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GSW

Sinfonische Reihe: "Komponistinnen" - mehr davon!

Geschrieben von Redaktion am . Veröffentlicht in Musik

Konzertrezension

von Dr. Götz Loos
 
Musik Datei176696959 Urheber abstract fotoliaMusik Datei176696959 Urheber abstract fotoliaKamen. Es gibt doch einige von ihnen, den Frauen, die sich komponierend betätigten und betätigen. Umso erfreulicher, dass die Neue Philharmonie Westfalen einen solchen Programmabend in seine Sinfoniekonzertreihe aufgenommen hat. Das 4. Konzert der diesjährigen Saison am Mittwochabend in der Konzertaula brachte dann die "Komponistinnen", wie das Thema kurz überschrieben war. Und vier Werke von vier Komponistinnen waren dann entsprechend zu hören - in Kamen sicherlich alle zum ersten Mal.
 
Komponistinnen haben leider lange Zeit einen schweren Stand gehabt - und auch heute spielen sie erst allmählich eine Rolle, dann sind es meist Zeitgenossinnen, von denen in der Regel Uraufführungen auf das Programm kommen. Eine solche Erst- oder richtiger Zweitaufführung - für Deutschland - war die Nummer 3 auf dem Programm: Anna Clynes "PIVOT" für Streichquintett und Orchester. Clynes, Jahrgang 1980, ist unter allen Komponistinnen ihrer Generation die meistaufgeführte. Mit dem "Dreh- und Angelpunkt", was Pivot bedeutet, meint Clyne nichts Statisches, sondern das Schwenken von einem Erlebnis zum anderen. Das spiegelt sich in der Lebhaftigkeit der Musik, die auf den ersten Eindruck orientalisch angehaucht zu sein scheint. Tatsächlich ist es aber von schottischen Volksweisen beeinflusst, zitiert sogar "The Flowers of Edinburgh". Und meint auch "The Pivot", den akten Folkmusik-Pub in Edinburgh (heute "The Royal Oak"). Interessant: durch und durch spätromantische Klänge werden durchzogen von einzelnen neumusikalischen Effekten (ein "Tonabgleiten" an den Rand des Atonalen vor allen Dingen). 
Die NPW traf den richtigen Tonfall, völlig souverän - geleitet ebenfalls von einer Frau: Anna Skryleva, selbst ebenfalls Komponistin, führte den Taktstock, mit präzisen Schlägen.
 
Das Konzert startete aber mit dem Werk "Ethiopia's Shadow in America" der afroamerikanischen Komponistin Florence Price (1887-1953), die als erste Farbige bei großen Orchestern aufgeführt wurde, trotz rassistischer UND geschlechtsbedingter Diskriminierungen. 1932 komponiert, wurde das Werk erst 2009 wiedergefunden. Die Ankunft, Resignation und (Gefühls-)Integration von Sklaven aus Afrika findet sich hier thematisiert, von spätromantischen, zumeist warmen Farben des Klangs getragen, unter Einbeziehung von Elementen aus Blues und Gospel. Makellos und glänzend auch hier die Interpretation von Skryleva und der NPW.
 
Clara Schumanns Konzert für Klavier und Orchester a-moll op. 7 war für mich das bekannteste Werk, dann folgend. Clara und Robert hatten schon recht ähnliche Kompositionsweisen, doch ist Claras Konzert sprunghafter, weniger auf einen "roten Faden" zielend, sondern verschiedene Gedanken ausbauend, wo nötig. Impulsive "Explosionen" werden nicht unbedingt wiederholt, sondern ein neuer Gedanke maximal in ähnlicher Weise ausgebreitet. Jedenfalls viel Dynamik in dem Klavierkonzert, kräftige Ausbrüche, viel Effekt, viel Spektakularität. Die Interpretation des Klavierparts lag in den Händen der Virtuosin Katharina Treutler, welche alle Passagen im wahrsten Wortsinne spielend meisterte. Das Attribute präzise, klangvoll, Temperament - all das kann man über Katharina Treutler nachlesen - und es stimmt alles... Sie ist in der Lage, alles zugleich zu realisieren - damit ist zu zweifellos als eine der vorderrangigsten Pianistinnen einzustufen.
 
Das letzte Werk des Abends war die Sinfonie Nr. 1 c-moll von Emilie Mayer. Ihre Lebensdaten, 1812-1883, weisen sie als Romantikerin aus, zumindest zeitlich, sie war sehr von Beethoven beeinflusst. Doch diese erste Sinfonie zeigt ein Schwanken zwischen Beethoven und Mendelssohn in der Tonsprache. Den neueren Klängen war sie sich also durchaus bewusst und hat sie verarbeitet. Diese Sinfonie ist mir auch schon einige Jahre bekannt, trotzdem überraschte mich die quickfidele Freude, die zumindest der Interpretation entsprang.
 
Wiederum professionell, abstrichfrei, war die Leistung des Orchesters - konzentriert und rundum perfekt. Anna Skryleva setzte ihre Vorstellungen ohne erkennbar aufwändige Anstrengungen um.
Und da es eben noch mehr Komponistinnen gab und gibt - in den folgenden Programmen bitte mehr davon!
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