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Musikkritik: GSW Kamen Klassik am neuen Ort und „at the movies“ – schwungvoll filmreif und vielseitig

am . Veröffentlicht in Musik

KamenKlassik3718CVvon Dr. Götz Heinrich Loos

Kamen. Hermann Hupe, der scheidende Bürgermeister, erwähnte es in seiner kurzen Ansprache: die von ihm angeregte „GSW Kamen Klassik“ hat sich zum „Dauerbrenner“ entwickelt, mit stetig steigenden Zuschauerzahlen; in diesem Jahr um die 1000! Dies war sicherlich einer der Gründe, weshalb Bühne und Zuschauerplätze vom Rathausvorplatz auf den großen Konzertaula-Parkplatz an der Hammer Straße verlegt worden waren, um das diesjährige kostenfreie „GSW Kamen Klassik“-Open-Air-Konzert in würdigem Rahmen zu veranstalten. Das Publikum bekam „JFK meetsGhostbusters“ zu sehen, ein Sonderkonzert, das bereits im Mai im Musiktheater im Revier in Gelsenkirchen in der Reihe „MiR Goes Film“ zu sehen und hören war. Unter freiem, fast wolkenlosen Himmel hatte das Ganze natürlich noch einen anderen Charme…

Allerdings ist Filmmusik nicht einhellig klassisch – und auch hier musste man sich auf dreierlei einlassen: Unmittelbar sinfonische Stücke; zu sinfonischen Klängen umgearbeitete Stücke aus Rock und Pop; schließlich gänzlich Rock, Pop oder Jazz zugehörige. Dazu kommt, dass die Qualität der Kompositionen verschieden ist und sicherlich nicht jeder alles mag – schon auf der Ebene der jeweiligen Art und Anlage der Kompositionen. Und so waren im Publikum mehrfach Stimmen zu vernehmen, die sagten, dass sie die Musik dann doch nicht gut fanden. Es wäre ein bisschen zu billig, diese Ansicht in den Vordergrund zu stellen. Dem Applaus nach war die Zuhörerschaft mehrheitlich begeistert – und zwar von allen Stilrichtungen. Und hier wollen wir über die Qualität der Interpretationen reden. Ganz komme ich aber nicht aus der Voreingenommenheit: In meinen Ohren schlechte Kompositionen bleiben auch gut gespielt schlecht. Doch zum Einzelnen…

Zu den sinfonischen „Klassikern“ der Filmmusik gehören die beiden Eingangswerke: Maurice Jarres Musik zu „Lawrence ofArabia“ bzw. „Lawrence von Arabien“ und John Williams‘ gewaltiges Schaffen zu den „Star Wars“-Episoden, hier das „Scherzo for X-Wings“ aus Episode VII („Das Erwachen der Macht“). Beide Werke wurden von der Neuen Philharmonie Westfalen unter ihrem Chef Rasmus Baumann angemessen gespielt, den Originalaufnahmen in Allem sehr nahe kommend und feinste Nuancen herausarbeitend. Die Qualität des Orchesters ist ja inzwischen hinreichend bekannt, bestätigte sich nur auf’s Neue. Es folgte „Moon River“ aus „Frühstück bei Tiffany“ von Henry Mancini (in einem Arrangement von John Ross) – ein leichter Hauch von Kitsch umweht dieses Stück und doch ist es durch seinen hohen Wiedererkennungswert und die sentimentale Melodie beliebt; für mich ist es schlichtweg durch das häufige Gespiel ausgeleiert. Die Interpretation bzw. das gespielte Arrangement bediente alle „Kitsch-Bedürftigen“ hinreichend und war qualitativ nicht minder angemessen. Ich weiche nun aber von der Reihenfolge ab, damit ich direkt zwei andere Stücke ähnlicher Kategorie anführen kann: Häufig gespielt – und zwar auch von den schrecklichsten „Weichspül“-Ensembles – ist ebenfalls Nino Rotas „Love Theme“ (Liebesthema) aus seiner Musik zu „Romeo und Julia“; Lob an Orchester und Dirigent: hier ein dezentes Spiel, nicht zu espressivo und deshalb gut erträglich. Das andere Stück ist für mich hingegen schon kompositorisch zum Weglaufen: Craig Armstrongs Soundtrack zu „Tatsächlich… Liebe“, insbesondere das „Glasgow Love Theme“, ist im Wesentlichen purer Kitsch ohne Tiefgang, der deutlich schlimmer ist als der Film selbst, welcher auch ironischeAnsätze und lustigere Episoden enthält. Natürlich, die Interpretationsqualität war dem Orchester entsprechend auch makellos. Aber wie oben gesagt…………

In diese Kategorie fallen eigentlich auch der Film „Dirty Dancing“ und seine Musik (wofür mich nun alle vor allem weiblichen Fans hassen werden, die als junge Mädchen in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre für den Film und Patrick Swayze dahin geschmolzen sind…). Jedoch fand ich Franke Prevites schmissigen Titelsong „(I’veHad) The Time ofMy Life“ immer schon gut, was allerdings wesentlich an dem stimmgewaltigen Duett von Bill Medley und Jennifer Warnes hing. Da sind wir bei einem grundsätzlichen Problem von instrumentalen, gesanglosen Ensembleversionen, wie sie das Royal Philharmonic Orchestra massenweise spielt (das auch für das Arrangement verantwortlich zeichnet) – es fehlt etwas! Tempo und Rhythmus waren hervorragend von der NPW und Baumann gewählt, aber der Ersatz der Stimmen durch Holzbläser u.a. macht aus dem bedeutenden Song so oder so „Kaufhausgedudel“, sorry!

