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Musikkritik: 6. Sinfoniekonzert: „Attraktionen“ – eines erstklassigen Orchesters und einer individuellen, glänzenden Sopranistin

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Pixabay.comvon Dr. Götz Heinrich Loos

Kamen. Mit dem Motto „Attraktionen“ für das 6. Sinfoniekonzert dieser Saison der Neuen Philharmonie Westfalen am Mittwochabend in der Konzertaula war kein Zirkus gemeint, sondern Jahrmärkte und besonders – weil Februar – der Karneval. Und so startete das Orchester unter Generalmusikdirektor Rasmus Baumann den Abend mit Dvořáks Konzertouvertüre A-Dur op. 92 B. 169, die den Titel „Karneval“ trägt, eigentlich Teil einer Ouvertüren-Trilogie namens „Natur, Leben und Liebe“ – für die mittlere der drei wählte er eben diesen „Karneval“, was natürlich bezeichnend für die Meinung des Komponisten über das Leben zu sein scheint: Das pralle, lustvolle, beschwingt feiernde Leben… Genauso ist die Ouvertüre auch gestaltet; was mich dabei immer wieder fasziniert, wie es hier geschafft ist, das Ende des Werkes möglichst herauszuzögern – mit einer Anzahl an „Scheinenden“, bis schließlich doch der Schlussakkord geschafft ist. Nun ist aber das „Leben“ selbst im Karneval doch nicht immer fröhlich, gibt es doch auch Abschnitte in Moll und zarten Holzbläsertönen, am Schönsten in den Passagen des Englischhorns (das ja nicht allzu viel später im zweiten Satz der „Neuen Welt“-Sinfonie eine ähnlich melancholisch-zarte Hauptrolle erhalten sollte). Die Interpretation entsprach in Allem dem, was ich an Vorstellungen mitgebracht hatte und überzeugte – wieder einmal – durch die Kombination von technischer Perfektion und tiefgehend emotionaler Ansprache. Ein großartiger Applaus zeigte, dass das Publikum von Werk und Interpretation begeistert war.

Musikkritik: 5. Sinfoniekonzert: „Südstaaten“ – eine farbige Palette üppiger Musik mit viel eingebautem Jazz

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Kamen. Nun könnte man den oben verwendeten Begriff „farbig“ unter heutigen Vorzeichen als politisch nicht ganz korrekt verstehen, mir also eine Doppeldeutigkeit in der Auslegung dieses Begriffes hier zurechnen. Das mag ja jede/-r denken, wie er/sie möchte. Tatsache ist, dass das Programm, das die Neue Philharmonie Westfalen und GMD Rasmus Baumann am Mittwochabend in der Konzertaula präsentierten, nicht einseitig die landschaftliche Schönheit und die Sozialromantik des Lebens in den Mittelpunkt ihrer „Südstaaten“ stellten, sondern nicht weniger die aus Rassismus und Armut unter den Afroamerikanern resultierenden Probleme, die trotz vielerlei Verbesserungen dort bis heute nicht grundsätzlich ausgeräumt sind.

Musikkritik: Neujahrskonzert mit Bewährtem, seltener Gehörtem und hervorragenden Beteiligten

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Pixabay.comvon Dr. Götz Heinrich Loos

