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Musikkritik: Viertes NPW-Sinfoniekonzert der Spielzeit 2022/23 - Wunschkonzert "3 aus 25"

Geschrieben von Redaktion am . Veröffentlicht in Musik

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von Dr. Götz Loos

Das Publikum hatte die Wahl: Aus einer Liste teils sehr populärer, teils wenig breitenbekannter Werke sollten drei Werke gewählt werden - eines als Ouvertüre, ein Konzert mit Soloinstrument und eine Sinfonie. Es wurden drei populäre Werke. Aber was Roland Vesper im Einführungsvortrag erwähnte, war bemerkenswert, nämlich dass eine Reihe wenig bekannter Werke relativ hoch gewählt wurden - die Frage der Lust nach Neuem drängt sich da auf und lässt hoffen. Die Neue Philharmonie Westfalen wird dem (hoffentlich) Rechnung tragen.

Aber an diesem Abend war das Programm mit drei bekannten Werken versorgt - und durchaus schönen, mir sehr genehmen. Für das Konzert war ein alter Bekannter zurückgekehrt: der ehemalige NPW-Generalmusikdirektor und heutige Ehrendirigent des Orchesters, Johannes Wildner. Auch er ließ sich einige Worte nicht nehmen, guter Laune und mit passenden Anekdoten und einer rührenden Geschichte - bevor das Orchester und er mit Smetanas "Die Moldau" (Vltava) aus "Mein Vaterland" starteten. Nun ja, ich bevorzuge etwas temporeichere Interpretationen. Andererseits wechselte in Wildner in für ihn bekannter eigenwilliger Weise das Tempo. Und in seiner gewählten Dynamik konnte man sich die Moldau förmlich auf der Zunge zergehen lassen - bzw. ein wohliges emotionales Bad nehmen.

Es folgte Beethovens Konzert für Violine und Orchester D-Dur op. 61, das vor allem für das Rondo-Motiv im dritten Satz bekannt ist. Die seinerzeitige angebliche Unspielbarkeit, lange orchestrale Passagen und eine regelmäßige Motivwiederholung haben Kritik hervorgerufen, verkennen aber, dass sich Beethoven auch hier als ungepasst erweist und einen eigenen Stil in die Violinkonzertliteratur gebracht hat. Das Werk ist einfach schön - und schön wurde es auch interpretiert. Das Spiel der Virtuosin Sophia Jaffé faszinierte durch eine zarte Durchsichtigkeit bei gleichzeitig funkelnder Brillanz - ja, man möchte von brillantem Spiel reden, dabei im wahrsten Sinne des Wortes. Die komplett solistischen Passagen wurden eindrucksvoll mühelos genommen, Kadenzen spielerisch. Das begeisterte - so lag eine Zugabe auf der Hand: aus Eugène Ysayes Violinen-Solosonate Nr. 1 der dritte Satz - zwischen ausdrucksvoll und spielerisch.

Schließlich die gewählte Sinfonie: Dvořáks Neunte, die "Aus der Neuen Welt" (Sinfonie Nr. 9 e-moll op. 95). Nicht nur generell ein populäres Werk, sondern die erste von mir bewusst gehörte Sinfonie überhaupt. Da ich seitdem sehr viele Interpretationen gehört und das Werk genau studiert habe, bestehen bei mir freilich sehr konkrete Vorstellungen, wie die "ideale" Interpretation klingen muss. Und deshalb war ich hier begeistert. Wildner kam zwar wiederum hier bei den Tempovorgaben etwas eigenwillig daher, was jedoch nur punktuell auffiel. Ansonsten erwies sich die Interpretation, in Technik, instrumentaler Treffgenauigkeit und emotionaler Ansprache als ein Meisterstück an Perfektion.

Wildner war es, der die NPW zu einem erstrangigen Klangkörper machte und zu den hohen Standards steht er weiterhin - wie natürlich auch das Orchester selbst. Man sah den Musikerinnen und Musikern an, wieviel Vergnügen ihnen das gemeinsame Musizieren mit dem alten Chef bereitete - und das ist doch die beste Voraussetzung für gelingende Interpretationen. So war dieses Wunschkonzert ein Vergnügen wie ein großer Genuss für das Publikum, das alle drei Werkaufführungen jeweils mit stehenden Ovationen bedachte.