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Shanty-Festival feiert Jubiläum und verbindet auch nach 10 Jahren die Kulturen

am . Veröffentlicht in Musik

Shanty2 619KBvon Katja Burgemeister

Kamen. Der kleine Junge bleibt mit offenem Mund und riesengroßen Augen stehen. Blitzschnell entwindet er sich den Händen seiner Mutter und nimmt in seinem arabischen Gewand mitten zwischen den Menschen Platz, die alle im Schnitt 70 Jahre älter sind als er. Völlig verzückt verfolgt er das, was sich dort auf der Bühne am Koppelteich abspielt.Shanty8 619KB Die Shanty-Lieder faszinieren ihn, obwohl er kaum ein Wort Deutsch versteht. Irgendwann springt er auf und läuft mit weit ausgebreiteten Armen auf die Sänger zu. Ihn hat das Shanty-Virus gepackt.

Der ist ganz offensichtlich international und kulturübergreifend - und hat integrative Wirkung. Die Besucher des 10. Shanty Chor Festivals waren von dieser spontanen Einlage jedenfalls genauso begeistert wie von der Musik. Die zieht schon seit genau zehn Jahren die Fans der maritimen Unterhaltung an - zunächst auf den Markt, dann an den Koppelteich. "Ich singe selbst im Chor und fahre gern an die See. Die Lieder kennt man alle - deshalb komme ich gern her", sagt einer, der entspannt zur Musik schunkelt. "Ich höre gern amerikanischen Pop und Folk - da muss man sich auch mit dem deutschen Pendant solidarisch zeigen", sagt ein anderer, der ein paar Jahre jünger ist und schon im Vorjahr im Rollstuhl unter den Besuchern saß. "Ich warte jetzt vor allem auf das Lied 'I am Sailing', das auch Rod Stewart interpretiert hat - dann bin ich glücklich."

Shanty9 619KBEigentlich sind die Lieder, die von den Matrosen auf hoher See angestimmt wurden, ja in den meisten Fällen Arbeitslieder. "Sie erleichterten die Arbeit am Deck", weiß Rolf Pause. Der hat das Festival vor zehn Jahren ins Leben gerufen und kennt sich bestens aus. Mehr als 30 Jahre war er Vorsitzender des heimatlichen Shantychores Kamen-Bergkamen. Er organisiert seit 20 Jahren das Shanty Festival in der Bergkamener Marina und kennt so ziemlich jeden Shanty Chor weit über die deutschen Grenzen hinaus. Wo er anfangs Listen abtelefonieren und für die hiesigen Veranstaltungen werben musste, bekommt er heute Anrufe aus Holland mit der dringenden Bitte, für das nächste Fest eingeplant zu werden.

In Kamen gibt es schon seit 1910 eine Marinekameradschaft. Ob die Hanse dabei eine Rolle spielte, sei dahingestellt. In Bergkamen inspirierte der Kuhbach aus einer Bierlaune heraus die Weddinghofener, einen eigenen Shanty Chor zu gründen. Als die Mitglieder rarer wurden, vereinigten sich der Kömsche Bleier und die "Blauen Jungs vom Kuhbachstrand" 2003 zum MK-Shanty-Chor-Kamen-Bergkamen. Das war der Ursprung für die lokale Festivalkultur. Eine Erfolgeschichte, die immer noch anhält. Denn der Zuspruch war am Sonntag auch bei Rekordhitze wieder bemerkenswert.

"Das Ambiente ist toll, die Gemeinschaft auch - es macht einfach Spaß, die Musik zu hören", sagt ein Zuschauer. Andere halten kurz die Füße ins Wasser, trauen sich auf den vom THW aufgebauten Ponton oder versuchen sich an der Fernsteuerung der kanadischen Baumschlepper und Testboote des Schiffsbaumodellclubs Waltrop. Wie immer wechselten sich fünf Chöre auf der Bühne ab. Neben den Lokalmatadoren waren die Shanty-Kollegen auf Münster, Mühlheim an der Ruhr, Castrop-Rauxel und Bocholt dabei. Damit war ein abwechslungsreicher Nachmittag garantiert. Jubiläum inklusive, zu dem auch Bürgermeisterin Elke Kappen gratulierte.

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