Kamen. Das Neujahrskonzert am Sonntag in der Konzertaula brachte die Großpolnische Philharmonie Kalisch auf die Bühne. Dieses Orchester gehört zu den klanglich professionellsten Regionalorchestern Polens, hat aber auch internationale Meriten vorzuweisen, so gewann es 2014 für eine Aufnahme unter seinem Chefdirigenten Adam Klocek den Grammy in der Kategorie "Best Large Jazz Ensemble". Diese Auszeichnung belegt zugleich die Vielseitigkeit, mit der dieses Orchester zu Werke geht. Auch ist es im Guinness Buch der Rekorde mit dem am tiefsten aufgeführten Konzert der Welt verzeichnet: Vivaldis "Vier Jahreszeiten" in der Klodawa-Salzmine 600 Meter unter dem Meeresspiegel.
Dieses kleine, aber feine Sinfonieorchester war also zu Gast in Kamen. Dirigent und Moderator war aber nicht der Chefdirigent, sondern Hermann Breuer, der in Kamen wiederholt Neujahrskonzerte geleitet hatte und für seine kurzweiligen Moderationen hier sehr geschätzt ist. Das gewählte Programm war dann auch sehr abwechslungsreich - umfasste Neujahrs-"Dauerbrenner" und weniger bekannte Werke, die es sich aber anzuhören sehr lohnt. Hinzu kam als Solist der polnische Tenor Dariusz Pietrzykowski, dessen Namen auszusprechen Hermann Breuer einige Übung abverlangte, wie er einige Male betonte - und dafür jedes Mal Applaus bekam. Der Betroffene nahm es mit Humor, so war er unversehens "hinterrücks" auf die Bühne gekommen und überraschte Breuer so mit spitzbübischem Lächeln.
Grundsätzlich: Was das Publikum qualitativ zu hören bekam, war hochwertig. Wie viele osteuropäische Orchester, ist auch die Großpolnische Philharmonie Kalisch eine Gemeinschaft vieler ausgezeichneter Musikerinnen und Musiker, denen die verschiedenartigen Stücke keinerlei Schwierigkeiten bereiteten. Ebenso bot Dariusz Pietrzykowski - übrigens auch nicht leicht zu schreiben - Tenorarien mit Intensität, kräftiger Stimme und glänzender Ausdruckskraft. Nicht verschwiegen werden soll, dass er bei seinem ersten Auftritt (Arie des Nadir "Je crois entende" aus Bizets Oper "Die Perlenfischer") am Ende in hohen Lagen etwas ins Schlingern geriet, was auch dem Publikum ohrenscheinlich auffiel; aber in dieser Erkältungszeit kann eine Stimme mal etwas aus den Fugen geraten - der gesamte Rest seiner Auftritte war vom Feinsten.
Das Konzert begann aber mit der Ouvertüre aus Franz von Suppés Operette "Die schöne Galathée", gefolgt von der vielfach ebenfalls außerhalb des Konzertsaals verwendeten Farandole aus Bizets "L'Arlésienne". Brillant kann die Interpretation beider Werke genannt werden. Gleiches gilt für den Galopp aus "Jeux d'enfants", ebenfalls von Bizet. Da den meisten Zuhörerinnen und Zuhörern wohl Bizet im Wesentlichen durch "Carmen" bekannt war, muss diese Auswahl als