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Musikkritik: Bachs Weihnachtsoratorium vom Oratorienchor - Gute Tradition und Interpretation, aber mit Tücken

am . Veröffentlicht in Musik

Musik Datei176696959 Urheber abstract fotoliaDatei: #176696959 | Urheber: abstract | fotolia.comvon Dr. Götz Loos

Kamen. Inzwischen zur Tradition entwickelt haben sich die Aufführungen von Johann Sebastian Bachs Weihnachtsoratorium durch den Oratorienchor der Stadt Kamen kurz vor Weihnachten in der Konzertaula. Jeweils eine Auswahl der sechs Kantaten wird dabei aufgeführt. Dieses Mal waren es die Kantaten I und IV bis VI. Häufig werden I bis III oder IV bis VI aufgeführt, daher in dieser Kombination etwas außergewöhnlich. Scheinbar wollte man auf die populäre erste nicht verzichten (mit dem strahlenden Eingangschor "Jauchzet, frohlocket"), aber sich dann - zeitgemäß - den etwas düsteren Kantaten vom Neujahrstag bis Epiphanias zuwenden, in denen u.a. der Kindermörder Herodes und das Ringen um den (religiös) richtigen Umgang mit dem Tod zur Sprache kommen.

Interpretatorisch bot diese Aufführung wenig Aufregendes oder gar Neues - wie die meisten Aufführungen, die auf aktuelle Instrumente und Standardpartituren zurückgreifen. Schön war sie trotzdem - allerdings gab es leichte Mängel: Der Chorsopran begann zu kraftlos, steigerte sich jedoch recht bald zu gewohnter Stärke. Dafür brachen bis auf den Choralt zwischendurch alle Stimmen einmal ein; dem Gesamteindruck hat dies freilich wenig angetan. Leiter Franz-Leo Matzerath führte den Chor ebenso souverän wie das Orchester, das trotz einer Zusammenwürfelei aus Musizierenden der Philharmonischen Orchester Dortmund und Essen, der Neuen Philharmonie Westfalen und des WDR-Sinfonieorchesters eine starke Einheit stellte - abgesehen davon, dass es in einigen Stimmen hätte etwas stärker besetzt sein können.

Gut besetzt waren auch die Gesangssolos. Antje Bitterlich (Sopran), Ruut Mattila (Mezzosopran) und Markus Volpert (Bariton) überzeugten ausnahmslos. Thomas Iwe (Tenor) war als Evangelist schwierig, patzte zweimal in ganz hohen Partien - hoffentlich "nur" eine Erkältung; bei späteren Partien (u.a. die Arie "Ich will nur Dir zu Ehren leben") war er glänzend!

Am Ende noch etwas Verwirrung: Teile des Publikums und des Orchesters standen schon auf, obwohl noch alle zusammen "O du fröhliche" singen sollten - klappte dann aber noch...

Eine größere Tücke war aber die erschreckend leere Konzertaula! Natürlich haben viele Leute viel zu tun vor Weihnachten, aber hier sollte sich der Oratorienchor etwas einfallen lassen. Denkbar: Weihnachtsoratorium komplett zum Mitsingen... wozu die Kantaten I bis III geeigneter wären. Dazu eine Publikumsprobe von eineinhalb Stunden vorher - und schon wäre vielleicht mehr Anziehungskraft für dieses Konzert - und die Etablierung einer wahren Tradition.