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Franz Müntefering über sein Buch „Unterwegs – Älterwerden in dieser Zeit“

am . Veröffentlicht in Wort & Buch

VHSMuentefering1 919Franz Müntefering im Gespräch mit Dr. Thomas Freiberger - Foto: Katrin Hägerling

Kamen. „Unterwegs. Älterwerden in dieser Zeit“ heißt das Buch, dass Franz Müntefering gestern vor ausverkauftem Saal in der Stadtbücherei Kamen vorgestellt hat. Der Titel, so Müntefering im Gespräch mit VHS-Leiter Dr. Thomas Freiberger, sei ihm spontan beim Blick aus dem Fenster während einer Bahnfahrt gekommen. Trotz seiner 79 Jahre ist Müntefering tatsächlich ständig unterwegs, sowohl physisch als auch geistig. Und darüber schreibt er in seinem Buch, das in kein gängiges Literaturgenre passen will. Es geht darin nicht nur um das Älterwerden, sondern auch um seine politische Vergangenheit als Kommunalpolitiker im Sauerland, als Landtags- bzw. Bundestagsabgeordneter und als Minister in der Bundesregierung. Es geht Müntefering aber auch um den Zustand unserer gegenwärtigen Gesellschaft.

Der demographische Wandel unserer Gesellschaft treibt Müntefering um. Die zunehmende Vereinsamung alter Menschen in unserer Gesellschaft und der je nach Region sehr unterschiedliche Zugang zu palliativmedizinischer Versorgung beschäftigen den altgedienten Sozialdemokraten. Alte Menschen sollten so lange wie möglich aktiv und engagiert bleiben, damit sie ihr Leben möglichst lange selbstbestimmt führen können. Angesichts der zunehmenden Lebenserwartung, sei dies zwingend notwendig. Müntefering selbst macht es vor. Seit seinem Ausscheiden aus der Politik engagiert er sich ehrenamtlich als Vorsitzender der der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisation (BAGSO) und als Präsident des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) Deutschland.

Und wenn dann doch einmal die Kräfte schwinden, dann „müssen wir uns alle unterhaken und uns gegenseitig helfen“ so Müntefering. Mehrfach fordert Müntefering mehr Solidarität zur Lösung der großen Probleme unserer Gesellschaft. „Es kommt auf jeden Einzelnen an.“ Maßgeschneiderte Antworten auf die großen Fragen unserer Zeit habe er allerdings nicht. Wenn er aber eins in seinem Leben gelernt habe, so Müntefering, dann, dass die Welt ständigem Wandel unterworfen sei. Jede Generation müsse folglich neue Antworten auf die drängenden Fragen der Gegenwart finden.

So waren es auch die großen Fragen des Lebens, die Müntefering schließlich zu der Persönlichkeit gemacht haben, die er heute ist. Müntefering, der in Sundern zur Volksschule ging und danach Industriekaufmann wurde, entwickelte sich mit 16 Jahren zu einer Leseratte, weil er Antworten auf die großen Fragen des Lebens suchte. Mehr als sechzig Jahre später hat er auf manche Fragen immer noch keine Antworten gefunden, aber dem Publikum gab er zu verstehen, dass das Stellen von Fragen manchmal wichtiger ist alsdas Finden von Antworten. So erfreut sich der Sauerländer besonders an Aphorismen, die er fleißig sammelt. Einige davon trug er mit sichtlichem Vergnügen dem Publikum vor. Überhaupt sorgte Münteferings Mischung aus Geradlinigkeit und trockenem Humor für einen kurzweiligen Abend.

In der Diskussion mit dem Publikum kam dann aber doch noch einmal der besorgte Müntefering zum Vorschein. Im wachsenden Rechtspopulismus sieht Müntefering derzeit die größte Gefahr für unsere Demokratie. Die Gefahr gehe dabei nicht so sehr von den Protestwählern und den kategorischen Nörglern aus, sondern von denjenigen, „die unsere Demokratie kaputt machen wollen.“ Auch in diesem Falle, so Müntefering, komme es auf jeden Einzelnen an. Der langanhaltende Schlussapplaus deutete darauf hin, dass Müntefering wohl viele der über 100 Zuhörer mit seinem Appell berührt hat.
Eingeladen hatten die Stadtbücherei, die VHS Kamen-Bönen und die Arbeitsgemeinschaft Arbeit und Leben NRW.