sehr gelungen bezeichnet werden, um zu zeigen, dass Bizet doch mehr konnte. Die Ouvertüre zu Donizettis Oper "Don Pasquale" ist sicher kein unbekanntes Werk, wird aber auch nicht zu oft gespielt, so dass auch dieser Wurf als gelungen angesehen werden kann. Wenn der Kritiker dann doch etwas zetern muss, dann kann es lediglich um Details gehen, so hätten in der Farandole die Holzbläser ihre Melodien etwas besser herausschälen können, deutlicher und pointierter - aber das sind wirklich keine Aspekte, die den Gesamteindruck beeinträchtigen können.
Dariusz Pietrzykowski kam ganz perfekt und strahlend heraus bei Johann Strauß' (Sohn) "Als flotter Geist" aus dem "Zigeunerbaron". Der erste Teil des Konzertes endete mit der Bacchanale aus Saint-Saens' "Samson und Dalila" - traumhaft interpretiert, mit einer stimmlichen Stärke, wie man sie bei einem kleineren Orchester kaum erwartet. Der Klang dieses Werkes war dann ebenso ganz anders als alles, was man zuvor gehört hatte; Saint-Saens war eben ein besonderer Genius.
Nach der Pause folgte als erstes die Ouvertüre aus Johann Strauß' (Sohn) Operette "Indigo und die 40 Räuber" bzw. später als "Tausend und eine Nacht" bekannt. Das Orchester spielte, als wenn es nie etwas anderes als den Straußschen Wiener Klang verinnerlicht hatte - herausragend. Pietrzykowski kam zu Ehren mit "Von Apfelblüten einen Kranz" aus Lehárs "Land des Lächelns" und später mit "Heut' geh ich ins Maxim" aus Lehárs "Lustiger Witwe" - letzteres Stück war auch das Motto des Konzertes; das befremdete mich zunächst angesichts des Programms, aber letztlich ging es in den Stücken vielfach um das Feiern, Lebensfreude und das Trinken - passte also doch. Zwischen den beiden Tenorarien wurden die Schnellpolka "Par force" und die äußerst bekannte Annenpolka von Strauß junior gespielt; ich wiederhole mich, aber das waren Wiener Strauß-Klänge par excellence. Mit diesem bekanntesten Strauß schloss auch das Konzert: Zunächst der Csárdás aus der komischen Oper "Ritter Pásmán" (wäre noch etwas schneller gegangen) und schließlich ein Neujahrsdauerbrenner: "An der schönen blauen Donau" - fein geschliffen und durchgehend, wie sie sein sollte in Klang und Tempo.
Damit war klar: Es musste Zugaben geben - "vorbereitete Zugaben", wie Hermann Breuer freundlich-ironisch (und ehrlich) betonte. Zuerst überraschte Dariusz Pietrzykowski mit der polnischen Version der Arie "Ja, das alles auf Ehr" aus dem "Zigeunerbaron" - ungezügelt und voller Schwung mit einer Stimme... nun, siehe oben. Schließlich der "Radetzky-Marsch" vom Strauß-Vater - es muss einfach sein und war musikalisch auch sehr gut dargeboten, keine "Stangenware". Begeisterung beim Publikum durch einen gelungenen musikalischen Jahresstart.  

