemble plus Solisten insgesamt herausragend, Schwächen in irgendeiner Form konnte ich nicht heraushören, abgesehen davon, dass die Männerstimmen am Anfang erst in der Dynamik etwas „warm werden“ mussten, was sich aber schnell einstellte. Bei der Überzahl an Frauenstimmen mitzuhalten, war sicherlich auch nicht immer einfach. Die beiden Kinderchöre konnten ihre Beiträge teilweise in erstaunlicher musikalischer Professionalität vorbringen – und wenn es dann doch mal bei einzelnen Stellen etwas patzte, war das eher putzig und rührend als eine Qual für die Ohren!