-Anzeige-

Anzeige

Heimat ist ... wo du die Maut versäufst

am . Veröffentlicht in Wort & Buch

jahrbuch218AMGuter Dinge beim Ausflug in die Historie - von links Kreisheimatpfleger Dr. Peter Kracht, Meike Westermann von der Mayerschen, Heerens Heimatpfleger Karl-Heinz Stoltefuß. (Foto Andreas Milk für KamenWeb.de)

von Andreas Milk

Kamen. Nicht bloß eine Lesung gab es heute Vormittag in der Mayerschen Buchhandlung - Kreisheimatpfleger Dr. Peter Kracht sprach auch die lokale Kulturpolitik an. Es ging um das "Jahrbuch Kreis Unna", das Kracht herausgibt, auch bekannt als Kreisheimatbuch. Bis 2016 wurde es vom Kreis Unna bezuschusst. Dann entschied der Kreistag: Schluss damit - der Haushaltssanierung wegen. Und dabei, sagt Kracht, spreche doch fast jeder über Heimat. Selbst Aldi und Lidl verdienten Geld mit dem Begriff.

Das Jahrbuch 2018 stellte Kracht nun gemeinsam mit Heerens Ortsheimatpfleger Karl-Heinz Stoltefuß vor. Schwerpunktthema: "Treffpunkt Straße". Wobei es sehr wohl auch eine Wasserstraße sein darf, die Lippe beispielsweise. Kracht nimmt sich in einem Beitrag die alten Römer vor. Als sie wenige Jahre vor Christi Geburt ihr Lager in Oberaden bezogen hatten, mussten sie auf Kähnen Nachschub heranholen: Getreide, Olivenöl, Wein für bis zu 20.000 Menschen auf dem 54 Hektar großen Areal. Feldherr Drusus hatte in Rom ein recht flottes Leben geführt und wollte auch in der Fremde keinen Mangel leiden. "Die Bergkamener lieben Superlative", weiß Historiker Kracht: Einst das größte Römerlager nördlich der Alpen (und auch südlich gab es wohl nur kleinere) - und im vergangenen Jahrhundert größte Bergbaustadt Europas.
Dagegen mag sich Heeren bescheidener ausnehmen. Karl-Heinz Stoltefuß schildert das örtliche Wegenetz vor 150 Jahren - als die heutige L 665 noch von Postkutschen befahren wurde. Stoltefuß' Buchbeitrag macht deutlich: Manche Dinge ändern sich nie - darunter die Klagen über die "rohe Jugend".

Und Klagen über die Maut. Maut? Jawohl. Die hieß damals Chaussee- oder Wegegeld und wurde von Gastwirten erhoben, die das Recht dazu gepachtet hatten. So zahlten Fußgänger fürs Passieren einer Brücke zwei Pfennig, schreibt Bergkamens Stadtarchivar Martin Litzinger - es sei denn, sie nahmen vorher einen Schnaps für fünf Pfennig: Dann durften sie umsonst rüber.
22 Autorinnen und Autoren haben Artikel zum Buch beigetragen - durchaus auch mal mit fiktionalen Zügen: Der Heerener Stoltefuß nahm eine Entdeckung im Pfarrarchiv zum Anlass, über ein Findelkind zu berichten. Die handelnden Personen gab es wirklich; die Handlung selbst, sagt Stoltefuß, habe er ausgeschmückt.

Für 9,80 Euro ist das Buch zu haben. 1.000 Exemplare wurden gedruckt und bislang rund 900 verkauft. Was die Finanzierung nach dem Ausstieg des Kreises angeht: Die Sparkasse UnnaKamen sprang ein, freut sich Kreisheimatpfleger Kracht. Der hofft, dass sich demnächst auch Sparkassen in nördlicheren Kreis-Gefilden beteiligen. Vor Weihnachten 2018 soll das Jahrbuch 2019 erscheinen. Schwerpunkt dann: Handwerk.
Alles erst mal in Butter also - zumal Kracht und der Chef des Kreises, Landrat Michael Makiolla, sich immer noch gut verstehen. Beide haben zusammen Abi gemacht - also eine gemeinsame geistige Heimat.