Musikkritik: Strahlendes Jauchzen und Frohlocken in der Alten Kirche in Bönen mit Oratorienchor in Bestform

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Pixabay.comvon Dr. Götz Heinrich Loos

Kamen/Bönen. Das Weihnachtskonzert führte den Oratorienchor der Stadt Kamen dieses Mal - ungewohnterweise - nach Bönen in die Alte Kirche. Dies war sicherlich ein Entgegenkommen an den Hauptsponsor, die Gemeinschaftsstadtwerke, die ja bekanntlich Bönen neben Kamen und Bergkamen ebenfalls bedienen. Wie auch immer, diese Kirche mit dem vergleichsweise kleinen Raum für die Gemeinde, der jedoch durch eine Etage in Höhe der Orgelempore erweitert ist, bot auch den Mitwirkenden nicht allzu viel Platz. Trompeten und Pauken mussten schon auf den Seitenbereich ausweichen. Da bangte man um die Akustik - was sich aber als unnötige Sorge herausstellte.
Ach ja, natürlich gab es wieder Bachs Weihnachtsoratorium, dieses Mal die Kantaten I, IV und VI. Und am Ende stand der Rezensent wieder vor einem altbekannten, in den letzten Jahren immer häufiger auftretenden Problem: Wie schreibt man eine nicht zu kurze Kritik, wenn alles perfekt war? Und es war alles perfekt! Sicher, ich gebe zu, dass ich es besonders gern mag, wenn Bach in historischer oder historisch informierter Aufführungspraxis gegeben wird - am besten mit Originalinstrumenten aus Bachs Zeit oder exakten Nachbauten. Das hat was für sich - weil Bach es so gehört hat und diesen Klang vor Augen und Ohren, als er komponierte. Aber es hat genauso etwas für sich, wenn man die konventionellen "modernen" Besetzungen in Bestform hört; das ist immerhin stets die "erste Bedienung", wenn man nicht weit fahren möchte, um das Weihnachtsoratorium zu hören. Wenn dann eben alles stimmt, kann man im musikalischen Genuss schwelgen, die Festlichkeit der Musik genießen und weihnachtlich-besinnlich gestimmt werden.
Außer dem Oratorienchor der Stadt Kamen waren unter Franz-Leo Matzeraths musikalischer Leitung Mitglieder des Philharmonischen Orchesters Dortmund, des Philharmonischen Orchesters Hagen und des WDR-Sinfonieorchesters beteiligt, unter den Trompetern waren zudem Peter Mönkediek, bereits als "Star"-Trompeter bei den hiesigen Bachschen Weihnachtsoratoriumsaufführungen bekannt, und von der Neuen Philharmonie Westfalen Manfred Hof. Die Sologesangspartien übernahm ein wirklich regelrecht internationales Quartett: Johanna Isokoski (Sopran) aus Finnland, Itzel Medecigo (Mezzosopran bzw. Alt) aus Mexiko, Jean-Pierre Ouellet (Tenor) aus dem französischsprachigen Teil Kanadas, schließlich der gute Freund Kamens unter den Bass-Sängern, Michael Dahmen (aus... Deutschland). Und sie waren alle Idealbesetzungen. Die Trompeter, die reichlich zu tun hatten in den Kantaten I und VI, mit Peter Mönkediek an der Spitze, der wieder vergnüglich mehr oder minder explizit bzw. signifikant improvisierte, waren die Spitze der Strahlkraft der Aufführung; in der Kantate IV mussten zwei von ihnen zum Horn greifen, wobei Manfred Hof ein Bügelhorn spielte, was klanglich von dem anderen, einem kleinen Orchesterhorn (der eigentliche Nachfahre von den bei Bach eingesetzten Hörnern) abwich, worüber man meckern darf, aber nicht muss - diese Klangmischung war aufregend, spannend, interessant! Alle vier Sängerinnen und Sänger gaben perfekt ihr Bestes und lieferten so glänzende Partien ab, dass kein Zweifel übrig bleiben konnte. Bei Johanna Isokoski rief einiges Erstaunen ein bisweilen auftretendes unvermitteltes Schmettern in der Stimme hervor, ohne dass sie danach an Kraft verlor; im Gegenteil, meisterhaft bewältigte sie die Rezitative und Arien. An einigen Passagen, die gemeinhin etwas kritisch für den Gesang sind, konnte ich die Perfektion der Solistinnen und Solisten konstatieren. Und dem stand der Chor in Nichts nach. Es ist schlichtweg müßig, hier Erbsen zu zählen - es war alles mehr als gut: Tempi, Dynamik, Phrasierung, Angemessenheit in der Interpretation usw. usf. Vielleicht sei noch aus der Kantate IV die Arie "Flößt, mein Heiland, flößt dein Namen" kurz erwähnt: hier muss die Solo-Sopranistin teilweise alternierend mit einer Echo-Sopranistin aus dem Chor singen. Dieser Part kam Regina Stenzel zu, die dazu vom "Schwesterchor", dem Chor der Konzertgesellschaft Schwerte, zur Aufführung gekommen war. Mit klarer Stimme und völlig sicher in der Tonlage füllte sie ihre Rolle - ebenfalls perfekt - aus.
Und die Akustik? Wie bereits erwähnt, es war eine fantastische Akustik. Ich saß in der oberen Etage schräg gegenüber dem Ensemble und wurde von bester Akustik eingefangen. Von früheren Konzerten in der Alten Kirche weiß ich zudem, dass es unten genauso gut zu hören ist.
Die herausragende Interpretation forderte zu stehenden Ovationen heraus - und zur Zugabe. Die war freilich vorbereitet: Alle Beteiligten musizierten zusammen "O du fröhliche" - will sagen: die meisten sangen. Es war ein wohliges Gefühl, als sich die Stimmen sammelten und vermengten - das Publikum sang so kräftig und sicher mit, dass es ein beeindruckender Abschluss wurde.


