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Musikkritik: 9. Sinfoniekonzert: „Nicht von dieser Welt“ waren Stadtfelds Klavierspiel und Bruckners Eingebungen

am . Veröffentlicht in Musik

Pixabay.comvon Dr. Götz Heinrich Loos

Kamen. Die wirklich thematisch interessante Spielzeit 2016/17 der Neuen Philharmonie Westfalen endete am Mittwochabend in der Konzertaula mit einem Programm „Nicht von dieser Welt“. GMD Rasmus Baumann dirigierte. Da war als Erstes Mozarts Konzert für Klavier und Orchester Nr. 23 A-Dur KV 488, bekannt durch seine schönen, durchaus tiefgehenden Melodien, ein besonderer Geniestreich mit Einzigartigkeit – meines Erachtens bei Mozart durchaus nicht immer so (auch wenn mir eingefleischte Liebhaber seines Gesamtwerkes widersprechen werden). Aber dieses Konzert ist besonders und einzigartig. Das betrifft nicht nur, aber besonders den Mittelsatz, zu dessen näherer Beschreibung ich auf die Ausführungen von Kerstin Schüssler-Bach im Programmheft verweise. Bekannt ist dieses Klavierkonzert unter Anderem deshalb, weil es häufiger aufgeführt wird. Insofern existieren zig Interpretationen; und daher war hier die Interpretation besonders interessant: Martin Stadtfeld war der Solist – einer der bekanntesten deutschen Pianisten der jüngeren Generationen, „Echo“-Preisträger, von den einen Kritikern gehasst, von den anderen und von weiten Teilen des Publikums geliebt. Stadtfeld gehört aus meiner Sicht zu den „Forschern“, forschend nach der Tiefe der Werke – und wenn er sie beherrscht, dann bringt er sie ohne erkennbare Anstrengung herüber. So war es auch hier – äußerlich beeindruckend: der groß gewachsene Pianist auf niedrig eingestelltem Klavierhocker, so dass die Tastatur in günstiger Handhöhe war; das Spiel dann, wie soll man charakterisieren? Freilich virtuos, aber noch mehr: Technische Perfektion und Emotionalität im Ausdruck in Gleichzeitigkeit, so wie es bei längst nicht allen Klaviervirtuosen wirkt. Sein glänzend klares Spiel nahm das Publikum mit, was zu „Bravo“-Rufen führte und letztlich Stadtfeld zu einer Mozart-Zugabe motivierte, aber ein ganz anderer Mozart, nämlich der Achtjährige hatte hier zugeschlagen: Schnelle Läufe aus seinem „Londoner Skizzenbuch“. Stadtfeld beeindruckte hier durch müheloses Spiel bei furiosem Tempo.

Das zweite Werk des Abends war ebenfalls ein Kamen häufiger gehörtes: Anton Bruckners Sinfonie Nr. 7 E-Dur WAB 107. Oft als „Wagner-Sinfonie“ etwas diffamiert, suchen Beschreibungen immer wieder nach Elementen aus Wagners Musik und zweifellos werden sie fündig, namentlich im zweiten Satz, den Bruckner schließlich im Angesicht von Wagners Tod als eine Art Trauermusik für sein großes Idol konzipierte. Man sollte aber doch eher nach Unterschieden zu Richard Wagner suchen, die findet man in der Tat vorherrschend. So gründet sich die unglaubliche Schönheit vieler graziler Passagen im ersten Satz in keinster Weise auf Wagner. Oder das Scherzo, das von Bruckner nach eigener Aussage einem rufenden Hahn nachempfunden sein sollte, der vor Bruckners Fenster krakelte. Überragend das Werk, überragend die Interpretation. In ganz vereinzelten Passagen hätte ich ein schnelleres Tempo gewählt, aber das ist vernachlässigbar. Was mir anders besser gefallen hätte, war der cis-moll-Anfang des Adagios und auch seiner mehrfachen Reprisen bzw. Variationen im Laufe des Satzes: Die Balance zwischen den Wagner- oder Horntuben, die Bruckner hier zum ersten Mal in einer Sinfonie einsetzt (in der 8. und 9. sollten sie noch vermehrter zum Einsatz kommen), und den Streichern passte nicht gut, wie übrigens bei den meisten Aufnahmen: die Wagnertuben gehen bzw. gingen etwas unter, nur bei wenigen Interpretationen treten sie so hervor, wie man sich es als Intention Bruckners vorzustellen vermag. Aber auch das ist fast wieder eine Kleinigkeits-Krittelei im Hinblick auf eine sonst hochrangige, perfekte Interpretation. Trotz des vielen (mich übrigens begeisternden) lauten Blechs in dieser Sinfonie, das offensichtlich einige Zuhörende zum frühzeitigen Verlassen des Konzertes motiviert hatte, war doch die Mehrheit begeistert (aber es gab sogar einzelne „Buh“-Rufe) - mit stehenden Ovationen und völlig zurecht.