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Musikkritik: Zwei Konzerte zum ersten Advent: Ein „bunter Abend“ und besinnlich Chorisches

am . Veröffentlicht in Musik

Pixabay.comvon Dr. Götz Heinrich Loos

Kamen. Advent bedeutet immer auch eine musikalisch hohe Zeit – ohne viel zu suchen, es ist immer irgendwo etwas zu hören. So auch an diesem Sonntag: Ein Weihnachtskonzert der Städtischen Musikschule im Foyer der Stadthalle und – leider mit etwas Überschneidung – ein Ökumenisches Adventssingen in der „Heiligen Familie“.
Das Weihnachtskonzert der Musikschule überraschte durch ein buntes Programm, das überwiegend auf Tanz ausgerichtet war. Nun, wenn Weihnachten ein frohes Fest sein soll, darf Tanz nicht fehlen – also passt es doch! Aber auch die barocken Klänge Telemanns, die Bestandteil des Konzertes waren, können nicht als genuin weihnachtlich gelten (auch wenn Musikschulleiter Alexander Schröder dies eingangs betonte), ist es doch eine Konzertsuite von ihm, kein für Weihnachten komponiertes Stück. Wie üblich, setzt sich die Suite aus verschiedenen Tänzen zusammen – und passt so dann doch ins tänzerische Bild. Also ein „tanzendes Weihnachten“ mit entsprechenden Klängen aus diversen Ländern – und der Beteiligung verschiedener Ensembles der Musikschule. Vielleicht zunächst zur Beruhigung: Alle waren hervorragend, haben Gutes bis Bestes gegeben, so dass es schwer fällt, überhaupt negativ Kritikwürdiges zu entdecken.
Das gibt es aber dann doch, nämlich im Programmheft, das offenbar mit der „heißen Nadel“ gestrickt wurde, ohne dass Korrektur gelesen werden konnte; so haben sich Rechtschreib- und Gedankenfehler eingeschlichen, insbesondere: „Kurt Mahr“ statt richtig „Curt Mahr“, „K. Kreidler“ statt richtig „Klaus Treidler“, Villoldo Arroyo schreibt sich ohne Bindestrich, Telemanns Werk heißt „Suite F-Dur“, nicht „Ouvertüre F-Dur Suite“ und bei den russischen Namen wäre eine einheitliche Transkription sinnvoll gewesen, da steht einmal (deutsch übertragen) „Tschaikowsky“ und ein anderes Mal (englisch) „Shostakovic“; dabei ist gerade bei Letzterem die deutsche Schreibweise Schostakowitsch so bekannt, dass die hier verwendete sicherlich einige Zuhörende verwirrt haben durfte. Okay, das mag oberlehrerhafte Prinzipienreiterei sein, also wenden wir uns lieber dem Programm und der Musik zu.
Astor Piazzollas „Café, 1930“ (sic!) aus seinem „Histoire du Tango“ machte den Anfang, hier in der vorgesehenen Originalbesetzung mit Flöte und Gitarre. Ina Herkenhoff und Jörg Lungenhausen schafften mit einem einfühlsamen Spiel eine warme Atmosphäre mit leichten tangohaften Klängen, hoher Präzision und Profession. Das ließ mehr Gutes erwarten. Das Erwachsenenensemble (oder auch „Erwachsenenspielkreis“) mit seinen vorherrschenden Bläserklängen unter neuer Leitung von Ina Herkenhoff folgte mit Lowell Masons populärem Kirchenlied „Nearer, my God, to Thee“, einer verkürzten Bearbeitung von Schostakowitschs Walzer No. 2 aus der Jazzsuite No. 2 (der aus „Eyes Wide Shut“) und „Vois sur ton chemin“ aus Bruno Coulais‘ Musik zum Film „Die Kinder des Monsieur Mathieu“ (so richtig geschrieben --). Alle drei Werke waren gut einstudiert, wenn man auch bemerken konnte, dass höchste Konzentration und Anspannung aufgebracht wurden, damit alles stimmig gelang. Aber so gab es schöne Klänge ohne Misstöne.