Musikkritik: Herzogenbergs Weihnachtsoratorium: Ein ganz besonderes Musikereignis in der Pauluskirche

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Schieferturm 12KWvon Dr. Götz Heinrich Loos

Kamen. Manchmal braucht auch ein Rezensent etwas Zeit zum Nachdenken, besonders wenn er etwas Neues gehört hat und das, was er gehört hat, auch noch besonders gut findet - sowohl Komposition als auch Interpretation. Deshalb hat es jedenfalls etwas gedauert, bis ich genug Sammlung und "Input" hatte, um mich endlich hinzusetzen und eine Kritik zu schreiben. Damit ist schon Einiges gesagt - aber längst nicht alles. Tatsächlich ist es eine große Nachlässigkeit meinerseits, den Komponisten Heinrich von Herzogenberg bislang fast ganz links liegen gelassen zu haben. Nicht nur rein wegen seines kompositorischen Schaffens, sondern vor allem auch weil er zeitlich in den Rahmen der Spätromantik einzuordnen ist und dies ein Zeitraum ist, der mich besonders interessiert - gerade auch die weniger bekannten und "vergessenen" Komponisten. So habe ich einige Zeit zuvor dann doch angefangen, seine Werke anzuhören und zu studieren. Und war schon begeistert... Deshalb bin ich mit großer Erwartung am Samstag in die Pauluskirche gegangen, um dort die Aufführung von Herzogenbergs Weihnachtsoratorium op. 90 "Die Geburt Christi" zu hören und zu sehen. Und was ich gehört und gesehen habe, hat mich begeistert - wie gesagt, sowohl kompositorisch als auch interpretatorisch.
Ausführende des Werkes für Solostimmen, gemischten Chor, Kinderchoir, Streicher, Oboe, Gemeindegesang und Orgel waren Antje Bischof (Sopran), Silke Pasche (Alt), Stefan Sbonnik (Tenor) und Gustav Muthmann (Bass), als Chöre traten die Evangelische Kantorei und der Evangelische Kammerchor Kamen, die Jugendkantorei und ein Projektsingkreis auf, dazu das Pauluskirchen-Kammerorchester. Kirsten Schweimler-Kreienbrink leitete das Konzert und hatte alle Beteiligten mit sagenhafter Perfektion einstudieren lassen. Das umfangreiche Werk mit 34 Nummern verdient wenigstens eine teilweise eingehendere Besprechung, deshalb bereits an dieser Stelle ein Wort zu den Ausführenden: Der strahlende, kräftige Tenor Stefan Sbonniks war für seine Partien, insbesondere als Evangelisten-Rezitative angelegt - aber auch in Arien, begeisterte und kann als absolut passend bezeichnet werden. Auch Antje Bischof und Gustav Muthmann prägten ihre Partien mit höchster Professionalität und waren glänzend. Das kann man allerdings für Silke Pasche leider nicht bestätigen: Der Gesang wirkte kraftlos und angestrengt, mitunter schien es so, als fehle hier kunstgesangliches Handwerkszeug.
Dafür waren die Chöre fantastisch - mir fehlten die Worte. Die Professionalität der Kamener klassischen Musikszene ist schon so gewaltig geworden und doch wird man jedes Mal aufs Neue freudigst überrascht - oder besser doch: bestätigt. Ich fand ab und zu leichte Verstimmungen in hohen Soprantönen, aber immer weniger gegenüber früher - und das war es dann auch... Sonst vermag ich über nichts Weiteres im Chorgesang zu meckern. Und auch das dünn besetzte Pauluskirchen-Kammerorchester - genauso wie es vom Komponisten und seinem Librettisten Friedrich Spitta vorgesehen war, damit das Werk problemlos mit auch nur wenigen Instrumentenstimmen aufgeführt werden konnte - war erstaunlich exakt und hervorragend abgestimmt.
Was muss nun noch über das Werk gesagt werden? Zunächst einmal vielleicht, dass dieses in den letzten Jahren etwas mehr, aber immer zu selten aufgeführte Weihnachtsoratorium grundsätzlich zur weiteren Aufführung und Verbreitung anempfohlen werden kann. Der Internationalen Herzogenberg-Gesellschaft aus Heiden in der Schweiz, die sich um Erhalt und Verbreitung von Herzogenbergs Werken bemüht, war die Kamener Aufführung jedenfalls gut genug, um den Programmheft ein Werbeblatt beizugeben, in dem auf ihre Aktivitäten aufmerksam gemacht wird. Herzogenberg ist zweifellos von Bach und seinem Weihnachtsoratorium inspiriert worden, aber sein Werk ist doch völlig anders, so dass es verärgert, wenn man an anderer Stelle lesen muss, dass es eine "Version" des Weihnachtsoratoriums sei, genauso wie Bachs Komposition auch eine "Version". Wer so etwas schreibt, sollte lieber gar nichts schreiben!
