Musikkritik: 2. Sinfoniekonzert der Spielzeit 2021/2022 der Neuen Philharmonie Westfalen: Skandinavische Klänge in der Konzertaula
von Dr. Götz Loos
Kamen. “Nordische Impressionen“ war das Konzert der Neuen Philharmonie Westfalen unter GMD Rasmus Baumann überschrieben - verglichen mit den Namensmetaphern mancher anderer Konzerte der vergangenen Reihen geradezu harmlos und unverschlüsselt... Im ersten Teil kamen zwei sehr prominente und gefällige Werke zu Gehör. Sibelius' “Finlandia“ beginnt mit sehr dramatischen, lauten Akkorden, die man schon einmal gehört hat - vor allem in Filmen, wo besonders dramatische Momente untermalt werden. Aber eben nur diese Akkorde finden meist Verwendung, oft auch etwas variiert (damit der Klau nicht zu sehr auffällt...). “Finlandia“ ist aber mehr - von düsterem Trotz hin zu schmetterndem Optimismus. Rasmus Baumann wählte kein zu schnelles Tempo, wie es hingegen in vielen anderen Interpretationen erklingt. Dadurch wurde eine Transparenz erreicht, bei der man mitunter Ton für Ton genießen konnte. Die Sauberkeit im Klangbild war in den Anfangsakkorden noch etwas beeinträchtigt, doch das Orchester fing sich schnell und brachte eine Interpretation, die keine Wünsche offen ließ.
Wohl noch bekannter ist Edvard Griegs Konzert für Klavier und Orchester a-moll, das als zweites Werk anstand, welches ebenfalls mit Schlag und einem kräftigen Motiv in Klavier einsetzt. Sebastian Knauer, der hier das Pianosolo zu Gehör brachte, gab ebenfalls prinzipiell ein nicht zu schnelles Tempo vor, setzte aber auch interpretatorische Marken mit teils deutlicher Variation in der Geschwindigkeit. Knauers Darbietung und die Anpassung des Orchesters daran ergaben wiederum eine sehr hörenswerte Alternative zu anderen Interpretationen - plus technischer Perfektion, die gut herauszuhören war. So gesehen, ein über die pure Gabe des Werkes hinaus gehender Leckerbissen für Fans. Knauers Zugabe mit einem von Mendelssohn-Bartholdys “Lieder ohne Worte“ war gleichfalls hörenswert, den emotionalen Ausdruck glänzend findend.
Den Schlusspunkt setzte Carl Nielsens Sinfonie Nr. 2 op. 16 “Die vier Temperamente“. Ich gebe zu, dass ich Probleme mit vielen Werken Nielsens habe. Ihre Einprägsamkeit finde ich schwierig. Das liegt möglicherweise daran, dass Nielsen zwar Melodien und Motive bringt, diese aber irgendwie nicht auf den Punkt kommen, fast wie offene Enden. Vielleicht hat Nielsen die Möglichkeiten nicht ausgereizt... aber was nutzt die Spekulation? Seine 2. Sinfonie ist jedenfalls mit sein über die Grenzen Dänemarks hinaus erfolgreichstes Werk gewesen. Und schon interessant, weil jeder der vier Sätze für einen der klassischen vier Charakterzüge des Menschen steht, vom Choleriker (Allegro collerico!) bis zum Sanguiniker (Allegro sanguineo!). Meiner Meinung nach hätte Nielsen den Melancholiker im 3. Satz zum Ende hin noch dramatischer gestalten können, aber generell war es sehr beeindruckend, wie das Programm des Komponisten umgesetzt war. Und erneut eine glänzende Interpretation, die z.B. die vorgegebenen Unsauberkeiten beim Choleriker genauso bestens umsetzte wie die Trägheit des Phlegmatikers etc., also die Tempo- und Ausdruckswahl in Allem angemessen gestaltete.