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Musikkritiken: Die Musik des Vorsommers: Von naturbetrachtender Vespermusik zur Naturkulisse des Gala-Abends

am . Veröffentlicht in Musik

Pixabay.comvon Dr. Götz Heinrich Loos

Kamen. Nun ist der Sommer vollends da - kalendarisch, als letzter Streich sozusagen. Aber die Zeit bis dahin, mit Pfingsten mittendrin, wenn die Natur ihren ersten Entwicklungshöhepunkt erreicht, beflügelt Geist und Gedanken. Natürlich haben die Komponisten diese Zeit auch für kreative Beflügelungen erfahren - und nicht nur Romantiker. Vorweg genommen war da die 8. Sinfonie Mahlers, die den Pfingsthymnus mit Goethe (Faust-Schluss, mitten in der Natur) verbindet, als Jubiläumskonzert der Neuen Philharmonie Westfalen schon zum herbstlichen Einstieg in die Spielzeit, allerdings in Recklinghausen (siehe diesbezügliche Rezension). In Kamens musikalischen Darbietungen des wirklichen, soeben beendeten Vorsommers ragen zwei heraus. Da war zum einen am 21. Mai die musikalische Vesper in der Margaretenkirche in Methler: "Die beste Zeit im Jahr ist mein" - basierend auf Versen Luthers, die auch später zum Lied geworden sind (wurde am Ende der Vesper dann auch von Allen gesungen); Luther bezieht sich auf die Musik als Träger positiver Eigenschaften und ihre Gottgegebenheit, er würdigt aber auch die Nachtigall als Gesangsmeisterin - somit stellt er Natur und Musik in einen Zusammenhang. Ein erweiterter Kammermusikkreis unter Leitung von Jochen Voigt mit den Gesangssolisten Melanie Spitau (Sopran)und Gerrit Miehlke (Bass/Bariton) brachten Werke von Georg Philipp Telemann, dessen 250. Todestag in diesem Jahr wegen des alles überragenden Luther-/Reformationsjubiläums eventuell etwas ins Hintertreffen geraten ist. Telemann benutzte in seinen Werken des öfteren Naturbetrachtungen, zumeist Imitationen von Tierstimmen. Spannend am Programm war, dass drei Kompositionen gewählt worden waren, in denen Telemann Naturthemen in unterschiedlichen Kontexten und Darstellungen aufgegriffen hatte: die Kantate "Tirsis am Scheidewege" (TWV 20:22) mit Nachtigall als Entscheidungshilfe für einen Unentschlossenen zwischen zwei Frauen, letztlich siegt die Freiheit; dann die "Grillensymphonie" (TWV 50:1), bei der Holzbläser und Kontrabässe den Grillengesang nachahmen; schließlich die "musikalische Idylle" "Der Mai" (TWV 20:40) mit Daphnis und Phillis als singende Protagonisten, die (in einem Text des Klopstock-Epigonen Karl Wilhelm Ramler) die erblühende Natur mit Hirten, Tanz und Wein hochleben lassen. Für einen Barockkomponisten hat Telemann der Natur in allen drei Werken (und darüber hinaus) der Natur einen Stellenwert eingeräumt, der in jener Zeit noch ganz ungewöhnlich war. Die Musizierenden führten alle drei Werke mit einer erkennbaren Lust daran auf und vollbrachten Interpretationen herausragender Güte - wiederum ein Beleg der hohen Qualität der methlerschen Kirchenmusik.

So wie sich die Kirchenmusiker und -innen in Methler profilierten, so gelang ebenso der eingespielten Chorgemeinschaft des Kamener Oratorienchors und des Chors der Konzertgesellschaft Schwerte unter Franz-Leo Matzerath zusammen mit der Neuen Philharmonie Westfalen und Moderator Roland Vesper wieder einmal ein glänzender Gala-Abend in der Konzertaula am 11. Juni. Alle waren bestens aufeinander abgestimmt - etwaige frühere Probleme z. B. in den hohen Lagen waren nicht auszumachen. Letztlich stimmte alles, gesanglich wie instrumental. Auf dem Programm standen Auszüge aus Carl Maria von Webers "Der Freischütz" und Carl Zellers "Der Vogelhändler" - also romantische Oper (sogar die Begründung dieses Genres, mit Natur als Hauptkulisse und viel düster-teuflischer Handlung) und Operette (diese auch viel in der Natur und mit Naturbezug). Geteilte Chorpartien wurden ebenso scheinbar mühelos ausgeführt wie der Chor im Ganzen, egal ob langsam oder temporeich; höchst beeindruckend! Neben Roland Vespers - wie stets - unterhaltsam-anspruchsvoller Moderation muss noch die Leistung zweier Gesangsvirtuosen hervorgehoben werden: Engjellushe Duka (Sopran) und Roman Payer (Tenor) sangen (und spielten) ihre Rollen hervorragend, überzeugten durch starke Stimmen mit Glanz, Kraft und Transparenz - und hatten offensichtlich viel Vergnügen an ihren Rollen. Auch beim Orchester wurden einige Instrumentengruppen besonders gefordert, in erster Linie die Hörner beim "Freischütz", wo sie schon in der Ouvertüre einen träumerisch-schönen Klang erzeugten (mittenmang Roland Vesper, der stets zwischen Horn und Moderation wechseln musste).  
Nun kommt der Sommer mit seiner Musik - aber... auch die Sommerpause für viele Musizierende - nun denn, sie haben es sich verdient!