Das Werk ist in drei Teile gegliedert: Die Verheißung, die Erfüllung und die Anbetung. Der erste Teil beginnt mit einem prachtvollen Orgelvorspiel, dann setzt die Chorgemeinschaft mit "Dies ist der Tag, den Gott gemacht" (Melodie „Vom Himmel hoch“) ein. Gleichzeitig singt dies auch die Gemeinde, die bei allen Chorälen mitsingen soll. Um dies zu verstärken, hat Kirsten Schweimler-Kreienbrink einen Teil der Chorgemeinschaft nicht zu dem anderen in den Altarraum platziert, sondern direkt vor den Kirchenbänken neben die Instrumentengruppe, so dass sie den Gemeindebereich beschallen und so deren Gesang verstärkt wird. Eine grandiose Idee, die durchaus fruchtete. Der Chor folgt mit „Ich harre des Herrn, meine Seele harret“, ein wegen seiner dramatischen kompositorischen Anlage schon sehr beeindruckendes Stück, das den Chormitgliedern bereits einiges an Dynamik und Präzision abverlangt – bestens gelungen. Nach einem Männerquartett intoniert der Chor „Erhalte mich durch dein Wort“, das in der dramatischen Anlage dem vorigen Chorstück folgt. Nach einem rezitativartigen Einsatz des Basses („So sprach der Herr zur Schlange“) kommt der Chor mit einer Fuge „Hier leiden wir die größte Not“ (aus dem Adventslied „O Heiland, reiß die Himmel auf“), die fast händelartig aufgelöst wird. Der Bass macht rezitativisch weiter, dann besingt der Chor „O klares Licht, o schöner Stern“ in weihnachtlich besinnlich Zurückgenommenheit und melodisch klarer Schönheit. Der Tenor übernimmt nun das Rezitativische, der Chor schwingt, tanzt sich mit „O Erd, schlag aus“ in die Höhe. Tenor und Männerquartett übernehmen die Verheißung aus Jesaja mit dem Schlüsselpart „Das Volk, so im Finstern wandelt, siehet ein großes Licht“. Sehnsüchtig fragt der Chor danach „Kommst du, kommst du Licht der Heiden?“ mit großer Schwermut und Tiefgang, das dann aber noch in einen friedlich-glückseligen Abschluss mündet, bevor mit dem Choral „Ich lag in schweren Banden“ der erste Teil schließt.
„Die Erfüllung“: Tenor, Alt und Sopran bringen in einem teils accompagnato-artig angelegten Rezitativ die Verkündigung durch den Engel Gabriel. Die Aussicht auf Jesus und wen er darstellt und für die Menschen bringen wird, ist das Motiv der folgenden Stücke einschließlich der Weihnachtsgeschichte aus dem Lukas-Evangelium. Sehr schöne, sanfte Chöre sind dabei: „Jesus ist ein süßer Nam’“; ebenso sehr kräftige, strahlende – wiederum eher an Händel erinnernde – wie „Sei gesegnet, teures Reich“. Das Weihnachtslied „Es ist ein Ros’ entsprungen“ ist in einer sehr zurückgenommenen, zarten, ausgeprägt mehrstimmigen, langsamen Version hier eingebaut. Nach einem Zwischenspiel mit Solocello und Orgel geht es weiter mit der Weihnachtsgeschichte, auch ein Wiegenlied von Maria und Josef ist dabei. „Ehre sei Gott in der Höhe“ und der Choral „Allein Gott in der Höh’ sei Ehr“ beenden gewissermaßen als glorioses, engagiertes Pflichtprogramm den zweiten Teil des Oratoriums.
Mit „Die Anbetung“ ist der dritte Teil überschrieben. Eine freundliche, sanfte Hirtenmusik mit Oboe und Streichern leitet ein. Der „Chor der Kinder“ (hohe Stimmen) ruft im Wechsel mit Oboe und Begleitung zum Ehren von Christus auf, die Hirten (Chor ohne Sopran) zum Gehen nach Bethlehem, gefolgt vom Weihnachtslied „Kommet ihr Hirten“, auf das der „Chor der Kinder“ melodienhaft schon hingedeutet hat. Nach weiteren Hirtengesängen – dabei ein Quartett der Solisten mit dem Chor von ausgeprägter Freude – und Dankesworten Marias steuert das Oratorium auf einen großen Chorsatz mit wechselnd den vier Solisten und der Chorgemeinschaft hin: „Gelobet sei der Herr, der Gott Israels“. Jesus’ zukünftiges Wirken wird mit Dank an Gott in Aussicht gestellt, endend mit einem Cantus-firmus-Chor: „Er ist auf Erden kommen arm“. Schließlich nochmals ein Choral nach der Melodie „Vom Himmel hoch“: „Sei willekomm, du edler Gast“, gefolgt von einem Nachspiel der Orgel.
Man sieht, dass ganz verschiedene Bibelstellen mit Liedern verbunden werden, in einer beeindruckenden Kunstfertigkeit. Der Chorgemeinschaft vor allen anderen gelang hier eine Meisterleistung – eine durch und durch erstrangige Interpretation. Und es ist zu hoffen, dass es zukünftig weitere Aufführungen dieses beeindruckenden Werkes in Kamen geben wird.