Akkordeonmusik war nun angesagt. Unter den Augen ihrer Dozentin Angelika Papadopoulos spielten die Schüler Felix Heckmann und Jan Hermasch Schatrows Walzer „Auf den Hügeln der Mandschurei“, Villoldo Arroyos Tango Argentino „El Choclo“ und gemeinsam zu Dritt den ersten Satz aus Curt Mahrs Konzert für zwei Akkordeons. Bewunderswert, wie die beiden jungen Schüler ihr Instrument beherrschen – sie erzeugen schon eine Atmosphäre, die über das technisch Perfekte hinausgehen, ins Emotionale hinein. Keine Frage, hier wurden und werden Meister ihres Faches ausgebildet. Nun folgte das gesamte Akkordeonensemble unter Leitung von Angelika Papadopoulos und intonierte eine Bearbeitung eines russischen  „Gorbitschok“ durch Martina Schumeckers - sehr leidenschaftlich und kräftig; nicht minder dann der „Spanische Walzer“ von Klaus Treidler. Die Leistungen, die die Musiker brachten, waren erstklassig.
Mit Telemanns Suite F-Dur kam nun das Kammerorchester und bezauberte durch eine wunderschöne Interpretation, durchaus mit einigen hörbaren barocken Techniken. Es gab nichts Kritisches, nichts Misslungenes zu finden, sondern eine lobenswerte Darbietung muss hier herausgestellt werden. Das Kammerorchester war dann am Ende noch einmal dran, zunächst aber spielte ein Querflötenquartett aus Yvonne Flechsig, Ina Herkenhoff, Sylvia Linke und Manuela Schultebrauks zwei Stücke aus Tschaikowskijs „Jugendalbum“, op. 39 („Das Begräbnis der Puppe“ und „Polka“), wiederum mit atemberaubender Stimmigkeit und wunderbaren, punktgenauen und ansprechend tiefgehenden Klängen. Zum Schluss daran Ferenc Farkas‘ „Partita all’ungaresca“, beruhend auf ungarischen Volkstänzen und Klängen aus dem 16. Jahrhundert – jeder der sechs Sätze wurde dabei bestens ausgekostet und wieder war eine technische Perfektion gepaart mit emotionaler Ansprache.
Fazit: Der Musikschule ist dieses Mal wirklich ein beachtliches Konzert mit Erfüllung des Anspruches in bester Weise gelungen.
Für den Schreiber vorliegender Zeilen ging es aber schnell weiter: Ökumenisches Adventssingen in die katholische Kirche. Leider waren der Chor der Hellweg-Werkstätten und die Evangelische Kantorei schon aufgetreten und ich kam gerade herein, als der MGV Sangesfreunde Kamen unter Matthias Ostermann das letzte ihrer drei Lieder vortrugen: „Vater unser“ – aber das taten sie so kraftvoll und anrührend, dass es auch einem nicht-religiösen Menschen naheging. Der Cäcilienchor Heilige Familie wiederum unter Ostermann brachten „Wir freuen uns, es ist Advent“ und „Hoch tut euch auf, ihr Tore der Welt“ plus eine Zugabe; und wieder kam eine Qualität dabei heraus, die wirklich erstaunlich war: bestens abgestimmt, völlig synchron und problemlos in allen Stimmlagen. Friedhelm Schmidt dirigierte danach den Evangelischen Posaunenchor Kamen mit dem populären „Feliz Navidad“ (José Feliciano), vielleicht etwas schleppend, aber feierlich und prächtig. Die Gemeinde sang unter Begleitung der Orgel (Lukas Borgschulte) „Maria durch ein Dornwald ging“, bevor die Veranstaltung mit Bachs eigenhändiger Bearbeitung für Orgel seines Kantaten-Choralsatzes „Wachet auf, ruft uns die Stimme“ (BWV 645) schloss – dieser Satz aber in Borgschultes Interpretation sehr ruhig und dennoch sehr anspruchsvoll (mit etwas Improvisation in den Trillern), immer wieder hörenswert und sollte stets daran erinnern, dass das ursprüngliche Lied von Philipp Nicolai im nahen Unna geschrieben worden war.