Dagegen sind bei „La La Land“ sowohl Handlung als auch Musik komplexer, kritischer und führen zu keinem Happy End. Dieser höhere Anspruch macht die Musik gleich um Längen besser. Justin Hurwitz‘ „La La Land“-Konzertsuite zeichnet die Dramatik und Tragik gut nach. Fulminant und einfach schön war die Interpretation der NPW. Gleiches gilt für „Die Möwe Jonathan“, Musik von Lee Holdridge, mit zeitlos schönem, spätromantischem Duktus, melancholisch und berührend – und in bester Interpretation.

Sympathisch, eben auch in seiner Abneigung gegen die banale Pseudoromantik solcher Film- und Musik-Machwerke und gegen Happy-Ends, waren die launigen Einlagen des Moderators Carsten Kirchmeier, sonst vor allem Regisseur am Musiktheater im Revier. Er zeigte sich als klarer Fan des Horrorfilm-Genres. Davon gab es das Hauptthema aus John Carpenters „Halloween“ und aus „Poltergeist“ „Night oft thebeast“ von Jerry Goldsmith. Während Letzteres den Horror gut charakterisierte und in Musik setzte, die schrecklich unheimlich herüberkam, habe ich mit einer Orchesterfassung der von Carpenter im Original bewusst minimalistisch besetzten Klavier- und Synthesizermusik meine Probleme – so glanzvoll auch die Interpretation war, für dieses Stück war sie erdrückend! Das Abschlussstück betraf eine Gruselkomödie: „Ghostbusters“, hier der Titelsong von Ray Parker, Jr. – sehr schwungvoll und das Orchester hier kein bisschen mehr klassisch… hier fand ich die Version nun wieder äußerst gelungen, auch ohne Gesang!

Einen breiten Raum nahm Musik zu Krimis, Actionserien und -filmen ein, teilweise mit historischem, teilweise mit Fantasy-Bezug, wenn man diese zusammen betrachten mag. Der Reihe nach: Aus den „Goonies“ die „Flucht vor den Fratelli-Brüdern“ von Dave Grusin, dann ein Stück („Rätsel gelöst“) aus Bruce Broughtons Musik zum „Geheimnis des verborgenen Tempels“ („Young Sherlock Holmes“), „JFK – Tatort Dallas“ von John Williams (eingespielt Nachrichten zum Attentat und Tod von JFK),die Titelmusik von Vangelis‘ zu „1492“, Musik aus „The Rock – Fels der Entscheidung“, komponiert von Hans Zimmer bis hin zu Ramin Djawadis Hauptthema zu „Game of Thrones“ und dem beliebten Serientitelthema vom „A-Team“ von Mike Post und Pete Carpenter. Alles wurde qualitativ hochrangig gespielt, unabhängig davon, welchem Genre das jeweilige Stück angehört. Die „Goonie“-„Flucht“-Musik und das Titelthema von „Game of Thrones“ strahlten Souveränität und eine erfrischende Coolness aus, kein bisschen hektische Aufgeregtheit. Als schwächer ist nur „Conquestof Paradise“ zu bezeichnen, das Arrangement von Nic Raine nutzt zu wenig die Orchesterklangfarben; in der Interpretation war es zu schleppend, zu lahm. Die „A-Team“-Titelmusik zeigte kaum Unterschiede zur Serienmusik im Fernsehen – beeindruckend! Der Applaus forderte noch Zugaben heraus, wobei insbesondere die dann gespielte Titel- und Suitenmusik aus „Peter Gunn“ (komponiert von Henry Mancini) den eigentlichen Höhepunkt des Konzertes mit sich brachte. Gut gelaunte, voll engagierte Solisten im Orchester legten sich ins Zeug – die Solos von Gitarre und Trompete waren jedenfalls Ereignisse!

Man kann also viel schreiben, es war vieles von Stück zu Stück unterschiedlich, manches herausragend (wie man es von der NPW gewöhnt ist), manches weniger spaßig – oder überhaupt nicht gut oder interessant. Aber insgesamt ist der Mix interessant und offensichtlich auch mehrheitlich gut angekommen. Ich hätte mir freilich noch andere Filmmusik gewünscht, aber… vielleicht beim nächsten „GSW Kamen Klassik“, sicher beim nächsten „MiR Goes Film“, wovon man gern grundsätzlich mehr in Kamen zeigen könnte!