Musikkritik: Advents- und Weihnachtsmusik zum Anhören und Mitsingen: Bemerkenswertes Musizieren über Altersgrenzen hinweg

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Kamen. Diesmal sollte die Gemeinde, das Publikum, meistens mitsingen: Eine Advents- und Weihnachtsmusik in diesem Sinne gab es am Sonntag in der Evangelischen Kirche zu Heeren-Werve. Aber es gab auch eine Reihe instrumentaler Werke und solcher, die vom Chor vorgetragen wurden. Der Chor, das war eine Gemeinschaft aus den "Bodelswingers" aus Bergkamen und dem gemeindeeigenen Chor, den "Mund-Harmonikern" - geleitet vom musikalischen Chef beider Chöre Josef Meinolf Opfermann. Den instrumentalen Part übernahm das Schulorchester des Städtischen Gymnasiums Kamen unter Leitung von Katrin Stengel. Für alle Weihnachtsliedfreundinnen und -freunde zweifellos ein gelungener Spätnachmittag, aber auch für anspruchsvollere Musikbegeisterte fand sich manches Herausragende.

In der Reihenfolge: Händels "Sarabande" stand am Anfang, jene bekannte aus seiner Suite Nr. 4 d-moll für Cembalo HWV 437. Dieses langsame Stück eignet sich für ein Schulorchester bestens, aber man muss sich vor zu starkem „Schleppen“ hüten; nun, den Schülerinnen und Schülern gelang es ganz günstig. „Wir sagen euch an den lieben Advent“ brachte dann die Chorgemeinschaft. Schulorchester, Chor und Gemeinde waren dann dran: „Wie soll ich dich empfangen“ und „Tochter Zion, freue dich“ – die Gemeinde sang gut und auch recht synchron mit. Nach einer Lesung „Veni, veni, Emmanuel“ durch die Chorgemeinschaft, dann diese zusammen mit der Gemeinde: „O komm, o komm, du Morgenstern“. Alle zusammen folgten nach mit „Es kommt ein Schiff geladen“. Nebenbei bemerkt, es war gut, dass der Gemeinde – und mir mittenmang – Gesangbücher zur Verfügung standen, da der Text spätestens bei der dritten Strophe der sonst auch gängigeren Lieder kaum präsent ist.

