Gedicht der Woche: Ein Foto
Ein Foto
Wir fotografieren die Luft, die sie uns verschlingt
damit die Welt sieht
Wir fotografieren eine Katze, die nach unseren Knochen schnappt
damit die Welt begreift
Wir fotografieren die Ameise, die ohnmächtig vom Zuckerstück fiel
damit die Welt Unbehagen empfindet
Wir fotografieren, um den Schmerz zu dokumentieren
damit ihn andre vermeiden
Doch die Welt wendet sich ab
Wir fotografieren mit einer echten Panasonic
wie Kinder hungern
und die Welt wird davon satt
Wir fotografieren, damit er sieht und ich und du
doch nur die Kamera sieht wirklich
Wer hat gesagt, die Welt habe Augen und Zeit um zu sehen
Sorgt euch nicht, wir werden ein bisschen zornig sein
und unter Tränen mit den Füssen auf den Boden stampfen
Unser Gewissen ist erschüttert und so setzen wir uns anders hin
Erschüttert sind auch unsere Seelen
doch schnell wechselt die Welt den Sender
Wir sterben in Massen
ein Kind ertrinkt
Zufällig sieht das die Welt
und empfindet ein wenig Unbehagen
Dann rettet sie ein paar von uns
und wir vergessen. Dass wir alle Menschen sind
und dass die ganze Erde
in diesem kurzen Leben
uns gehört
Kholoud Charaf