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Musikkritik: Neujahrskonzert: Einzigartige Interpretationen in ziemlich vielseitigem Programm

am . Veröffentlicht in Musik

neujahrskonz119GLvon Dr. Götz Loos

Kamen. Für die Genießenden anspruchsvoller klassischer Musik ist ein Neujahrskonzert oft ein zweischneidiges Schwert: Populäre Melodien sind oft nicht gerade die höchste Form der Kunst. Johann Strauß Sohn ist oft der vorherrschende Vorgetragene; auch wenn Brahms zur "Schönen blauen Donau" geschrieben haben soll: "Leider nicht von mir", so sind Strauß' Werke doch weitestgehend Teil der leichten Muse in der "Klassik". Doch das Kamener Neujahrskonzert in der Konzertaula brachte nur ein reguläres Strauß-Werk (Frühlingsstimmenwalzer) und eine Zugabe (Schnellpolka "Unter Donner und Blitz", vor dem Abschluß mit dem unausweichlichen Radetzkymarsch des Vaters Strauß).Das betonte auch Dirigent und Moderator Hermann Breuer, der fast ununterbrochen seit Jahren schon das Konzert leitet. Als Orchester stand nach Neujahr 2018 erneut die Philharmonie Lemberg (Ukraine) zur Verfügung, kurzfristig eingesprungen, da das eingeplante Orchester absagen musste. Die Tenorsoli trug der recht bekannte Opernsänger Manfred Fink vor. Das bunte Potpourri begann mit der Ouvertüre zu Suppés "Dichter und Bauer" - prächtig und glanzvoll vorgetragen. Nicht minder dann Brahms' Ungarischer Tanz Nr. 5. Dann wurde aber klar, dass statt Strauß hier Franz Lehar im Mittelpunkt stand; über das Programm verteilt mit vier Stücken: Wolgalied aus dem "Zarewitsch", "Dein ist mein ganzes Herz" aus dem "Land des Lächelns", "Freunde, das Leben ist lebenswert" aus "Giuditta" (Motto des Konzertes!) und schließlich der "Weibermarsch" aus der "Lustigen Witwe". Alle waren hervorragend interpretiert, Manfred Finks kräftige Stimme meisterte makellos und inbrünstig seine Partien. Klar, das waren die Publikumsrenner. Umso erfreulicher, dass sonst weniger breitenbekannte Stücke bzw. solche zur Aufführung kamen, deren Melodien zwar teilweise sehr bekannt sind, aber von den meisten gewiß nicht zugeordnet werden können: Eduard Strauß' "Bahn frei", Delibes' Pizzicato aus "Sylvia", Robert Stolz' Walzer "Wiener Café", Hellmesbergers "Teufelstanz", von Leroy Anderson "Forgotten dreams" und "Fiddle-faddle". Alle Interpretationen waren sehr gut, auch einfühlsam und nicht nur technisch gelungen. Ausgerechnet bei meinem Lieblingsstück dabei, dem großen Walzer aus Tschaikowskijs "Schwanensee", von dem zu meiner Freude auch Hermann Breuer schwärmte, war anfangs etwas unsauber und lustlos, im Verlauf wurde es aber besser. Gut, über das Mitklatschen zu philosophieren, lasse ich sein - zumindest beim Radetzkymarsch wurde man ja auch aufgefordert, mit Manfred Fink diesmal als Animateur. Aber etwas im Verhalten des Publikums störte dann doch: Der offizielle Abschluss war Puccinis "Nessun dorma" aus "Turandot" - ohne Frage eine bewegende Tenorarie, aber nach dem Erfolg von Paul Potts mit dem Werk etwas ausgeleiert und kitschig, weil einfach inflationär immer und überall gespielt. Manfred Fink war auch hier großartig, aber ich fand die durchgehenden stehenden Ovationen doch etwas übertrieben, da es zweifellos bessere Interpretationen gibt. Nun, dass das Publikum gut unterhalten war, steht außer Frage. Nur wünsche ich auch eine derart volle Konzertaula bei anderen Konzerten!