Interessant war dann das österreichische Lied „Grünet, Felder“, das zum Repertoire der Chöre nach Vorschlag eines Chormitgliedes gehört. Auch hier sollte die Gemeinde mitsingen, aber da es oft die Tonleiter rauf und runter ging, die Intervalle groß waren, war die Beteiligung hierbei auf der Publikumsseite doch gering. Aber sehr schön und präzise war die Chorgemeinschaft hierbei. Bei diesem Lied wie auch bei allen anderen Werken, bei denen Schulorchester und Chorgemeinschaft gemeinsam wirkten, beeindruckte doch sehr, wie gut die jungen Leute mit den doch deutlich bis erheblich älteren Chorsängerinnen und -sängern harmonierten, da war keine Altersschranke festzustellen.

Nun ein Kanon: „Seht, die gute Zeit ist nah“ bekam die Gemeinde (gemeinsam mit dem Chor) in zwei Gruppen geteilt gut hin; die Männerstimmen sollten geteilt in Tenor und Bass eigentlich auch noch eigene Parts darin eingebaut vorgetragen, das hielt sich aber in engen Grenzen. Ohne Probe vorab, ist dennoch etwas ganz Brauchbares herausgekommen.

Sehr bemerkenswert, das folgende Weihnachtslied aus Schweden, wechselnd vom Chor in schwedisch und deutsch vorgetragen: „Jul, jul, strålandejul“ – für mich eines der schönsten melancholisch-zarten Weihnachtslieder überhaupt; ich kannte es bereits, doch ich bemerkte, wie es Viele im Publikum berührte. Mit dem auf einer Melodie aus der Normandie basierenden Weihnachtslied „Away in a Manger“ kam danach noch ein zweites, hier erst in jüngerer Zeit etwas mehr erscheinenden, also eher seltenes Lied zum Chorvortrag.

Nach einer weiteren Lesung dann für Alle: „Alle Jahre wieder“ – sehr engagiert, auch aus der Gemeinde heraus. Solocello (Katrin Stengel selbst) und Piano trugen dann das Arioso aus Bachs Kantate BWV 156 („Ich steh mit einem Fuß im Grabe“ – für die Weihnachtszeit etwas grausiger Titel, der auch nirgends genannt wurde...) vor; sehr weich und ohne unnötige Affekte. Der Chor setzte dann ein mit „O Bethlehem, du kleine Stadt“ und „Maria durch ein’ Dornwald ging“ – sehr schön (ästhetisch ansprechend!) und einfühlsam.

Chor und Gemeinde waren gefordert mit „Leise rieselt der Schnee“ und „Süßer die Glocken nie klingen“ – allerdings rieselte der Schnee besser, kräftiger und synchroner als die Glocken klangen – die „Ecken“ in der Melodie bekamen zumindest in der Gemeinde nicht alle so glatt hin. Das Schulorchester kam dann hinzu bei „Herbei, o ihr Gläubigen“ („Adeste Fideles“), das wirklich engagiert und gleichzeitig von strahlender Schönheit getragen, gesungen wurde. Es ist sicherlich ohnehin das schönste Lied, was harmonische, friedliche Weihnacht beschwört – allein aus der Melodie heraus.

Den Abschluss bildete dann „O du fröhliche“ – die Gemeinde jetzt auf ihrem dynamischen Höhepunkt. Überhaupt, ein gelungenes Konzert, mit viel perfektem Vortrag und nicht minder vieler ansprechender Attraktivität im Vortrag.