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Kneipennacht biet Rundum-Paket für das Wechselbad der Gefühle

am . Veröffentlicht in Musik

Sunset Celebration OperaKB318von Katja Burgemeister | Fotostrecke Kamener Kneipennacht >>>

Kamen. Aus einer Tür schallt Elvis ungefiltert auf die Bahnhofstraße. Auf der Weststraße tanzt eine Gruppe ungehemmt zu irischem Folk und im Opera wogt eine Menge aus Köpfen synchron zu den Tönen, die Joe Cocker einst hervorgebracht hat. Die Kamener Kneipennacht ist so bunt wie ihre Kneipenwelt.

Die Türen in elf Kneipen gehen in dieser Nacht unentwegt auf und zu. Mit eiskalter Luft kommen live gespielte Klänge ins Freie und neugierige Gesichter ins brillenbeschlagene Warme. Körperkontakt ist überall angesagt, denn es ist mit fortschreitender Stunde auch zunehmend gut gefüllt. Egal, wohin es die Gäste mit ihren grauen Kneipennacht-Bändchen am Handgelenk verschlägt. Und überall lässt sich Überraschendes beobachten.

Vor einer langen Theke im Café Extrablatt demonstriert die jüngere Generation, dass man zu Nirvanas Grunge-Musik auch vorzüglich schunkeln kann. Selbst wenn man jünger als 25 ist, scheint Elvis Presley immer noch irgendetwas in den Füßen zu mobilisieren. Auf engstem Raum in Kümpers Pütt finden begeisterte Zuhörer jedenfalls sowohl Platz als auch Gleichgesinnte. Selbst, wo die Musik wie bei Lars Vegas vom Band kommt und aus den tiefsten 70ern stammt, hält es manche nicht auf den ohnehin rettungslos überbelegten Barhockern im Flying Dutchman. Auch auf ein bis zwei Fliesen lässt es sich Rücken an Rücken, Schulter an Schulter, Nase an Nase famos abtanzen – bevorzugt auch mit Wildfremden.

The Rocking Roosters Kümpers PüttKB318Manche Kneipen vollbringt wahre Wunder, um Live-Musik mit gut gelaunten Gästen zu vereinen. In der Marktschänke ist der Platz selbst bei normalem Betrieb eher begrenzt. Samstagnacht ist es ein echtes Kunststück, überhaupt ins Innere zu gelangen. Wer Bauch an Bauch mit lachenden und schäkernden Unbekannten stecken bleibt, kann sich eine Entschuldigung sparen, denn es geht fast allen so. Wer dort die Oldies aus den 50ern, 60ern und 70ern aufspielt, lässt sich nur erahnen. „Here comes Johnny“ verschwindet vollständig hinter Lautsprechern und Holzbalken, was der Stimmung jedoch nicht das Geringste anhaben kann.

Gemütlich macht es sich auch das Duo „Glengar“ im „82West“ direkt vor dem Schaufenster. Wer hineinkommt oder ein stilles Örtchen aufsuchen muss, landet quasi direkt auf der Bühne und kann mitsingen. Unter einem stilvollen Gemälde samt modisch etwas älterer Deckenbeleuchtung verschmilzt „Framic“ regelrecht mit dem urigen Ambiente im Stadtkrug und ist mit einem Schritt in jeder Richtung mitten drin im Publikum. Ob Bryan Adams oder Robbie Williams: Das Duo gerät in der süffigen Luft gehörig ins Schwitzen, belohnt vom begeisterten Applaus. Ganz anders ist das, was die Gäste ein paar Meter weiter im „La Tapa Guapa“ erwartet. Passend zum Speisenangebot zelebriert die Gruppe „La Cubana“ Latino-Rhythmen, die mit gediegener Performance und nuancierten Gesten sowohl zum Wein wie auch zum kredenzten Mahl passen.

Etwas Sorgen machen muss man sich um die beeindruckende Stimme der Frontfrau von „Sunset Celebration“. Vor der prall gefüllten, tanzenden, singenden und regelrecht rauschenden Publikumskulisse des „Opera“ gehen ihre heiseren Stimmbänder bei der Moderation fast in die Knie. Mit quirligem Einsatz auf der Bühne zieht die Truppe die Menge mit und macht es für Spätzünder fast unmöglich, bis ganz nach vorn vorzudringen. Wer alle elf Kneipen besuchen will, hat es ohnehin mit verschärften Bedingungen zu tun. Bewaffnet mit dicken Winterjacken, sind die Nachtschwärmer zwar vor der restlichen Eiseskälte geschützt. In den Kneipen bricht dann aber in Sekundenschnelle der Schweiß aus, die Brillen beschlagen und man ist hin- und hergerissen zwischen einem wiederbelebenden Heißgetränk und einem abkühlenden Drink.

So war die Kneipennacht musikalisch, zwischenmenschlich, kulturell und wettertechnisch in allen Belangen ein Wechselbad der Gefühle und ein kunterbuntes Erlebnis.

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