Gedicht der Woche: Volkers Geschichte von einer fiesen Spinne
Volkers Geschichte von einer fiesen Spinne
Belästigt wurden Kasimir
und seine Frau Agathe
von einem fiesen Spinnentier
in ihrer Kemenate.
Es war Oktober und recht frisch,
der Herbst war angebrochen.
Die beiden aßen hübsch bei Tisch,
da kam sie angekrochen:
Die Spinnen-Beine waren lang,
behaart und vier je Seite,
grazil und federnd war ihr Gang,
fünf Zoll maß ihre Breite.
Ihr war es draußen viel zu kalt,
dort wollte sie nicht bleiben,
entschloss sich, durch den Fensterspalt
ins Warme einzusteigen.
So drang sie in die Stube ein
mit Übung und Routine.
Agathe sah im Kerzenschein
das Vieh an der Gardine.
»Igitt«, rief die Agathe da,
»das Ding ist mir zuwider!«
Ihr fuhr, als sie die Spinne sah,
der Schrecken in die Glieder.
Sie sprang von ihrem Kanapee
und fort sah man sie huschen.
Der Kasimir sprach »je-o-je!«
und griff nach seinem Puschen.
Der Schlappen wurde eingesetzt
in Form gezielter Schläge,
damit das Drecksvieh hier und jetzt
dem Attentat erläge.
Das Schlagen war vergebens bloß,
die Spinne, die war schneller,
entkam dem üblen Schlappen-Stoß
und saß jetzt auf dem Teller.
Bei Kasimirs Pantoffel-Tat
kam die Gardine runter.
Die Spinne saß auf dem Salat,
und war erstaunlich munter.
Die Wut des Mannes war entfacht,
sein Frohsinn war vergangen.
»Jetzt wird das Scheusal umgebracht!«,
war Kasimirs Verlangen.
Die Suppen-Kelle griff er sich
und holte aus zum töten.
Er sprach: »Dir Monstrum werde ich
nun tüchtig ein‘ verlöten!«
Er zielte scharf und ausgebufft,
stringent und struktureller.
Dann zischte durch die Stuben-Luft,
die Kelle auf den Teller.
Doch war die Spinne fort gerannt
noch vor der Kellen-Klatsche;
und an der Decke und der Wand
hing nun die Speisen-Matsche.
»Wart’ ab!«, so sprach der Mann da noch
voll Hass und äußerst sauer,
zwar war der Gute schlau - jedoch:
Die Spinne, die war schlauer.
Getötet war sie längst noch nicht,
sie spürte Wohlergehen.
Man konnte sie am Deckenlicht
mit Frohsinn sitzen sehen.
Dem Kasimir verging der Spaß,
das konnte man erkennen.
Er nahm die Flasche Flüssiggas.
Die Spinne sollte brennen!!
Am Flaschenhals war ein Ventil,
das drehte er behende.
Das Gas zu zünden, war sein Ziel.
(Das nahm ein böses Ende)
Das Gas entwich aus dem Gefäß,
die Spinne sah‘s erheitert
und dachte dabei (sinngemäß):
Das schafft er nicht, er scheitert.
Das Streichholz ratschte folgenreich,
Agathe sah‘s mit Bangen,
es puffte und das Gas hat gleich
zu brennen angefangen.
Er richtete den Flammenstrahl
in Richtung Deckenleuchte,
von der die Spinne erst einmal
gesund und flink entfleuchte.
»Verdammt!«, entfuhr es Kasimir,
weil er sein Pech erkannte.
Agathe warnte: »Über Dir!«
(Die Deckenleuchte brannte)
Die Spinne saß höchst amüsiert
am Dach der Schrank-Vitrine
besah von dort, was dann passiert‘:
Es brannte die Gardine.
Agathe, die war angsterfüllt,
das war ihr nicht geheuer.
Die Stube war in Rauch gehüllt,
Agathe brüllte: »Feuer!«
Und auch die Spinne war recht bald
vom Rauch schon ganz benommen;
sie floh durch jenen Fensterspalt,
durch den sie reingekommen.
Nun brannte bald das ganze Haus,
Agathe blieb am Leben.
Auch Kasimir kam lebend raus -
jedoch, so g‘rade eben.
Nun standen beide außen vor
dem brennenden Gemäuer,
das immer mehr Substanz verlor
infolge Rauch und Feuer.
Aus zwanzig Metern Ferne sah
die Spinne mit Vergnügen
das kleine Haus, in dem sie war,
in Schutt und Asche liegen.
Sie schaute in den Feuerschein,
von einem hohen Baume,
sie kratzte sich am siebten Bein
und sprach: »Was für ’ne Pflaume!«
von Volker Rost