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“Jung und wild. Faust - Phrase - Geld“ - Konzert von und mit Reinhard Fehling und Freunden in der Konzertaula. Ein Abend für Jura Soyfer und mehr

Geschrieben von Redaktion am . Veröffentlicht in Musik

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Text: Dr. Götz Loos | Fotos: Christoph Volkmer

Heuler02 1021CVKamen. Die bessere Welt, das bessere Land - aber wo ist die Heimat, wo das Glück? Eine ganz besondere Utopie schenkte uns Jura Soyfer, der linke, der bissige, wilde, junge (siehe den Titel) Poet, der zu jung sein Leben im KZ Buchenwald verlor. Es ist kein Geheimnis, dass Reinhard Fehling an dessen Werken Gefallen gefunden hat, Vertonungen seiner Werke vorgenommen, ihre Aufführung plus szenischer Lesungen und jetzt sogar einen Film fertiggestellt hat. Sicher, in Fehlings Bescheidenheit sind das natürlich Gemeinschaftswerke, aber der Urheber, der Ideengeber, der Macher ist er zweifellos selbst. Und so kamen sie endlich auf die Bühne der Konzertaula, verschoben wegen Corona und jetzt trotz Corona: Reinhard Fehlings Chor “Die letzten Heuler“, die Band “Die wilde 7“, (Freya Deiting, Sandra Horn, Ralf Kiwit, Thorsten Lange-Rettich, Maik Hester, Eric Richards, Jan Reisige), die Schauspieler Barbara Blümel und Michael Kamp. Die Leitung hatte Reinhard Fehling selbst, wie immer, wenn auch stimmlich etwas angeschlagen. Und auch wie fast immer bestand der Konzertabend aus zwei Teilen, der erste eben Jura Soyfer gewidmet, der zweite mit Vertonungen und Arrangements anderer junger Wilder - dadurch mit dem ersten Teil thematisch verklammert.

Der erste Teil wurde von einer durch Michael Kamp kondensierten in Szene gesetzten Lesung von Soyfers Theaterstück “Astoria“ als rotem Faden durchzogen. Mit knappen Kostümen (Hüten) übernahm insbesondere Barbara Blümel diverse Rollen daraus und sie und Michael Kamp (als Hupka) glänzten, durchaus vergnüglich. Dennoch sollte die ernste Intention des Autors nicht vergessen werden - und diese bleibt bis heute hochaktuell: die Sehnsucht nach Heimat und Geborgenheit, nach Glück, nach einem Paradies - in einer gnadenlosen realen Welt der Konkurrenz, in dem die Armen immer ärmer und zum Kämpfen gezwungen werden. “Faust - Phrase - Geld“ kennzeichnet, wie man auftreten muss, welche Mittel nötig sind, um zu bestehen, um mitzuspielen. Die musikalischen Meilensteine hierbei waren “sechs Songs aus 'Astoria'“, komponiert von Fehling, vorgetragen von Michael Kamp als Solist und als Chor den “Letzten Heulern“. Der instrumentale Rahmen wurde von den “Wilden 7“ gesetzt, eine Besetzung wie ein kleines Varieté-Orchester, passend für die Entstehungszeit des Theaterstücks. Die kompositorische Umsetzung spannte einen Bogen von beschwingt Tänzerischem und Lyrisch-Gefälligem (die Ironie des Textes bestens verstärkend) bis hin zum marschierenden Rhythmus sozialistischer Kampflieder. Manchmal endeten musikalische Passagen unerwartet, fast im Stil Neuer Musik, aber stets tonal. Insbesondere dem Chor wurden fugatoartige Folgen, wolkenhafte Verdichtungen und sich nahezu überschlagende Kanon-Abschnitte - breit ausgeführt oder fragmentarisch - in den Mund gelegt. Im Allgemeinen gelang das den “Letzten Heulern“ sehr gut, nur selten kamen Teile etwas “schwachbrüstig“ herüber.

Die weiteren “jungen Wilden“ des Abends waren die Vormärzler und Romantiker Percy Bysshe Shelley, Georg Herwegh und Franz Schubert, der DDR-Liedermacher Gerhard Gundermann und der ebenfalls ostdeutsche Dichter Helmut Richter. Entsprechend wechselten sich hier Eigenkompositionen Fehlings mit Arrangements für die hiesige Besetzung ab. Die Umsetzung war durchgehend einfühlsam und stilistisch sehr textorientiert. Schuberts Vertonung von Goethes “Erlkönig“ war rockig angelegt, so durchaus erfrischend, bei anderen Werken (Gundermann, Richter) waren hymnische Sequenzen herausgearbeitet bzw. komponiert, dabei etwas mitreißend, aber auch wieder stiller und berührend werdend. Das letzte Stück bei Fehlings Konzerten ist traditionell ein Mitsingstück, dieses Mal aber nur die letzten beiden Zeilen und mit Maske: Freuds kleiner Pegasusritt “Be happy together“, von Fehling als nicht minder netter kleiner Kanon vertont. Kurz: Ein Konzert wie erwartet - ansprechend, gut, mit Anspruch und Qualität. Mehr davon!

Archiv: "Letzte Heuler" holen Konzert in der Aula nach und feiern Filmpremiere

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